Eine Bemerkung zur eigenen Verwicklung in Kommunikation
Bei G+ gab es einen interessanten Kommentarwechsel zu meinem Artikel Die Naivität „virtueller Realität„.
Ein Google-User hatte kommentiert: „Wieder einmal erschließt sich mir nicht, worauf es hinaus läuft – was ist der Zweck dieses Aufsatzes?“ Ich hatte entgegnet: „Welche Forderung müsste erfüllt werden, damit sich dir der Text erschließt? Und von wem?“ Die Antwort lautete:
Es wäre natürlich verführerisch zu sagen: der Verfasser müsste klarer schreiben … Vor längerer Zeit wurde mal in Erläuterungen zu einem früheren Text angegeben, es habe sich dabei um eine Art Testung der Leser gehandelt. Seinerzeit ist übrigens meine Sympathie deutlich gesunken und ich werde bei jedem neuen Text den Verdacht nicht los, dass da dann auch wieder „irgendsowas dahinter steckt“ …
Was mir aber immer wieder auffällt: ich ersehe nie eine deutlich formulierte Haupt – / End – These / – Behauptung. Aber auch keine klar in den Raum gestellte offene Frage, als Quintessenz quasi. Die Texte hören einfach irgendwann halt irgendwie auf.
Warum wurden die Texte geschrieben? Was die Hauptthese ist, oder die aufgeworfene Frage.
Diese Antwort ist – wie jeder andere Sachverhalt auch – so komplex, dass ich außerstande bin mit einem Text, der nicht länger als eine DIN A4 Seite ist, auf alle wichtigen und interessaten Implikationen einzugehen. Das Schöne an einem Blog ist, dass es ein „offenes Kunstwerk“ (Umberto Eco) ist, ein Endlostext ohne Anfang und Ende, der keinen eindeutigen Autor hat, weil ja auch die Kommentatoren, deren Identität niemand ermitteln kann, zur Erzählung beitragen; und außerdem kann dieser Blog an tausend verschiedenen Stellen weiter kommentiert werden, ohne, dass alle Interessierten all das jemals in Erfahrung bringen könnten, so dass es, kommt es zur Fortsetzung der Kommunikation, keinen aktuellen Stand der Dinge gibt, weil keiner von keinem weiß, was man wissen müsste, um über das Update der Diskussion Bescheid zu wissen.
Die Blog-Kommunikation lässt kein Update zu. Der Kenntnisstand wäre überkomplex und ist darum, weil nicht zu ermitteln, prinzipiell irrelevant.
Auf diese Beobachtung hin ist meine Internetschreiberei angelegt. Ich schreibe nicht für ein Publikum, weil ich davon nichts weiß, es sei denn, es melden hier oder da irgendwelche Kommentatoren, die aus diesen oder jenen Gründen irgendwann etwas Interessantes oder Dämliches dazu äußern. Aber außerhalb von weiteren Mitteilungsanschlusshandlungen anderer ist für mich kein Publikum anwesend und keine Öffentlichkeit erkennbar und schon gar nicht erreichbar. Im Prinzip gilt dies für alle anderen Blog-Autoren auch, inkl. der Möglichkeit, dass sie das nicht wissen oder nicht für möglich halten wollen, weil ja niemand über alles vollständig informiert sein kann (Heißt: auch nicht über die Unvollständigkeit des eigenen Nicht-Informtseins.)
Darum: eine einigermaßen intelligente Behandlung der Blog-Kommunikation könnte darin bestehen, die eigene Verwicklung in die Kommunikation zu reflektieren. Das heißt: was geht dich dieser Text an? Und warum sollte es mich etwas angehen, dass du mir dies mitteilst? Und warum sollte ich dir mitteilen, das mich deine Mitteilung etwas angeht? Ganz ernst gemeint: wenn du diesen Text liest, stellt sich pragmatisch die Frage, wer für welche Irriationen verantwortlich sein könnte und wer für was auskunftspflichtig sein müsste. Ganz pragmatisch: Wer? Wann? Über in welcher Hinsicht? Zu welchem Thema? Wenn doch erkennbar ist, dass all dies gar nicht klar ist und nicht klar gemacht werden kann. Und deshalb schreibe ich so.
Das Blog ist ein Endlostext, dessen kommunikative Realität nur durch eine Fiktionalität bestätigt werden könnte, mit der imaginiert wird, dass es sich so oder auch anders verhält. Als Einheit dieser Differenz von Realität und Fiktionalität käme dann ein Begriff von Virtualität in Frage.