Die Intelligenz der Metaphysiker künstlicher Intelligenz
von Kusanowsky
Allgemein formuliert benutzen Physiker ein Beobachtsschema, das zwischen Realität und Theorie unterscheidet. Diese Unterscheidung ist seit Newton prominent und seit Entwicklung der Quantenphysik überraschenderweise nicht obsolet geworden, obgleich schon Werner Heisenberg hinsichtlich der Unschärferelation den Gedanken anstoßen konnte, dass eine physikalisch beschreibbare Realität nicht außerhalb eines Beobachtungszusammenhangs entstehen kann. „Heisenberg berücksichtigte erstmals, dass es ohne gegenseitige physikalische Beeinflussung von Objekt und Beobachtungsinstrument keinen Messprozess geben kann, und dass den Auswirkungen durch die Quantisierung der Naturvorgänge bestimmte untere Grenzen gesetzt sind.“
Die Leistungsfähigkeit dieses Beobachtungsschemas war durch eine Kontrastierung gegeben, die sich gegen die aristotelische Tradition absetzte, welche den Irrtum auf der Seite der Realität vermutete. Wenn die Dinge nicht so sind wie theoretisch gedacht, so hatte sich die Realität geirrt. Die modernen Physiker verankerten den Irrtum auf der Seite der Theorie und nahmen die Ergebnisse des Experiments als Prüfungskriterium für Realität. Die allgemeine Annahme lautet: die Theorie sei nicht real, das Experiment sehr wohl, weshalb sich eine jede Theorie durch Experimente zu beweisen habe. Aus diesem Grunde, so hatte Popper 1934 in der Logik der Forschung erklärt, habe die Naturwissenschaft kein Problem mit der Quelle der Erkenntnis. Die Wissenschaftler könnten sich ihre Hypothesen im Tiefschlaf ausgedacht haben oder im Drogenrausch, entscheidend seien die Ergebnisse des Experiments, nicht die Realität der Hypothese oder die Realität der Theorie, aus welcher Hypothesen abgeleitet werden. Insofern wäre ein wildes Herumspekulieren in der Naturwissenschaft jederzeit erlaubt, weil nämlich die Prüfungsergebnisse von Experimenten nur sehr wenig erlauben.
Seit etwa zweihundert Jahren wurden ganze Wälder abgeholzt, um diese zugegebenermaßen naive Vorstellung zu widerlegen, ohne Erfolg. Der Grund ist, dass man Hypothesen weder verifizieren noch falszifizieren kann, jedenfalls wird durch Bestätigung oder Widerlegung keine endgültige Entscheidung darüber getroffen, wie die Forschung weiter gehen kann. Insofern scheitert dieses Beobachtungsschema nicht am Widerspruch oder an der Widerlegung, im Gegenteil: so lange jeder Widerspruch dieses Beobachtungsschema beansprucht, wird es nur erhärtet und trainiert damit die sozialen Selektionsprozesse. Vielmehr scheitert es dann, wenn die Forscher anfangen, das durch dieses Beobachtungsschema erzeugte re-rentry nach dem selben Schema zu behandeln.
Kurz erklärt: die Unterscheidung von Realität und Theorie wird von einer intelligiblen Instanz benutzt, z.B. von Menschen. Auch für Physiker sind Menschen, obgleich die Physik Menschen nicht nach Maßgabe ihrer Methoden vollständig erfassen kann, ein Gegenstand der physikalischen Forschung, insofern der Verstand notwendig am Forschungsgeschehen beteiligt ist. Der interessante Prüfungsttrick könnte folglich sein, die Ergebnisse des Verstandes – also Theorie – als mögliche, aber nicht notwendige Illusion zu behandeln, womit Kontingenz einer jeden Theorie in Rechnung gestellt wäre. Für die Ergebnisse der Forschung, also für die sog. Realität könnte man nun etwas ähnliches hypothetisch vermuten, nämlich dann, wenn die Experimente selbst eine Intelligibilität erzeugen. Mit Intelligibilität ist nicht Intelligenz gemeint, sondern nur die Erfassung beobachtbarer Gegenstände, was auch Selbstreferenz einschließt. Die Prüfungsfrage lautet dann: was sagen die Messergebnisse aus, wenn dies der Fall wäre, wenn also die so verstandene Realität selbst kontingent wäre? Das geht aber nur, wenn man etwas Meßbares hat, um einem Irrsinns-Zirkel zu entgehen. Weshalb sich Intelligenz als Begriff anbietet. So könnte man also fragen: ist die Maschine oder ein intransparentes Netzwerk aus sich gegenseitig bedingenden Maschineneinschaltungs- und Ausschaltungsoperationen intelligent?
Rational kühl kalkuliert gibt es auf diese Frage drei mögliche Antworten: ja, nein und vielleicht. Rechnet man jede der drei Antwort als theoretische Realität durch und überprüft sie an einer realen Theorie, also an einem Gegenstand, der die gleichen Fragen stellt und Ergebnisse überprüft, so soll jemand mal sagen, was in dem Fall eigentlich gefunden werden könnte. Und von wem?
Reblogged this on Ich sag mal.
Offenbar behandelst du hier zwei verschiedene Themen – nämlich zum einen die Frage der Unterscheidbarkeit von Realität und Theorie und zum anderen die, ob es soetwas wie eine wirkliche künstliche Intelligenz geben könne. Zum ersteren möchte ich erwähnen, daß wir uns ja wohl alle noch daran erinnern können, wie ärgerlich unser Physik-Lehrer werden konnte, wenn wir in seinen Experimenten nicht sogleich die daraus zu folgernde Theorie ableiten konnten – wie sollten wir aber auch, da wir diese ja noch gar nicht kannten (und die demnach dabei natürlich immer vorausgesetzt wird!) ? – Zur andere Frage möchte ich eine kurze Gegenfrage stellen: nämlich die, ob du glaubst, daß es jemals einen Computer geben wird, der tatsächlich eigene Schmerzen empfindet und nicht nur simuliert. Ich glaube das nämlich nicht und folgere daraus (vielleicht esoterisch), daß das so ist, weil in einen Computer keine Seele inkarniert ist, die allein Träger einer wirklichen lebendigen Selbst-Intelligenz sein kann.
Es gibt keine Tatsächlichkeit außerhalb eines Beobachtungszusammenhangs, der Tatsachenbeobachtung ermöglicht und es durch Prüfung herstellt, Tatsachen durch Verzicht auf Bestreiten als wahr zu erachten. Alle Tatsächlichkeit ist abhängig von der Tatsächlichkeit der Beobachtung von Beobachtung. Das gilt auch für die Zurechnung oder Anerkennung von Intelligenz. Es gibt keine Objekte, keine Erscheinungen, in denen Intelligenz schon enthalten wäre, die man entweder erst entdecken müsste oder die man so zusammenschrauben könnte, dass sie Intelligenz hervorbringen. Denn an jeder Intelligenzdefinition ist die Beobachtung der Kontingenz geknüpft. Kontingenz ist ein Begriff für eine verkaspelte Paradoxie, nämlich: eindeutige Uneindeutigkeit. Intelligenz, wie auch immer man sonst Intelligenz defnieren möchte, muss mindestens Uneindeutigkeiten bewältigen können, also irgendeine Art von Kreativität, ein Ausweichen von Aporien, ein Reagieren auf Paradoxien zustandebringen. Die KI-Metaphysiker scheitern deshalb, da ihre Suche schon die notwendige Kontingenz impliziert, die man versucht in technische Werke hineinzulegen und welche man dann an einer Maschine oder einem Netzwerk von Maschinen ablesen möchte. Denn findet man Kontingenz, dann auch die Möglichkeit, die Ergebenisse entweder zu bestätigen, zu verneinen oder ihre Unbestimmtheit festzustellen. Intelligenz macht, dass man bestimmte Dinge genau wissen kann; Intelligenz macht aber auch, dass man über Intelligenz nichts eindeutiges wissen kann, ja nichts eindeutiges zu wissen braucht, damit Intelligenz funktioniert. Intelligenz kann nur in Maßen berechenbar sein und ist für sich selbst nur unzureichend berechenbar. Auskunft darüber geben tausend verschiedene Definitionen dessen, was man unter Intelligenz verstehen kann. Natürlich ist vorstellbar, dass sich eine technische Komplexität so intransparent gestaltet, dass sie nach Maßgabe der selben Verfahren nicht noch einmal durchrechenbar ist. Aber die Frage, ob man es dann mit Intelligenz zu tun hat, kann immer mit Ja, Nein oder Weißnicht beantwortet werden. Das gilt auch für die Vermutung von Schmerzen. (Fast) jeder Arzt kennt das Problem. Warum sollten Techniker keine Probleme damit bekommen? Zumal sie sich, wenn sie es mit künstlicher Intelligenz zu tun bekommen wollen, nicht ihrer Trickserei entziehen könnten. Mindestens werden sie Trickserei finden müssen, und dass sie damit nicht auf ihre eigene Trickserei Hereinfallen ist auch nicht so einfach zu glauben.
Aber der Hinweis auf Leiblichkeit scheint mir angebracht, weil er auf den blinden Fleck der KI-Forscher aufmerksam macht. Sie unterscheiden künstliche von natürlicher Intelligenz. Aber einer natürlichen Intelligenz ist noch niemand außerhalb eines sozialen Beobachtungszusammenhangs begegnet. Und das gilt auch für künstliche Intelligenz.