Die Askesis der Paranoik
von Kusanowsky
In einem Kommentar zum vorhergehenden Artikel hatte der Kommentator Lusru gefragt:
Was hat nun dieses geborgte nicht auf eigenem Mist gewachsene Denkrudiment des Joringel Merilodia (Octavio Paz) mit dem immerhin reichlich interessanten Artikel von der “Disqualifizierung des Selbstdarstellers” zu tun?
Keine Ahnung. Aber assoziologisch gesehen kommt es nicht mehr auf die Feststellung an, dass das eine mit dem anderen etwas zu tun hat und was dies „Etwas“ sei, sondern darauf, ob sich etwas Zusammenhängendes ergeben könnte, wenn man nicht, nur um die Beschränkungen einer kritischen Diszpin für nichts und wieder nichts einzuhalten, auf einen Erkenntniszugewinn verzichten wollte.
Denn nach dem Scheitern der Erkenntnistheorie, die ihre Problem wie zwischen Mahlsteinen höchst feinkörnig aufgelöst hat, gibt es für die kritische Diszplin nichts mehr, was sie noch erreichen könnte. Konnte doch Erkenntnis als Problem nur deshalb zum Gegenstand werden, weil die kritische Diszplin eine kognitive Kontaktunterbrechung kommunkaktiv entfaltet hatte. Diese Kontaktunterbrechung bezieht sich auf die Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz und lieferte beim Durchlauf eines Übungsprogramms (griech. Askesis) die transzendentale Begründung dafür, dass diese Differenz gerade unter Beanspruchung einer Selbstreferenz fremdreferenziell durchdenkbar ist: Die Elemente der Formen, die dem Denken zugänglich sind, werden demnach nicht a priori aus einer fertigen Welt abgelesen, sondern durch die Verstandesfähigkeit hineingelegt oder durch den Verstand aus sich selbst hervor geholt. Transzendental ist nach Kant das, was die Erfahrung der Gegenstände überschreitet und was als Voraussetzung mitgedacht werden muss, um überhaupt Erfahrungen machen zu können. Also: Selbstreferenz des Bewusstseins. Und das heißt, dass es kein bedingungsloses Wissen gibt, aber alle Bedingheit unterliegt dem Vermögen der Vernunft, von dem Kant wiederum annehmen konnte, dass sie als menschliche Vernunft bei allen und immer gleichbleibend sei. So blieb wenigstens noch die Potenzialität der Vernunft unbedingt.
Die kritische Diszplin, mit der diese Höchstform erbracht wurde, konnte diese Theorie in der nachfolgenden Zeit zugleich auch widerlegen, denn dass alles Vernunftpotenzial unbedingt sei, ist empirisch nach den transzendental erfassbaren Formen des Denkens nicht zu verfizieren. Erkenntnis verschwindet damit nicht, sondern wird als das erkannt, was sie schlechterdings niemals nicht sein konnte, nämlich: unwahrscheinlich, aber normal.
Und nun? Die Reaktion darauf war schon bei Hegel angelegt, ist aber an der Bewährungshürde des Marxismus gescheitert. Und erst Luhmann ist es dann wieder gelungen, das Selbstreferenzproblem zu erweitern. Selbstreferenz nicht nur für das Bewusstsein, sondern auch für die Kommunikation. Damit sind Menschen als Träger des Wissens und sozialer Rollen ausgeschieden.
Das interessante ist nun, dass die Luhmannsche Theorie selbst noch ein Ergebnis, das bislang letzte beeindruckende Ergebnis der kritischen Diszplin war. Insofern könnte man sagen, war Luhmann noch als kritisches Subjekt adressierbar auch dann, wenn die Selbstbeschreibung der Theorie etwas anderes ausgab. Dass dies so war, kann man an den stabilen ontologisch geprägten Strukturen feststellen, die sich ja nicht einfach ändern, wenn sie eine Theorie ändert.
Wenn man nun im Anschluss an Luhmann fragen möchte, wie es weiter geht, so könnte es zwei Antworten geben. Entweder: Durchsetzung einer Schule, bzw. Gründung einer Luhmann-Scholastik bei gleichzeitiger Beibehaltung der kritischen Diszplin, wie sie durch bürokratische Vorschriften an den Universitäten festlegt ist. Oder: Änderung der Disziplin und beobachten, welche Theorie dann zustande kommen könnte.
Die gegenwärtige Wissenschaft ist den Zumutungen, die durch das Internet aufkommen, nicht gewachsen, weil ihre Diszplin nur solche Dinge erfahrbar machen kann, die sich für die Kritik als widerständig erweisen. Denn nur dann kann die Kritik als Widerstandsdisziplin funktionieren. Das Internet zeigt nun, dass etwas anders als Widerstandsfähigkeit erprobt werden müsste. Ich tippe dabei auf „Ergebenheit.“
Die nächste Diszplin einer nächsten Gesellschaft wäre daher eine Askesis der Paranoik, die sich dadurch auszeichnet, dass sie die Vermeidungsstrukturen der kritischen Diszplin als nicht mehr unvermeidlich einsieht und sich der Kommunikation unter den Voraussetzungen ihrer eigenen Voraussetzungen fromm und wütend aussetzt, im Sinne einer dionysischen Wildheit.
@Kusanowsky – zunächst einmal Kompliment für das neue Gesicht Deines BLOGS: wird das jetzt so bleiben?
Nun müsste ich passen, denn ich bin heute nicht so gut drauf, weil ich mich über die schreibenden Hausangestellten der vereinigten Großverleger geärgert habe: sogar das personifizierte Sturmgeschütz der wirklichen Demokratie, der von mir hoch verehrte Martin Walser – hat unterschreiben müssen.
Nun also mal vollkommen ungeschützt zur asketischen (übenden) Beteiligung an gesamtgesellschaftlicher Kommunikation: Jeder ist ja von einem nicht kleinen Bündel an Beteiligungsmotiven getrieben:
1) Man möchte dabei sein und mitmachen, sich nicht abgehängt fühlen;
2) Man hat über einen Text eine Riesenwut entwickelt und muss Dampf ablassen;
3) Man weis es wirklich besser, man MUSS also kritisieren (be)urteilen und mit dem Schmierfinken oder Troll abrechnen;
4) Man hat schon lange etwas auf dem Herzen, hatte bis dato aber nie richtig gewusst, wie sage ich es meinem Kinde;
5) Man weiss, dass es für das Gesagte Prügel geben wird, weil der Durchschnitt der zu erwartenden Leser einfach keine Zeit hat, die neuesten Gedanken aufzunehmen, und sich daher – der Einfachheit halber — mit altem überholten Gedankenschrott zur Wehr setzt;
Na und weil bei der ehrlichen und allumfassenden Vereinigung und „Versammlung“ von Menschen, Substanzen, Apparaten, Institutionen, Tieren, Pflanzen und Steinen auch zur abgerundetsten Behauptung IMMER noch etwas förderliches beizutragen ist, (auch wenn man beim Schreiben nie wissen kann, ob man selber gerade das Beste dazu beitragen wird), da tippt man einfach mal drauf los in der Erwartung, der Gott Hermes, Berater aller Beiträger, wird sich herablassen und einem angesichts eines leeren Blattes etwas vernunftgerechtes einfallen lassen.
In diesem Sinne Dein überaus wohlwollender Streit- und Diskussions-Kumpel Rudi K. Sander alias @rudolfanders
@rudolfanders
Das kritische Räsonnieren wird niemals verschwinden. Nur kann man inzwischen beobachten, dass es in Trivialität zerfällt. Eine vernünftige Meinung zu begründen geht heute schon mit 140 Zeichen bei Twitter. Und wenn man sich einmal Diskussionssimulationen bei Twitter durchliest, kann man auf die Vermutung kommen, dass da irgendwo tatsächlich kritische Subjekte herumwuseln, die noch immer ihre kritische Urteilsfähigkeit tranieren und dies mit einem Eifer als gäbe es mehr zu gewinnen als nur einen gerade noch passablen Zeitvertreib. Dass es sich übrigens immer noch um kritisches Engagement handelt, kann man häufig benutzten Formulierungen entnehmen, die augenscheinlich zunächst wie alberne Stümperei wirken. Es sind dies Formulierungen wie: „Ich lebe im Internet“ – „Im Internet gibt es wirkliche Menschen“ – „Es findet echte Kommunikatkon statt“; man unterscheidet zwischen einer digitalen Welt und einer Kohlenstoffwelt mit einer Selbstverständlichkeit als hätten die Nutzer zwei verschiedene Gehirne, die eine bestimmte Art von Realität ohne weiteres von einer ganz anderen empirisch voraussetzungslos unterscheiden könnten. Man könnte dies als Zeichen einer kritischen Besinnungslosigkeit deuten, wenn man etwa einen Menschen nicht mehr von einem Bild unterscheiden möchte, das einen Menschen zeigt. Vermutlich handelt es sich aber nicht Besinnungslosigkeit, sondern nur um zwar trivale, aber aus diesem Grunde unzerstörbare Kritik. Denn ich vermute, dass die Nutzer sich gerade durch Berücksichtigung ihrer kritischen Souveränität doppelt kontingent darüber informieren, dass kritische Unfähigkeit eben nicht der Fall ist und aus diesem Grunde keine weitere Unterscheidung berücksichitgen müssen, vergleichbar etwa mit der gewöhnlichen Redeweise von modernen Physikern, die kein kritisches Problem damit haben, wenn sie sagen: „Morgens geht die Sonne auf.“ Sie wissen voneinander, dass dies nicht der Fall ist, und eben darum brauchen sie unterscheidungsmäßig keine Unterscheidung zwischen Geozentrik und Heliozentrik: Man setzt bei sich selbst voraus, dass der andere diese Voraussetzung für sich selbst auch bei einem anderen voraussetzt. Die Kommunikation verzichtet auf eine Unterscheidung ohne sie zu eliminieren.
Dennoch aber wird Kritik kaum das bleiben können, was sie ehedam war. Vergleichbar etwa mit der kommunikativen Technik der Rhetorik, die spätestens infolge der Reformation als untauglich zurückgewiesen wurde. Die Disziplin hatte sich geändert. Seitdem ist Rhetorik ein triviales Allgemeingut geworden, das heute jeder Student erlernt, ohne sich Gedanken über rhetorische Methoden zu machen. Man guckt sie sich einfach ab und ahmt sie nach, so dass die Vortrags- und Redekunst nicht verloren gegangen ist. Sie ist strukturell sedimentiert und bleibt abrufbar. Sie ist trivial. Und diese Trivalität zeigt, dass es sich um eine unzerstörbare sozial-evolutionäre Errungenschaft handelt, die als unverzichtbares mediales Substrat dient.
Dass die Disziplin der Kritik trivial geworden ist, ist darum gar kein Grund traurig zu sein, sondern vielleicht sogar eher ein Zeichen für Fortschritt. Nur müsste sich eine Disziplin zeigen, die diese Diszplin um eine weitere Fähigkeit erweitert.
„Das kritische Räsonnieren wird niemals verschwinden. Nur kann man inzwischen beobachten, dass es in Trivialität zerfällt.“
Bezieht sich das auf ein Verhältnis von Medium und Form? Medium: lose gekoppelte Elemente, schwach, trivial; Form: strikte Koppelung?
http://www.uboeschenstein.ch/texte/luhmann_glossmediumform.html
@panos ja danke für den Hinweis. Das gehört in diesen Zusammenhang. Meine Gliederung in Rhetorik, Kritik und Paranoik folgt natürlich einer gewissen Naivität, die auf die Gliederung in gesellschaftliche Differenzierungen angepasst ist. Rhetorik – stratifizierende Differenzierung, Kritik – funktionale Differenzierung und mein Vorschlag „Paranoik“ würde sich entsprechend auf ein „schon etwas erkennbar, aber noch nicht ganz“ beziehen, ganz im Sinne des Zitats: „Die Unterscheidung legt noch nicht fest, welche Formen künftig gebildet werden.“
Interessant ist dann aber nicht, was ich unter einer Paranoik verstehen wollte, denn eine Diskusion darüber würde kritisch ablaufen, weil sie Präzisierung verlangt. Ich schlage stattdessen etwas vor und schaue paranoisch, was sich ergibt. Daher die Formulierung „Ergebenheit“ in einem doppelten Sinne: ich entziehe meinen Vorschlag der Kritik, in dem ich jeder Kritik einfach nachgebe, jeder Kritik einfach statt gebe, mich ergebe, und mich auf den unwahrscheinlichen Fall einlasse, dass sich trotzdem etwas Brauchbares ergibt.
Der ewige Apollogetiker und dauerbohrende Schmusekommentator Dieterbohrer meint:
„@Kusanowsky – zunächst einmal Kompliment für das neue Gesicht Deines BLOGS: wird das jetzt so bleiben?“ –
Dem kann ich leider nicht folgen. Platzverschwendung, Unhandlichkeit und schlechte zeitaufwändigere Bearbeitung verdirbt die Lust.
Zunächst scheint interessant die Meinung zu erfahren ohne gleich zu wissen (zu sehen) wessen das wohl ist, aber das ewige Gescrolle rauf und runter vom Kommentarbeginn zum Kommentator (zusätzliches Suchen) verschmiert nicht nur formal sondern auch inhaltlich den Gesamtfluß des Themas.
Kusanowsky, warum gönnst du den Kommentatoren nicht den Spaß, mit deinen Texten flott und interessiert umzugehen und verstelzt die Form so widersinnig?
Den Rahmen kannst du lassen, alles andere bitte wieder nutzbar organisieren.
Zwar erkenne ich den dieterbohrer schon am ersten Satz und brauch nicht nach unten zu scrollen, aber was ist bei den vielen anderen?
Das macht so keinen Spaß, da unzweckmäßig.
@Kusanowsky
Deine Antwort auf Lusrus Frage gibt sich interessant.
Sie scheint durchdacht und stimmig zu sein.
Scheint.
Wenn da nicht wieder der unbrauchbare Verweis auf Luhmannisch wäre, damit fällt das alles grotesk von der soeben gebauten Brücke, die wohl allerdings als Luhmannisch erklärt doch inzwischen schon arg morsch verstaubt und brüchig ist: Soziales ohne Sozius, ohne Sozio-Partner, ohne Mensch, ohne SUBJEKT, handelndes.
Daher nur diese eine Frage an Kusanowskys Lusru-Antwort:
Gilt das, was Kusanowsky dort entwickelt auch für all das, WAS ER da entwickelt?
Wenn ja, mußt du sehr Obacht geben:
Das meiste relativiert sich dann selbst von BlogSTABEN zu losen BuchSTABEN und nachher ist da doch noch ein Subjekt irgendwo “versteckt”?
Eventuell ein Kusa ….?
> Die gegenwärtige Wissenschaft ist den Zumutungen, die durch das Internet
> aufkommen, nicht gewachsen, weil ihre Diszplin nur solche Dinge erfahrbar
> machen kann, die sich für die Kritik als widerständig erweisen. Denn nur dann > kann die Kritik als Widerstandsdisziplin funktionieren. Das Internet zeigt nun,
> dass etwas anders als Widerstandsfähigkeit erprobt werden müsste. Ich tippe > dabei auf “Ergebenheit.”
Hm, Klaus. Das klingt alles sehr nach „fröhlicher Geisteswissenschaft“. Warum? Weil man mit „dionysischer Wildheit“ oder „Ergebenheit“ in technischen und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen wohl keinen Stich machen kann.
Aus Technikersicht daher folgende Frage:
Würdest Du einen Herzschrittmacher haben, in ein Flugzeug einsteigen oder einen Fahrstuhl benutzen wollen, die in „dionysischer Wildheit“ oder „Ergebenheit“ konstruiert wurden? Nun: in diesen Fällen lasse ich Dir gerne den Vortritt. Es wäre schön (solltest Du das überleben), wenn Du dann von Deinen (Nahtod-)Erfahrungen in diesem Blog noch berichten könntest. 😉
Mit Blick auf Informatik (aber in anderen technischen und naturwissen- schaftlichen Disziplinen wird es sich ähnlich verhalten) kann ich zudem – bislang – nicht erkennen, daß Internetkommunikation „un grand défi“ wäre, die wisssenschaftsintern auf der „Code- und Programmebene“ (also: bei Theorien, Methoden, Logiken, etc.) zu massiven Umbauarbeiten Anlaß geben würde. Das betrifft wohl eher gewisse Interaktionsweisen (bspw. Feedbackstrukturen), Demokratisierungstendenzen (z.B. mit Blick auf scientific journals), u.ä.
Freilich: Deine grundsätzliche Überlegung ist interessant, weil sie an Foucaults „Les mots et les choses“ mit Blick auf die printbasierten Veränderungen im Bereich der Episteme erinnert.
Gleichwohl: dionysische Wildheit, u.ä. würde zuviel „Beliebigkeit“ in die Wissenschaft einführen. Und das wäre wohl das Ende der Mathematik, der Technik-, der Natur- und wohl auch der Sozialwissenschaften.
Geisteswissenschaften können damit teilweise besser umgehen, weil sie selbst, z.B. im Bereich der Literaturkritik, mitunter einem wissenschaftlich-feuilletonisch-essayistischen Hybridstil folgen, der intellektuell stimulierend, aber manchmal auch einfach nur „geschwätzig-hohl“ sein kann.
Solch ein Stil wird freilich im Technik-Bereich (zumindest nach meinen Erfahrungen in der Informatik) in „keinster“ Weise toleriert.
Gruß
~Peter
PS –
Maschinen (Roboter, Computer, etc.) sind gleichfalls sehr eloquenzintolerant und antidionysisch orientiert – es sei denn: sie fliegen einem in dionysischer Wildheit um die Ohren 🙂
Dieser Einwand bestätigt sich selbst dadurch, dass er kritisch ist und nur Kritik üben will. Dagegen habe ich nichts zu sagen, jedenfalls nichts kritisches. Eine Paranoik kann in dieser Wissenschaft nicht eingeführt werden, weil sie nur durch eine kritische Disziplin zustande kommen kann und im Laufe Entwicklung Problemlagen hervorgerufen hat, die es notwendig, ja überlebensnotwendig machen, dass die kritische Disziplin weiter geht. Es reicht als Beispiel schon die Atommeilerruinen anzuführen. Mit Hilfe der kritischen Diszplin konnte Radioaktivität freigesetzt werden, aber nach Maßgabe der selben Diszplin kann man sie nicht wieder beseitigen. Die kritische Disziplin bleibt aus diesem Grunde unverzichtbar. Sie hat sich auf diese Weise verewigt. Allein die von dir angeführt Beispiele zeigen deutlich, was Technik notwendig nach sich zieht: Disziplin. Und gewiss, wer Technik benutzt kann auf Disziplin nicht verzichten. Aber was wäre, eine Diszplin könnte auf Menschen, wenn nicht ganz verzichten, so doch auf Menschenempfindlichkeit sehr viel elastischer reagieren als dies die kritische Disziplin vermag?
Aber wir schauen noch mal etwas genauer hin: Die kritische Disziplin ist ein in zivilisatorischer Hinsicht seltenes Einteilungsverfahren, durch welches auch Individuen abgerichtet werden, indem sie die Menschenumwelt mit Macht überzieht und durch diese Macht sowohl Zwang auf sie ausübt, aber auch Freiheit hervorbringt. Foucault dazu:
Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen, Sexualität und Wahrheit, Erster Band, Frankfurt/Main 1999 (1976), S. 170.
Der Machtbegriff bei Focualt ist sehr viel differenzierter als bei Luhmann. Das nur nebenbei. Jedenfalls kommt Macht dämonisch zustande, sie bricht hervor, kommt auf, überzieht die Systeme mit Einteilungsverfahren, die gewiss Ordnung stiften, und darüber hinaus die Probiersteine anliefern, durch die alle Ordnungen ihre Stabilität testen. Und wenn die Ordnung nicht mehr hält, verschwindet die Macht nicht, sondern findet andere Möglichkeiten, mit der sie auf die Menschenumwelt einwirken kann. Aber dies geschieht nicht unbedingt, sondern immer nur nach Maßgabe der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angefallenen Komplexität.
Durch die kritische Disziplin gelang es, dass Systeme eine Störanfälligkeit durch Regelung von Störung einrichten konnten. Das hatte abgesehen von den Schäden an Mensch und Natur, enorme Fortschritte gebracht. Worüber ich nachdenke ist, dass sich durch das Internet rhizomatische Strukturen herausbilden, die es leisten könnten, dass die kritische Disziplin, wenn nicht ganz und gar vollständig, aber vielleicht doch bis zu einem gewissen Grad von Maschinen eingehalten werden kann. Und wenn dies immer einfacher gelingt, dann wird es andersherum immer schwerer, Menschen noch auf diese Disziplin zu verpflichten. Und warum sollten die sich nicht eine andere suchen? Warum sollten nicht auch Naturwissenschaftler lernen können, nach Herzenslust herumzuflippen wie die Bekloppten und trotzdem Softwareprogramme zu bedienen? Und wenn man einwenden möchte, dass sie doch geschieht, dann würde ich nur ergänzen, dass das Rumhampeln in einer Disco noch nicht das ist, worum es bei einer Paranoik geht.
Eine Paranoik wäre eine Disziplin, die auf das Beobachtetwerden reagiert.
> Allein die von dir angeführt Beispiele zeigen deutlich, was Technik notwendig
> nach sich zieht: Disziplin.
Ja, weil Technik idR „deterministisch“ ansetzt. Es gibt zwar Spielräume für Non-Determinismus (z.B. in der theoretischen Informatik), der aber letztlich wohl immer „eingehegt“ werden soll. Und diese Determinismus-Orientierung garantiert m.E. mehr oder minder erfolgreiche „Interventionen“ gerade in die Umwelt von Bewußtsein / Kommunikation, wobei dann mit Blick auf technische Kumulationseffekte auch massive Schädigungen auftreten können (Stichwort: Ökologieproblematik).
„Warum sollten nicht auch Naturwissenschaftler lernen können, nach Herzenslust herumzuflippen wie die Bekloppten und trotzdem Softwareprogramme zu bedienen?“
Man kann auch in mathematisch-technischen und naturwissenschaftlichen Fächern kreativen „Wahnsinn“ ausleben, aber letztlich wird das immer wieder eingehegt, sobald Texte in die Wissenschaftskommunikation eingespielt, technische Produkte entwickelt oder Experimente durchgeführt werden sollen.
Eine hohe Ode an die Linux-Programmierung in wirrer Gedichtsform ist vielleicht amüsant. Aber wenn Du damit Skripts schreiben willst, um Dein Linuxbetriebssystem dieses oder jenes tun zu lassen, dann ist es mit der poetischen Freiheit rasch vorbei. Natürlich geht es hierbei um „avancierte technische Prosatexte“, die ihrerseits textuelle „Freiheitsgrade“ gewähren (Programmieren ist also immer noch eine Variante des Textens). Aber es liegen bei der Modellierung und Programmierung Constraints vor, die einfach rigoroser sind als beim freien Schreiben von sonstigen Texten.
„eine Diszplin könnte auf Menschen, wenn nicht ganz verzichten, so doch auf Menschenempfindlichkeit sehr viel elastischer reagieren als dies die kritische Disziplin vermag?“
Ich denke, die Individualisierungsschübe in der (Früh-)Moderne haben schon erhebliche Spielräume für individuelle Abweichungen geschaffen. Aber „Auto-Trivialisierungen“, wie ich die „ethischen Selbst-Disziplinierungen“ à la Michel Foucault gerne nennen würden, sind m.E. immer noch wichtig. In doppelt-kontingenten Situation würde einem sonst beim Kontakt mit anderen „Angst und Bange“ werden aufgrund der unberechenbaren Verhaltensmöglichkeiten (beißt mich x, küßt mich x, sticht mich x ab, besteigt mich x, raubt mich x aus, etc.?). Mutatis mutandis gilt das selbst in der Internet-Kommunikation.
„Der Machtbegriff bei Focualt ist sehr viel differenzierter als bei Luhmann.“
Im Rahmen meines damaligen Promotionsprojekts bin ich zum einem ganz anderen Ergebnis kommen. Foucault hat wild Machtaspekte, Biopolitik und v.a. „Beeinflussung“ gemischt. Folge: ein völlig „konfuser Brei“.
Ich schätze freilich Foucault, weil er nicht nur abstrakt theoretisiert hat, sondern sich tief in die Archivarbeit vergraben hat. Aber seine Macht-Konzeption sehe ich als „gescheitert“ an (dito bei Kittler, der an Foucault angeschlossen hat).
Man kommt m.E. weiter, wenn schärfer zwischen „Macht und Einfluß“ (und dann auch Politik, wobei ich vor Jahren für ein „basales“ Verständnis des Politischen – über Luhmann hinaus – plädiert habe) differenziert wird. Ein konzeptueller Machtbrei führt dagegen — tja, wohin? Zum Dionysischen“ ? 🙂
„Worüber ich nachdenke ist, dass sich durch das Internet rhizomatische Strukturen herausbilden, die es leisten könnten, dass die kritische Disziplin, wenn nicht ganz und gar vollständig, aber vielleicht doch bis zu einem gewissen Grad von Maschinen eingehalten werden kann. Und wenn dies immer einfacher gelingt, dann wird es andersherum immer schwerer, Menschen noch auf diese Disziplin zu verpflichten.“
Das mag für die user gelten. Aber ich bezweifle, daß das auch für die Entwickler / Produzenten / Programmierer (-Innen inklusive) dieser Maschinen gelten kann.
User können sich dabei alles Mögliche an Freiheit im Internet „vorstellen“ (Anonymität, Identitätsswitching, usf.). Dumm nur, wenn die Technik im Hintergrund gerade Standardisierungen, Disziplinierungen, Profilierungen (bspw. via tracking profiles), etc. herbeiführt – quasi im Rücken der user. Das wäre dann kein Machtaspekt, sondern eher eine mehr oder minder subtile Art der „Beeinflussung“ (weil Kontingenz invisibilisierend).
Analoga:
* Die Apparatus-Theorie in der Tradition der Ideologie- und Latenzkritik hat untersucht, daß die Zentralperspektive als Notwendigkeit in Kameras implementiert wurde – was aber einfach als kontingente Setzung anzusehen sei.
* Kittlers Analyse des „Protected Mode“ in PCs, siehe: http://www.unbestimmtes.de/protected_mode/index.html
Ich sehe dann Hacker / Cracker als die Latenz- und Ideologiekritiker(innen) des digitalen Zeitalters an, weil sie „anscheinend technisch Notwendiges“ (auch als Gebrauchsweisen) in technisch Kontingentes überführen können.
~Peter
Ich habe den Eindruck, dass dich meine Argumente nicht so recht überzeugen können, stimmt’s? Das könnte daran liegen, dass du sie einfach als kritische Argumente behandelst und sie gemäß der kritischen Diszplin souverän retour schickst. „Danke, zur Kenntnis genommen, aber abgelehnt.“ Das geht, weil ein Kritiker immer schon von etwas überzeugt ist, weshalb es durch Kritik schwer wird, irgendetwas zu formulieren, das noch überzeugen könnte, wenn man jemanden überzeugen will, da die Regeln der kritischen Disziplin sich durch ihren autopoietischen Vollzug gegen jede weitere, bzw. ganz andere Beobachtungsmöglichkeit immunisieren. Kritik erwartet immer nur weitere Kritik und kann alles was geschieht nur nach einem Dispositiv behandeln, das zur Fortsetzung der Kritik geeignet ist. Das zeigt, dass die kritische Diszplin, auch wo sie von Systemtheoretikern betrieben wird, ihre eigene Kontingenz nicht-kontingent behandelt und damit dem Beobachtetwerden durch andere und anderes einfach ausweicht. Daher auch die Ablehnung, Geringschätzung, Diskrimierung paranoischer Beobachtungen oder einfach nur: Vermeidung, durch Fortsetzung der Kritik.
Ich formuliere hier keine Argumente, mit denen ich irgendjemanden überzeugen könnte oder wollte, was auch daran liegt, dass die Internetkommunikation jede Garantie dafür vernichtet, dass ich von all dem, was man mir als Autor zurechnen könnte, selbst überzeugt wäre. Das hindert dich freilich nicht daran, dein Nicht-Überzeugtsein differenziert zu dokumentieren, was allerdings deshalb reichlich überflüssig ist, weil dein Nicht-Überzeugtsein erstens nicht sichergestellt und zweitens auch gar nicht mehr relevant ist. Dein Fleiß ist zwar beeindruckend, aber man niemand weiß so genau, wen das beeindrucken kann, sollt es nicht allein um Selbstbeindruckung gehen.
Es soll allein die Möglichkeiten erörtert werden, die sich aus einem Beobachtungsverhalten ergeben, das der kritischen Beobachtung nicht zugänglich sind. Dass das Systemtheoretiker nicht bemerken können oder wollen liegt daran, dass sie durch ihre eigene Selbstbeschreibung nur die kritische Subjektivität ablehnen, aber nicht die Disziplin, die es verlangt, diese Ablehnung zu vollziehen. So werden die Systemteoretiker von mir weiterhin als kritische Subjekte beobachtet, aber sie können dieser Beobachtung durch Kritik aus dem Weg gehen, indem x-te Variante einer systemtheoretischen Selbstbeschreibung als doppelt-kontingent unterstelltes Beobachtungschema beobachtet wird. Dagegen kann man nichts machen. Man muss aber auch nicht.
„Ich habe den Eindruck, dass dich meine Argumente nicht so recht überzeugen können, stimmt’s? Das könnte daran liegen, dass du sie einfach als kritische Argumente behandelst und sie gemäß der kritischen Diszplin souverän retour schickst.“
Ja, das stimmt, wobei für mich weniger die Erfahrung mit Dekonstruktion oder der soziologischen Systemtheorie (aus dem Erststudium) als vielmehr die Erfahrungen mit der Informatik (aus dem Zweitstudium) „stilprägend“ waren – wenn es denn um „kritische“ Argumentationsmodi geht. Denn in der Informatik werden nicht-formale Texte idR als Eloquenzprodukte angesehen, quasi: eine Fortsetzung des Feuilletons mit wiss. Mitteln, was dann überzeugen mag oder auch nicht.
Die eigentliche Strenge kommt dann aber zum Zuge via mathematisch-formale Herleitungen und Implementierungsnachweise, Und wenn es um die beiden letzt genannten Aspekte geht, dann ist Trollkommunikation oder Paranoik oder Dionysisches im Rahmen des Internets wohl nur irrelevantes Rauschen.
Meine Vermutung ist daher, daß Du Dich mehr an Wissenschaften wendest, die implizit oder explizit einem geistes- und sozialwissenschaftlichen „Eloquenzideal“ folgen. Das ist bei der technischen (und wohl auch naturwissenschaftlichen) Disziplinen weniger der Fall. Hier wird die (kritische) Eloquenz nicht-formalen Redens und Textens wohl eher skeptisch beurteilt und kritisch beargwöhnt.
Deine Überlegungen sind interessant für Geistes- und Sozialwissenschaften, aber wohl weniger fruchtbar für harder sciences, die einfach etwas anders ticken. Ich bezweifle daher, daß Deine Argumente für „die“ Wissenschaft gelten können.
> Es soll allein die Möglichkeiten erörtert werden, die sich aus einem
> Beobachtungsverhalten ergeben, das der kritischen Beobachtung nicht
> zugänglich sind. Dass das Systemtheoretiker nicht bemerken können oder
> wollen liegt daran, dass sie durch ihre eigene Selbstbeschreibung nur die
> kritische Subjektivität ablehnen, aber nicht die Disziplin, die es verlangt, diese > Ablehnung zu vollziehen.
Ich glaube nicht, daß das ein „Systemtheoretiker“-Problem ist, sondern generell ein Problem entsprechend sozialisierter Wissenschaftler(innen): Du stellst Behauptungen auf, die dann kritisch geprüft werden können. Und Du mußt stets damit rechnen, daß dieser mehr oder minder informelle Kritik-Modus greift.
„Eine Paranoik wäre eine Disziplin, die auf das Beobachtetwerden reagiert.“
Ich kann diese These gut akzeptieren.
* Die Frage ist dann: Welche Formbildungen lassen sich diesbzgl. in der Internetkommunikation beobachten? Das ist ja ein interessanter Fokus Deines Blogs.
* Eine ganz andere Frage ist freilich die „Relevanz“ für die Wissenschaft: Gerade für technische Disziplinen wie die Informatik kann ich hier bislang keine Fruchtbarkeit feststellen, gerade weil ein eloquenzorientierter Kritik-Modus tendenziell sekundär ist [s.o.].
Was bleibt dann in diesen Kontexten von Trollkommunikation, Paranoik, Dionysischem – außer dionysisches Rauschen?
Das muß Dich in Deiner Blogaktivität nicht stören. Aber es könnte Dich auf die „Grenzen“ der Relevanz Deines thematischen Fokus hinweisen.
~Peter
Ich stelle hiermit unmissverständlich fest, dass Betrachtungen und Experimente zur Entwicklung einer Disziplin der Paranoik weder für Geistes- und noch für Naturwissenschaften relevant sind, weil diese Wissenschaften notwendig eine ontisch fungible Transzendentalität herstellen und diese durch autopietische Referenzierung empirisch machen, gilt auch für Systemtheorie, sofern sie auf diese Disziplin nicht verzichten kann oder will, Beweis: theoretische Reflexion über die Untauglichkeit transzendentaler Subjektivität ohne Verzicht auf die durch autopoietische Rekursivität erzeugten Wahrheiten, die gemäß des Empirie-Programms kritisch als kontingent beurteilt werden. Denn Kontingenzerfahrung bedeutet ja nicht auch Irrelevanzerfahrung.
Dieses Weblog darf von Wissenschaftlern nicht gelesen oder kommentiert werden; außerdem muss von diesem Adressatenkreis alles hier Geschriebene als unbedingt irrelevant zurück gewiesen werden. Wer dies ignoriert, könnte jetzt gespenstisches Gelächter hören, welches aber empirisch zu machen nur einer paranoischen Betrachtungsweise gelingt. Aber darüber kann man sehr viel Überzeugendes nicht formulieren. Grund: irreflexive Blockadeerwartungen durch Fortsetzung der Kritik.
(beiseite: Internetkommunikation zerstört jede Fungibilität transzendentaler Subjektivität. Führt dazu, dass jede ansprechbare Adresse nur als Phantom einer Paranoik erscheint, als: Troll.)
„Das geht, weil ein Kritiker immer schon von etwas überzeugt ist, weshalb es durch Kritik schwer wird, irgendetwas zu formulieren, das noch überzeugen könnte, wenn man jemanden überzeugen will, da die Regeln der kritischen Disziplin sich durch ihren autopoietischen Vollzug gegen jede weitere, bzw. ganz andere Beobachtungsmöglichkeit immunisieren.“
Meinte Dirk Baecker nicht, daß gute Soziologie „listig“ sein sollte? Ein Nachteil des kritischen Modus ist m.E., daß man extrem viel Zeit damit vergeuden kann, sich wechselseitig zu kritisieren.
Es ist aber auch möglich, diesen Modus – teilweise – zu unterlaufen, indem „aufgezeigt“ wird, was möglich sein könnte. Quasi: eine „inszenatorische Schreibe“ (zur Wissensgenerierung). Und gerade das kann der wissenschaftlichen Anschlußfähigkeit zugute kommen.
Für die Autopoiesis der Wissenschaft ist es unverzichtbar, dass sie immer wieder neue „turns“ vollzieht, neue Moden, Trends, Theorie-Designs oder Text-Produkte generiert, damit das System seiner einsehbaren Aussichtslosigkeit aus dem Weg gehen kann. Denn es werden ja nicht nur diese „turns“ vollzogen, da ein jeder turn nicht nur die Unvollständigkeit seiner Vorgängermode kritisiert, sondern auch die Kritik dieser Kritik, durch die diese turns einerseits an Attraktivität gewinnen, weil der Streit darüber immer wieder die Hoffnung aufkommen lässt, es könnte irgendetwas klar werden, andererseits aber, wenn die Klarheitseinsicht ergibt, dass die Dinge unklar bleiben, wird mit dem Niedergang eines turns zugleich ein nächster aufgezogen. Wichtig ist, dass die Pumpe dieser Autopoiesis auch auf einigermaßen stabile Staatsfinanzen in der Umwelt angewiesen ist, damit dieser Zirkus nicht einschläft.
Interessant ist daran, dass die wissenschaftlichen Selbstbeschreibungen über Methoden dabei gar nicht das Transparenzgebot der Wissenschaft zu erfüllen brauchen. Denn Kritik ist ohne Konkurrenz nicht möglich; und Konkurrenz ist nötig, weil die knappen Ressourcen für eine Masse an Intelligenz nicht ausreichen. Also müssen Ausscheidungs- und Ausstechungswettkämpfe passieren, deren Regeln auf der Schauseite der Wissenschaft, also auf der Seite ihrer Selbstbeschreibungen, nicht präsent sind und nur auf der Rückseite unter Bedingungen sichergestellter Intransparenz ausgefochten werden. Das hat zur Folge, dass sich zwar Regeln ausbilden, nach denen der Konkurrenzkampf funktioniert, aber diese Regeln sind wissenschaftlich nicht beschreibbar. Denn wer öffentlich aufdecken wollte, wer wem zuletzt in die Fresse getreten hat, wird schnell feststellen, dass dafür gar keine Beweise vorliegen, weshalb diese Aufdeckung nicht gelingen kann. Wohingegen auf der Schauseite der Wissenschaft inzwischen schon gewusst wird, dass es auf Beweise für wissenschaftliche Tatsachen gar nicht ankommt.
Und wenn jetzt auf eben dieser Schauseite auch Listigkeit als Regelangebot aufkommt, dann könnte man zunächst glauben, dass auf der Rückseite der Intransparenz dieser intriganten Ausstechungswettkämpfe darauf mit Ironie reagiert werden könnte, indem die Gewinner auf die „Listigkeit“ ihres Lugs und Trugs verweisen. Aber diese Hoffnung ist so vergeblich wie alles andere auch. Denn mit dem Versuch Listigkeit einzuführen, ein Angebot, magische Operationen in Rationalitätsansprüche der Wissenschaft einzuschmuggeln, wird wieder nur die Schauseite irritiert und damit der internen Umwelt der Wissenschaft allenfalls ein neues Werbeprospekt zugestellt, das wiederum auf die Attraktivität der Wissenschaft hinweist. Aber die Lug- und Trugspiele um Mittel, Reputation und Steigerung der eigenen Optik sind nicht einmal listig und können darum auch nicht durch Beanspruchung von Listigkeit legitimiert werden. Die Magie der Wissenschaft vollzieht sich als Operationen in der Wissenschaft außerhalb der Reichweite ihrer Operationen.
Aber wie auch immer: früher war gute Soziologie rational, jetzt ist sie listig. Na gut. Mal sehen wie viele turns die Soziologie vollziehen muss, bis sie feststellt, dass gute Soziologie paranoisch ist.
Hier soll im Blick auf die Antipsychiatrie in aller Kürze die bei Guattari und Deleuze gefasste deutliche Unterscheidung von Paranoia und Schizophrenie vorgestellt und paraphrasiert werden, weil sie auch die heute gängige Diagnostik der „paranoiden Schizophrenie“ fundamental in Frage stellt.
Denn im Anti-Ödipus besetzt der Paranoiker einen höheren „zentralen“ Ort der kapitalistischen Herrschaft, er baut sich (mentale) Repräsentationsräume für seine theatralischen Inszenierungen und meint einer „höheren“ Klasse und Rasse anzugehören. Er führt Klassen- und Rassentrennung ein, er despezifiziert[66] den Körper der Gesellschaft, den „Sozius“, und beginnt Massen und Meuten maschinell zu besetzen und bis hin zur Menschenvernichtung zu steuern. Sein Herrschaftswahn will die flächendeckende „Integration durch Segregation“ aller Peripherien nach rassistischen und dogmatischen Kriterien. Wie bei den Nationalsozialisten soll der Lebensraum des bzw. seines (deutschen) Volkes, das Territorium, sukzessive erweitert werden. Der paranoid gewordene faschistische Staat (aber auch ein paranoisches Individuum) besetzt die Ländereien, territorialisiert, setzt sich in den entlegensten Orten totalitär fest, beutet aus und terrorisiert die Anderen, die Randständigen, die Ausgeschlossenen, die Minoritäten, die an diesem Terror Leidenden, denen krankhaft die (vermeintlich) verdoppelte Stärke seiner Stärke bis hin zur totalen Vernichtung aufgezwungen wird. Der Vergleich mit der Tötungsmaschinerie des Holocaust liegt hier nicht nur nahe.
„Elias Canetti hat sehr gut gezeigt, wie der Paranoiker Massen und >>Meuten<< organisiert, wie er sie kombiniert, sie in Gegensatz stellt, sie steuert. Der Paranoiker macht Massen zu Maschinen, er ist der Künstler großer molarer Einheiten, statistischer Formationen, herdenhafter Gebilde, organisierter Massenphänomene.“[68]
Demgegenüber solidarisiert sich der Schizophrene mit den Verworfenen, den verfolgten „Rassen“ und Klassen. Er ist ein verfolgter jüdischer Mitbürger, ein versklavter Schwarzer („un nègre“), ein chinesischer Wanderarbeiter, ein gekündigter Proletarier oder eine vergewaltigte Frau. Er hat eine schwarze, eine gelbe, eine rote Haut, er ist ein Tier, eine Ratte, ein Hamster (im Rad), gleichsam ein Schnabeltier oder ein vierbeiniger Vogel.[69] Und ein von den Eltern geprügeltes Kind. Und manchmal heult er vor Schmerzen wie ein geschlagener Hund. Er flieht als Exilierter den mit Blut durchtränkten (deutschen) Boden, so wie die Revolutionäre – man denke nur an Marx oder Heinrich Heine – oft genug ihr eigenes Land fliehen mussten, weil für die Staatsparanoiker die Gefahr bestand, dass ihre demokratischen und sozialen Impulse die Massen gegen die Herrschenden aufbringen könnten.
Er ist auf der Flucht, ein Nomade auf Wanderung und beständig in der Diaspora. Er flieht wie Trotzki vor der stählernen Übermacht der Bürokratie Stalins und geht daher von der Peripherie her auf das Zentrum los.[70] Vom Blickwinkel und der Beobachterperspektive her hat er die größere Chance zu sehen, was in den Zentren der Bourgeoisie eigentlich passiert. Der Schizophrene verlässt den für ihn vorgesehenen Platz in der Fabriksmaschine des Kapitalismus und flieht aus den vorgefertigten Positionen, Stellungen und Standpunkten. Deshalb verliert er seine „Identität“. Deshalb löst sich – auch in der psychiatrischen Beobachtung – sein „Ich“ auf. Der Schizophrene betreibt mithin eine revolutionäre „molekulare Mikrophysik“ des lebenden und belebenden Produktionsprozesses im Blick auf eine bessere Zukunft des sozialen Zusammenlebens.
„Doch der (schizophrene, A.B.) Revolutionär weiß, daß die Flucht revolutionär ist, withdrawals, freaks, sofern man nur die Decke mit sich reißt oder ein Stück des Systems fliehen läßt. Durch die Mauer brechen, und sei es, daß man sich zum Neger macht nach Art von John Brown. George Jackson: Es mag sein, dass ich fliehe, aber während meiner ganzen Flucht suche ich eine Waffe!“[71]
http://homepage.univie.ac.at/alessandro.barberi/Wahnsinn.html
Ich vermute, dass die Ausgrenzung des Paranoikers durch den Kritiker durch einen Verdacht auf epistemologische Konkurrenz zustande kommt. Während der Kritiker seine Überzeugungskraft durch die Paradoxie erhärtet, dass er auch von etwas anderem überzeugt werden kann, wofür ihm aber die Beweise fehlen, da der Kritiker die Stelle, von welcher aus er die Überzeugungskraft seiner Beweise präsentiert, schon besetzt hat, hat der Paranoiker darauf schon reagiert und verzichtet im voraus auf irgendwelche Beweise, weil er schon weiß, dass sie ohnehin nichts fruchten. Entsprechend bleibt nur der parasitäre Konflikt, der von beiden Parteien nach Maßgabe der Möglichkeiten ausgefochten wird, die sich sich gegenseitig überhändigen: der Paranoiker kann auch vernünftig sein, der Kritiker auch wahnsinnig. So zeigt sich ein Vexierspiel, das keine eindeutige Parteilichkeit zulässt. Dass aber der Krtiker regelmäßig dennoch die Oberhand gewinnt, hängt damit zusammen, dass er seinen eigenen Wahsinn gemäß seines eigenen Beobachtungsschemas erklären kann. Der Kritiker kann sein Trauma besser bewältigen; und der Paranoiker verliert so lange immer, wie er aus diesen traumatischen Zusammenhängen nicht klug werden kann.
Dass sich – wie in dem Textbeispiel – der Kritiker gern mit dem Schizophrenen solidarisieren möchte, hängt vielleicht mit einem Mitleidsaffekt zusammen. Der Paranoiker erscheint dem Kritiker als unverbesserlich, der Schizophrene aber als hilfsbedürftig, weil hier keine epistemologische Konkurrenz aufkommt. Vielleicht auch, weil sich der Kritiker im Schizophrenen wiederentdeckt, um dadurch die Einsicht in seine eigene Hilflosigkeit zu vermeiden.
Nein, der Paranoide wird von Deleuze/Guattari mit den z.T. selben Attributen versehen, die du zur Stigmatisierung des Kritikers verwendest. Der Kritiker IST paranoid (im Anti-Ödipus). Während für den Schizo gilt, dass er der von Dir idealisierten Figur des Assoziologen entspricht:
„In den an Schopenhauers Willensmetaphysik erinnernden Formulierungenwird der ‘Schizo’ zu demjenigen erkoren, der überall Verknüpfungen,Zusammenhänge und Anschlüsse sieht und neue legt. „Der Schizophrene istder universelle Produzent.“ (AÖ 13) Aber im Gegensatz zu Schopenhauer,der den Willen in der Nachfolge Kants an die Stelle des ‘Dinges an sich’setzt und so eine Rückkehr in die Transzendenz – die Welt ist nur Welt,insoweit sie meine vorgestellte ist – vollzieht, verzichten Deleuze undGuattari auch auf die Urheberschaft der Verkettungen. „
zuvor hatte ich geschrieben:
Aber das ist nicht wichtig. Eine andere Frage ist, wodurch die Überlegung zustande kommt, dass eine Askesis der Paranoik eine mögliche Begriffsbildungsdisziplin ausbilden könnte, die auf die Rhizomatik des Internets (i.e. Selbstorganisation ohne System) angepasst ist. Wie jede Askesis würde tatsächlich auch eine Paranoik mit einem Verzicht, mit einer Enthaltung beginnen, die so formuliert werden könnte: der Paranoiker kann nicht kommunizieren, dass er diese Unfähigkeit nicht kommunizieren kann. Womit ein Ausgangspunkt gefunden wäre, um durch eine Selbstsanktionierung eine Erweiterung der Erkenntnisfähigkeit zu trainieren.
Das kritische Subjekt konnte seine Erkenntnisfähigkeit dadurch erweitern, dass es sich einen fortwährenden Selbstzweifel auferlegte, erst nach Beendigung eines gründlichen Denkprozesses seine Ergebnisse der Öffentlichkeit vorstellte und sich der Kritik stellte. Auf diesem Wege war der Lernprozess konzipiert als ein nicht-kommunikativer, also als ein sozial unzugänglicher Prozess. Bemerkenswert ist nun, dass die Soziologie anhand dieser Subjekt-Objekt-Differenz zur Beurteilung einer sozialen Realität gelangte, ohne dabei erstens den Unterschied zwischen privatem Forschen und öffentlichen Lehren zu verzichten und zweitens alle notwendig daraus entstehenden Komplikationen auf dem selben Wege bewältigte. Kein Wunder also, dass man auf Luhmann überrascht reagieren musste; kein Wunder auch, dass Luhmann-Scholastiker trotzdem einen Genie-Kult zelebrieren können, weil mit Luhmann die Ontologie dieses Verfahrens nur anders beschrieben, aber nicht beendet wurde.
Das kritische Subjekt hätte also angeblich privat, sozial unzugänglich studiert, aber öffentlich seine Erkenntnisse präsentiert. Logisch, dass das zu einem Genie-Kult führen musste, weil immer nur das Ergebnis auf eine damit zu verbindende Person zugerechnet wurde: Wo hat er das alles nur her? Berechtigte Frage. Man durfte dies gar nicht wissen, sonst hätte die Disziplin gar nicht funktioniert. Bekanntes Beispiel ist Charles Darwin, der 30 Jahre über seine Theorie nachgedacht hat, bevor er sich traute, sie zu veröffentlichen.
Eine Paranoik könnte dieses Verhältnis nun umkehren, indem alles Material, alle Argumente, Thesen, Theorien, Statistiken, Methoden, Begriffe, assoziativ per Internet verbreitet und durch Verbreitung ständig durcheinander gebracht werden, im Sinne einer methodischen Diabolik; aber alle Erkenntniskonsequenzen privat, also sozial unzugänglich bleiben. Wichtig ist, dass auch dieses Verhältnis von sozialem Studieren und privater Erkenntnis auf der Seite der Öffentlichkeit behandelt wird, woraus sich nun ergibt, dass immer eine andere Seite im Spiel ist, über die man nichts weiß, weil sie sozial unzugänglich ist. Aber diese Unzugänglichkeit ist sozial irritabel. Sie ist empirisch, aber unsichtbar. Damit wäre immer eine Instanz eingebaut, von der sich jeder beobachtet weiß und entsprechend darauf reagiert ohne wissen zu können, ja ohne wissen zu müssen, wer oder was einen da beobachtet. Es reicht völlig, dass es sich so verhält. Man wird beobachtet. Da ist noch was im Spiel, das Irritationen auslösen kann, das man aber im klassischen Sinne nicht mehr erforschen, entdecken, aufdecken kann.
Zum Begriff des Rhizoms, siehe auch Peter Fuchs:
„Diese Überlegung ist sehr fundamental. Sie besagt, dass die Theorie der Kommunikation eine Zeit ansetzt, die die Theorie selbst zwingt, auszuschliessen, dass die Ereignisse, die sie modelliert (Kommunikationen) beobachtbar seien. Sie formuliert in terms der Elementarität Nicht-Elemente, und schon das führt notgedrungen in eine Abkehr von jeglicher Ontologie der Elemente. Wie für die Derridasche différance oder für das Rhizom von Deleuze und Guattari gilt, dass sich im Blick auf solche Elemente oder Prozesse nicht mehr sagen lässt, ob sie sind oder nicht sind.“
"Eine Paranoik wäre eine Disziplin, die auf das Beobachtetwerden reagiert" –
Das sehe ich völlig anders:
"Eine Paranoik wäre eine Disziplin, die nicht (mehr) auf das Beobachtetwerden reagiert, noch weniger auf das Beobachtete".
Das ist die alternative Formulierung, die man eigentlich eine Komplementative nennen müsste. Denn wann immer etwas im Unterschied zu etwas anderem bezeichnet werden kann, wird die andere Seite nur für den Moment ausgeblendet und kann jederzeit, im Anschluss gewählt werden. Eigentlich geht es aber nicht um dieses Unterscheiden und Bezeichnen, sondern darum, dass eine solche Beobachtungstheorie einen performativen Zug hat. Sie weist auf die Unmöglichkeit hin, etwas außerhalb einer Zwei-Seiten-Form zu bemerken, da alles, was beobachtet wird, nur auf einer Seite anschlussfähig ist: die Bezeichnung dieser Zwei-Seiten-Form geschieht einseitig. Performativ, also unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts könnten man dann auch sagen, dass immer zwei Seiten im Spiel sind, aber nur eine Seite ist erkennbar. Eine andere ist auch irgendwie im Spiel, aber wird durch Beobachtung einerseits hergestellt und andererseits entzogen. Der Hinweis auf die Unmöglichkeit ist damit zugleich ein Hinweis auf den Gegenteil.
Dies Spiel des Herstellens und Entziehens ist das Spiel eines proteischen Selbsts, von dem sich jeder Beobachter jederzeit als beobachtet beobachten kann und sich mit der selben Operation diesem Beobachter entzieht. Da dieses an jeder Stelle geschieht, ereignet sich dadurch dieses proteische Selbst, welches selbst schon dieses Spiel erzeugt hat.
Man könnte diesen Sachverhalt auch mit einem recht einfachen Argument erklären: die Internetkommunikation macht es nicht mehr möglich, dass man auch nur annähernd treffsicher verstehen könnte, worum es eigentlich geht. Empirischer Hiweis: man kann dies ganz besonders an der Ironie bemerken, wenn man sich denn zutrauen wollte, dass man Ironie noch bemerken kann.
„Dies Spiel des Herstellens und Entziehens ist das Spiel eines proteischen Selbsts, von dem sich jeder Beobachter jederzeit als beobachtet beobachten kann und sich mit der selben Operation diesem Beobachter entzieht.“
Dass diese Unausweichlichkeit der Selbst-Beobachtung (einer Beobachtung, die letztlich nur beobachten kann, dass sie von sich selbst, als Fremd-Beobachtung bestalkt und verfolgt wird) im cartesianischen ego cogito angelegt hat, ist Beckett mit seinem Film „Film“ zu demonstrieren gelungen.
Wenn ich mir einer Sache gewißt sein kann, das ist Becketts ernüchternde Wendung des bei Descartes glückvollen Selbstversicherungsfundaments, dann dessen, von Beobachtung auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden (der Flüchtige und das Auge erweisen sich am Ende des Films als ein und derselbe). Von meiner eigenen, als fremden. Von einer Fremden, meiner eigenen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Film_%28Film%29
http://www.ubu.com/film/beckett_film.html
„Aber assoziologisch gesehen kommt es nicht mehr auf die Feststellung an, dass das eine mit dem anderen etwas zu tun hat und was dies “Etwas” sei, sondern darauf, ob sich etwas Zusammenhängendes ergeben könnte, wenn man nicht, nur um die Beschränkungen einer kritischen Diszpin für nichts und wieder nichts einzuhalten, auf einen Erkenntniszugewinn verzichten wollte.“
1. „Beschränkung einer….Disziplin“ klingt sie ein Pleonasmus, denn „Disziplinierung“ meint eben die Zucht (zugleich strenge Erziehung und Fortzeugung). Die „Diszplin“, die Du fordert wäre somit einem, die mit ihrer eigenen Disziplinarik bricht.
2. „wenn man nicht…auf einen Erkenntniszugewinn verzichten wollte“. Eben jenes, nämlich dass sich Gewinne OHNE Beschränkungen, ohne Reduktion, ohne Verzicht, ohne engmaschige Selektivität verbuchen lassen, ist ja das was in Frage steht.
Könnte man behaupten, wenn man denn die Regeln schon kennen würde, nach welchen sie funktioniert. Sie aber herauszufinden setzt das Spiel schon voraus, dessen Regeln man durch die Fortsetzung des Spiels erst ermittelt. Überflüssig zu sagen, dass eine Ordnung und die in ihr enthaltenen Regeln in jeder Hinsicht uneindeutig wären, womit folglich auch nicht so einfach klar wird, ob mit den Regeln gebrochen wurde. Dies könnte ein erster Schritt sein, indem man ständig die Regeln sabotiert, die man selbst mit ermöglicht, beobachtbar bereits bei Twitter und der dort sich zeigenden Ironie, die wie ein Krebsgeschwür dazu tendiert, alles in die Ironisierung zu treiben bis zu einem Punkt, an dem sich die Ironie selbst zerstört. Daraus ergibt sich dann eine Art von Sachlichkeit, die notwendig wird, weil alle anderen Ablenkungs- und Umlenkungsversuche nichts anderes mehr zulassen, oder nur noch weiteren Blödsinn, der auch nicht mehr auszuhalten ist. Das zeigt: eine neue Ebene der Sachlichkeit kann durch die Forderung nach Sachlichkeit nicht gefunden werden, sondern erst dann, wenn es keine Chance mehr gibt, den ganzen Quatsch weiterzutreiben.
Der vorangestellt zitierte Einwand ist entweder nur kritischer Art, dann ist er trivial, oder erst paranoischer Art, dann müsste er anschließend gesteigert werden.
„Der vorangestellt zitierte Einwand ist entweder nur kritischer Art, dann ist er trivial, oder erst paranoischer Art, dann müsste er anschließend gesteigert werden.“
Was auf diese Satz vielleicht ebenfalls zutrifft. Überhaupt läßt sich die oszillierende Unentscheidbarkeit zwischen Paranoik und Kritik wohl entweder auflösen („Diese Aussage ist klar erkennbar kritischer Art.“) oder in ihrer Unauflösbarkeit bejahen („Kritik kann selbst sowohl kritischer als auch paranoischer Art sein“) Erstere Methode wäre die kritische, letztere die paranoische.
Muß man dann nicht auch von jeder Diagnose, die „Kritik“ und ihr Scheitern zum Gegenstand hat, wie die Deine, annehmen, dass sie entweder selber Kritik sei (als Kritik der Kritik, die für sich in Anspruch nimmt ihren Gegenstand klar und deutlich abgrenzen zu können) und folglich trivial, oder eben paranoid, was dann aber voraussetzt, dass man sich an Kritik eigentlich nicht mehr stören dürfte, weil sie selbst AUCH paranoische Züge trägt?