Grundeinkommen, Wachstumszwang und geistiges Eigentum
von Kusanowsky
Im Anschluss an den letzten Artikel ist in der Diskussion bei G+ der Einwand von Sascha Lobo aufgetaucht, dass der Fortbestand des Netzes auch davon abhängt, ob sich mit Inhalten ausreichend viel Geld verdienen lässt. Dieser Einwand ist berechtigt, widerlegt aber nichts, sondern verweist und die Kontingenz von Erfahrung.
Ein großes Hindernis in der Debatte um eine Grundeinkommen besteht darin, dass niemand eine Antwort auf die Frage hat, wie der wirtschaftliche Wachstumszwang überwunden werden könnte. Der Wachstumszwang entsteht durch Zinsstress. Kurz erklärt: alle zirkulierenden Guthaben kommen durch Kredite in Umlauf, welche zurück gezahlt werden müssen, obwohl eine Bank kein Geld verleiht. Sie erzeugt lediglich Kontostände (fiat money) und verlangt Zinsen und vernichtet diese Kontostände wieder. Übrig bleiben als Gewinne die Zinsen. Für diese Zinsen müssen aber weitere Kredite aufgenommen werden usw. Es muss die Wirtschaft also wachsen, um Zins und Zinseszins bezahlen zu können. Das ist der Grund, weshalb unter den Bedingungen des Wachstumszwangs kein Grundeinkommen verteilt werden kann. Es kann nämlich sein, dass dann kein Wachstum erzwungen werden kann. Wohlgemerkt: es könnte sehr wohl Wachstum geben, aber er kann nicht erzwungen werden. Oder auch so formuliert: ein Grundeinkommen kann nicht gewährt werden, weil für diese Guthaben niemand bereit wäre, Kredite aufzunehmen. Wer sollte dies tun? Gegenwärtig wird zwar an alle Bürger eine Art Grundeinkommen verteilt, aber all das unterliegt der hoch komplizierten Sanktionsmöglichkeiten durch den Staat, den zu finanzieren Kredite notwendig sind. Das gegenwärtige Grundeinkommen für alle Bürger besteht erstens in einem Steuerfreibetrag, den dienigen erhalten, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, und die Auszahlung von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe für diejenigen, die von der Erwaerbsarbeit ausgeschlossen wurden. Diese Verteilungkosten treiben die Staatsschulden in die Höhe. Das Argument, bei einem Grundeinkommen für alle Bürger würde der Staat eben auch nur Schulden und vielleicht sogar weniger machen, weil der die kostenintensive Verteilungsbürokratie nicht finanzieren müsste, stimmt zwar, aber dann stellt sich Frage, wer die notwendigen Schulden macht, um die Wachstumsspirale weiter zu treiben. Würde der Staat weniger Schulden machen, muss jemand anders die Schulden machen. Denn nur durch Schulden kommen Guthaben in Umlauf.
Daraus ergibt sich eine Art Arbeitsverbot für alle Beteiligten. Denn gewerblich tätig sein heißt, ein ökonomisches Arbeitsverbot zu überwinden, welches kooperativ von Banken und Staaten durchgesetzt wird. Das Arbeitsverbot von Banken lautet: keiner darf arbeiten, investieren, produzieren und Gewinne machen, es sei denn, man bekommt von der Bank einen Kredit, durch welchen die Bank zuerst verdient, ohne selbst zu arbeiten, zu investieren, zu produzieren. Gelingt die Überwindung des Arbeitsverbot der Banken, bekommt man einen Kredit, sonst nicht und verbleibt gewerblich untätig. Übrigens steigern Banken dieses Verbot: ist es gelungen, das Verbot überwinden, steigern die Banken die Renditeforderung. Und es gilt die Regel: die Renditeforderung wird immer zuerst erfüllt, nicht die Lohnforderung. Wer die Lohnforderung steigert, ohne dass die Rendite zuerst steigt, wird in die Arbeitslosigkeit getrieben. Oder ist die zu erwartende Rendite zu gering, so wird auch nicht investiert, wie nützlich die Produkte auch immer sein mögen. Es kommt nicht auf die Produkte, auf den Nutzen für die Menschen an, sondern auf den Renditevorbehalt der Banken.
Das Arbeitsverbot vom Staat lautet: gelingt es nicht, die Schikane der Banken zu überwinden, wird man vom Staat schikaniert, durch Steuern, Sozialabgaben, oder durch ein Arbeitslosenamt, das die Bedingungen zur Forsetzung des Lebens unter die Vorraussetzung stellt, für die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit zu sorgen, ohne dass dies dem Einzelnen gelingen kann. Protest dagegen ist zulässig aber wirkungslos. So ist der Umstand des Gelingens einer gewerblichen Tätigkeit nur eine Frage der sozial verteilten Wahrscheinlichkeit, nicht das Vermögen einzelner Menschen.
Für das Urheberecht gelten eben diese Voraussetzungen: nur solche Ideen können vermarktet werden, die dazu geeignet sind, die Renditeforderung zu erfüllen. Alle anderen Ideen dürfen zwar auch geäußert werden, sind aber ökonomisch irrelevant.
Daraus ergibt sich die Einsicht, dass die Verteilung eines Grundeinkommens auf die gleichen Bedingungen trifft wie der Verzicht auf Urheberschaft, weil nämlich beides in ökonomischer Hinsicht nur durch den Wachstumszwang von Bedeutung ist.
Daraus ergibt sich folglich auch die Beurteilung des politischen Problems: nicht die Einführung eines Grundeinkommens, nicht die Abschaffung des Urheberrechts ist das Problem, sondern der ideologische Klammergriff der Wachstumsspirale.
Siehe dazu auch:
Kreditwirtschaft und Atomenergie
„Es gibt aber schlimmere Sachen, zum Beispiel Wachstum: Alle Menschen wollen
wachsen immer, hoch hinaus, und dann geht der liebe Gott hin und sagt:
‚Nein, du wächst nur nach unten und nur nach links und rechts.‘ Oder ein
anderer Mensch will gerne dick sein, da sagt der liebe Gott: ‚Nein, du wirst
ganz, ganz, ganz dünn und superlang.‘ So kommt es, daß – sagen wir mal – eine
zwei Meter vierzig große Frau einen nur 47 Zentimeter großen Mann heiraten
will, und die Eltern sind aber dagegen. Das sieht nicht aus, beim Einkaufen-
gehen. Sie schiebt den Wagen, er sitzt oben drin. Und wenn er den Wagen
schiebt, dann, äh, brauch sie nich mitzugehen, weil das wär für sie sehr,
sehr peinlich. Also, daß sie ihn dann kennt.“ (Helge Schneider: Pubertät)
„… Beurteilung des politischen Problems: nicht die Einführung eines Grundeinkommens, nicht die Abschaffung des Urheberrechts ist das Problem, sondern der ideologische Klammergriff der Wachstumsspirale.“
Ja.
Eine heute gut erklärbare Tatsache, aber bei Realisierung von Veränderung verbunden mit ungeheurer Konsequenz, bei der im gegenwärtigen Wirtschafts- und Zusammenleben der Menschen und Völker kaum ein Stein auf dem anderen bleiben könnte.
Beginnend mit der verbindlichen weltweiten Neudefinition von Wachstum (Wirtschaft) durch Trennung von der jetzigen verheerenden quantitativen zur alternativlosen qualitativen Bewertung / Zuordnung des Wachstums, nicht nach Umfang sondern nach der Qualität des Verbrauchten als Messlatte, über Findung / Setzung der erforderlichen und zweckmäßig machbaren Kriterien und Maßstäbe bis hin zur Neudefinition aller Komponenten weltweiter Wirtschaft und deren Implantationen in die Volkswirtschaften, ist das ein gewaltiges Stück Arbeit, das Angst machen könnte.
Fast wie der Ausstieg aus der Atomenergie. – Der findet nun (hier erst einmal) statt …
Hat schon mal Mensch untersucht, was passiert, wenn auch in dieser drängenden Angelegenheit einfach mal jemand den Hebel rumschmeißt und festlegt: ab jetzt andersrum? Kennt jemand einen Weg?
Das würde mich – und sicher nicht nur mich – sehr interessieren.
Oder gibt es die Möglichkeit eines longway, eines Hineingleitens?
Was kann die Finanzwirtschaft selber beitragen?
Muß ihr dazu verholfen werden oder kann sie freundlich oder unfreundlich „interessiert“ werden?
So viele Fachleute sehen nur diese Alternative „weg von der quantitativen Wachstums-Ideologie“ (ja, eine Ideologie, nichts weiter) und fordern, aber nicht einer schlägt vor, wann und wie womit wir beginnen.
Sitzen wir da einer Utopie auf, weil die Welt eben schon unabänderbar „fertig eingerichtet scheint“? –
Über vierzig Jahre war ein Ende des Kalten Krieges oder ein einiges Deutschland – eine Utopie
Und dann war es einfach passiert …
Und die UrheberRechte? Soweit bekannt, waren die frei.
Ich zu meinem „Schmarrn“: es ist bitte im Lesen und Verstehen zu korrigieren von „Urheberrecht“ auf VERWERTUNGSRECHTE.
Siehe dazu auch entsprechenden Post von ole georg graf (@olegeorggraf) / 4. Februar 2012 15:45
(unter „Kusanowsky: das-grundeinkommen-und-der-abschied-vom-geistigen-eigentum“)