Das Faszinosum der Trollkommunikation des Internets
Zum Thema Die Trollblockade als Vermeidungsproblem einer Sozialesoterik hattte Peter Bormann in seinem letzen Kommentar geschrieben
M.E. schielst Du zu sehr darauf, was „andere“ (Wissenschaftler, Profs) machen sollen. Warum sollten sie? Die meisten haben ihre eigenen Interessen und Faszinosa.
Ja gewiss, aber der Punkt ist ein anderer. Die Internetkommunikation verlangt eine andere Disziplin. Eine andere Diszplin kann nicht thesenhaft verbreitet und diskutiert werden, Disziplin ist keine Idee, kein Konzept. Und eine andere Disziplin kann nicht einfach und schon gar nicht schnell erprobt werden, weil zwar nicht völlig unbekannt ist, wie man sie entwickeln könnte, aber sehr viel wird darüber auch nicht gewusst. Die Frage wäre entsprechend: womit anfangen?
Mein Vorschlag lautet, die Trollkommunikation des Internets nicht einfach nur mit Geringschätzung beiseite zu legen und sich auf den Standpunkt zu stellen, man sei eben anders fasziniert. Denn, wenn auch legitim, so könnte man es in dieser Hinsicht dabei belasen, sich in seine Schreibstube oder Bibliothek zu begeben und ganz konventionell in aller subjekthaften, faustisch-genialen Einsamkeit Texte verfassen und sie einem Verleger zu übergehen, der sie als Waren verkauft und sich anschließend vor ein informiertes Publikum zu stellen und ex kathedra Wahrheit zu postulieren. Dagegen gibt es keine Einwände. Die damit verbundene Diszplin ist vollständig entwickelt, erprobt und anerkannt und hat zu einer enormen Komplexität, Intransparenz und Kontingenz geführt. Aber egal. Man kann das ignorieren und weiterhin Texte fürs Archiv schreiben oder mit einer ständig länger werdenden Pubilkaktionliste glänzen wollen.
Wenn aber die Wissenschaftler anfangen, sich mit den Teufeleien der Interkommunikation zu befassen, was schon dann geschieht, wenn sie per Internet an Mailinglisten teilnehmen, Twittern, Blogs schreiben und Texte verbreiten, dann kann es sein, dass der faustisch-geniale Habitus dieser Gelehrten als triviale Folklore einer vergangenen Zeit auffallen könnte, wohingegen die Internettrolle als zu exkludierende Spinner, Spaßvögel und Störer markiert werden. Wenn solche Kollisionen geschehen, dann müsste man entweder anfangen, darüber nachzudenken, wie solche Kollisionen entstehen, oder, wenn nicht, muss man nach Exkludierungsmaßnahmen greifen, welche schon bekannt sind, weil das Unbekannte als Gegenstand der Forschung nicht in Frage kommt.
Peter Fuchs etwa sammelt von anderen Leute Geld ein, wenn sie mit ihm per Mailingliste in einen e-Mailwechsel treten wollen! Typsich: gelernt hat er als Professor sich mit Verwaltungsproblemen herumzuschlagen. Und wenn man per Internetkommunikation eine Exkludierungsmaßnahme durchsetzen will, so könnte es nahe liegen, einen völlig überflüssigen Verwaltungsaufwand zu betreiben, um auf diese Weise noch die esoterische Funktion der Struktur durchhalten zu können, weil die Chancen einer exoterischen Strukturdifferenzierung noch unbekannt sind. Und da eine entsprechende Forschung sich nicht lohnt, lässt man es bleiben. Solche Abwehrmaßnahmen und Immunisierungsstrategien findet man auch andernots, weil überall nur schwer verstanden werden kann, dass die exoterische Selbstorganisation des Internets genial dazu geeignet ist, Kosten für Verwaltung einzusparen. Aber wenn man das zulässt, dann verlieren entsprechende Strukturen ihren esoterischen Charakter, weil nicht erkennbar ist, wie man unerwünschte Adressen ausschalten kann. Und nur deshalb fallen die Trolle auf.
Die Trolle sind auffällig, weil eine alt gewordene Disziplin, nämlich Kritik, auf Bedingungen trifft, durch die diese Kritik nicht mehr durchhaltbar ist. Denn Kritik, die selbst eine Widerstandsdisziplin ist, erzeugt Widerstände, die ihr nur dann als objektive Gegenstände vorkommen können, wenn ihr banaler Charakter erfolgreich verschleiert wird. Und diese Verschleierung geschieht konventionellerweise über Habitus und Authentizität, wodurch schließlich, da beides ja auch kritisierbar ist, der Attraktor des Streitfortsetzung geblildet und damit auch das Material erzeugt wird, um die Disziplin zu steigern. Sofern eine solche Dizsiplin, wie man sie etwa sehr beeindruckend in den „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“ von Descartes formuliert findet, noch jung ist, ist sie keineswegs banal. Aber was wäre, wenn sie so erfolgreich wird, dass sie sich vollständig in Kontingenz auflöst? Die Kritik verliert ihre Widerstandsfähigkeit, wenn sie jederzeit und ganz schnell formuliert wird, was ja geht, da eine Orientierung an Themen, Gegenständen, Forschungsergebnissen, Methoden und Diskussionen nicht mehr einheitlich geteilt werden kann. Und wenn man einwenden möchte, dass solche Überlegungen in der Selbstbeschreibung der Luhmannschen Systemtheorie bereits enthalten seien, dann würde ich dem entgegenhalten, dass diese Systemtheorie selbst noch als Widerstandsdisziplin entstehen konnte, weil mit dem Verfassen von Texten zum Zweck der Buchproduktion die Strukturen und damit auch die Disziplin nicht einfach geändert werden können, durch die solche Texte entstehen. So ist die Luhmannsche Systemtheorie tradioneller geprägt als sie es selbst haben möchte, weil die Selbstbeschreibung, nämlich Abbruch der Tradition als Selbstauskunft, nicht ausreicht, um jede Fremdbeschreibung, die etwas davon Unterschiedliches bemerkt, mit abzubrechen.
Jeder Luhmann-Theoretiker könnte nun ganz leicht jeder Fremdbeschreibung aus dem Wege gehen, wenn man sich gemäß esoterischer Strukturen einer funktional determinierten Fachöffentlichtkeit aussetzt, die nur zu Stande kommt, wenn schon alles Unerwünschte erfolgreich ausgeschlossen wurde. Das geht aber nicht, wenn man sich anderen Beobachtungsbedingungen aussetzt.
Will man also, wenn man schon Internetkommunikation fortsetzt, weiter die durch sie geänderten Beobachtungsverhältnisse durch Vermeidungsmedien ignorieren, dann kann man nicht verstehen lernen, was die Trollkommunikation darstellt, nämlich der Versuch, eine andere Disziplin zu erfinden. Diese Disziplin könnte heißen: Versuche, nicht-überzeugte Verständigung zu erzielen. Wichtig: Es spricht nichts dagegen, die Faszination nicht zu teilen, aber es spricht sehr viel dagegen, die Ablehnung per Internetkommunikation zu signalisieren, weil damit Trollkommunikation immer fortgesetzt wird.