Die Trollblockade als Vermeidungsproblem einer Sozialesoterik der Soziologie
An die Mitglieder des Soziologie-Forums.com,
In diesem Soziologie-Forum wird wie bei anderen Gelegenheiten zuvor, erneut die Exkludierung eines Trolls versucht, gemäß der allseits bekannten Vermeidungsparole: Don’t feed the trolls! Die zugrunde liegende Annahme lautet, dass, setzt man die Kommunikation mit einem Troll nicht fort, der Troll jede Anschlussmöglichkeit verlieren würde, was zur Beendigung der Störkommunikation führen werde. Die Weisheit lautet: wenn nur die vernünftigen Teilnehmer zusammenhalten und den Troll ignorieren, so wird er sich allein gelassen fühlen und aufgeben.
Es dürfte inzwischen nicht mehr allzu schwer sein, die Naivität einer solchen Annahme nachzuweisen: Vernunft ist nirgends eindeutig zu finden. Und außerdem ist entscheidend: kein Teilnehmer kann die Kommunikation fortsetzen, wenn nicht andere sie schon fortgesetzt haben, denn nur so kann sie weiter gehen: Kommunikation ist Fortsetzung von Kommunikation. Und erst, wenn das geschieht, ereignet sich auch die Beobachtbarkeit von Adressen, die für die Kommunikation als Zurechnungsinstanzen von allerlei Attributierungen fungieren können, z.B. auch als Instanz der Störung, des Blödsinns und als Quelle der Schwätzerei.
Die Annahme, es könne helfen, weitere Adressierungen zu unterlassen, um einen durch die Kommunikation ermittelten Troll zu entmutigen, resultiert aus der Erfahrung mit Exkludierungsregeln, wie sie bislang in Organisationssystemen, z.B. in Schulen, erobt wurden. Wenn auf dem Schulhof Rangeleien stattfinden, stoßen dort Körper aufeinander, die jeweils eigenwillig versuchen, der Störkommunikation auf indiviuelle Weise zu begegnen. Eine bekannte Möglichkeit ist die Fortsetzung durch Zurückschlagen; die andere ist, die Flucht zu ergreifen, allein oder auch gemeinsam in der Gruppe. Welche Möglichkeit auch immer geeignet sein mag, die Störung zu zerstören, so bleibt unter diesen Bedinungen immer notwendig die Wahrnehmung eigenwilliger, körpergebundener Umweltkomplexität erhalten, was schon allein deshalb, da auch physikalisch-biologische Umweltdeterminanten zu berücksichtigen sind, irgendwann dazu führt, dass die Stökommunikation von selbst zerfällt oder nur durch einen enormen Organisationsaufwand weiterführt werden kann.
Organisationen haben daher einen hoch komplexen Sanktionskodex entwickelt, der dazu führt, dass ein großer Teil aller Inkludierungschancen zerstört werden. Und da dies im allgemeinen für alle Organisationen gilt, heißt das, dass irgendwann die Exkludierungswahrscheinlichkeit größer ist als das Gegenteil. Ein möglicher Ausweg ist die Ausdifferenzierung weiterer Organisationen. Und wenn auch dieses Wachstum an eine Grenze kommt, hilft nur noch, den daraus resultierenden Problemüberhang zu verwalten oder allgemein die Durchhaltefähigkeit zu testen.
Der unwahrscheinliche Ausweg ist, dass sich neue Inklusionswege eröffnen, die, sollten sie dennoch anfallen, nicht so leicht beschritten werden können, weil das Erfahrungsdispositiv von Organisationen, gemeint ist das aller Operativität zugrunde liegende Regelschema des Sanktionsvollzugs, seine Stabilität autopoietisch reproduziert, weshalb Organisationen kaum dazu übergehen können, das eigene Erfahrungdispositiv intern einer Selbstsanktionierung zu unterziehen. Eben dies kann man an der Interkommunikation bemerken: es wird versucht, das Erfahrungsdispositiv unter gänzlich verschiedenen Bedingungen durchzuhalten, indem durch Vermeidungshandeln auf Exkludierung gehofft wird: „Don’t feed the troll“ – was heißen könnte: gehe ihnen aus dem Wege. Aber die Interkommunikation hat weder Wege noch Orte, hat keine eindeutigen Adressen und damit keine belastbaren Zurechnungsinstanzen; sie hat bislang kein einigermaßen gut erprobtes Regelwerk an Sanktionen ausgebildet, was auch daher kommt, dass ein Attraktor zur symbolischen Generalisierung von Anschlussmöglichkeiten vornehmlich noch in den Vermeidungssstrukturen von Organisationssystemen gesucht wird.
Das hat für eine Soziologie zur Folge, dass sie Internetkommunikation nicht erforschen kann, weil diese Kommunikation nur verstehen könnte, wenn sie über einigermaßen stabile Vermeidungsmedien strukturierbar wäre. Und wenn dennoch etwas erforscht wird, so ist alles, was in Sachen Interkommunikaiton erforscht werden kann, nur eine eigene Organisationskomplexität dieser Art von Soziologie.
Das führt auf die Einsicht, dass das Wissen der Soziologie, solange sie sich auf ihre Vermeidungsstrukturen verlässlich beziehen kann, eine Art Sozialesoterik darstellt, die nur für einen eingeweihten Kreis von nichtexkludierten Teilnehmern partizipativ relevant ist. Die Soziologie kann die Gesellschaft nur verstehen, wenn auch diese Art von Gesellschaft diese Art von Soziologie versteht; ihr also ein eigenes Erfahrungsdispositiv überlässt, nach welchem sie Exkludierung vornimmt und rechtfertigt. Wenn nun aber Soziologen anfangen, sich auf eine Komplexität einzulassen, die sie nach Maßgabe ihres eigenen Erfahrungshorizontes nicht verstehen können, so muss sie sich entweder die Soziologie ändern, oder, da das nicht geht, sich auf Rückzug begeben. Sie muss die Grenzen ihres Wissens akzeptieren und sich mit dem beschäftigen und nur das erforschen, was sie schon kennt, nämlich: sich selbst, was konsequenterweise auch heißt: die Internettrolle sich selbst zu überlassen.
Die Trollkommmunikation ist für diese Art von Soziologie nicht verständlich, nicht zugänglich und operativ nicht zu kontrollieren. Daraus ergibt sich die Alternative: entweder – feed the troll, aber dann ändere deine Soziologie – oder: behalte deine Soziologie, dann gilt: feed yourself.