Neugier oder Belohnung? Das Risiko faustischer Gelehrsamkeit
von Kusanowsky
In der Moderne ist die Neugierde die Garantin aller zukünftigen Wissenschaft. Was aber bleibt in der gegenwärtigen Wissensgesellschaft tatsächlich von ihr erhalten? Betrachtet man die Programmatik aktueller akademischer Karriereplanungen, so lässt sich sagen: Neben der Förderung von Strukturen und Projekten wird bei der Qualifizierung junger Wissenschaftler zu wenig auf die Pflege und Entwicklung der Neugierde als Erkenntnisprinzip geachtet. (Herkunft: Motive der Forschung: Ist der Kandidat denn auch gut vernetzt? Von Peter-André Alt, F.A.Z. 10.01.2012)
Der zitierte F.A.Z- Artikel enthält eine kleine, aber sehr übersichtliche Betrachtung über den Niedergang faustischer Gelehrsamkeit, allerdings fehlt darin noch die letzte Konsequenz, dass nämlich Entwicklungen nicht revidierbar sind. Einspielen konnte sich das Ideal einer vom Erkenntnistrieb geprägten Wissenschaft durch die soziale Akzeptanz von Verhaltensregeln, welche sich wesentlich auf das Vermeiden von Manipulationen richtete und sich um Präzisierung von Messungen und der damit einher gehenden Verstärkung von beobachtungsintensivierender Konzentration bemühte, weil aussichtsreiche Gründe dafür vorlagen, auf diesem Wege aller Täuschung und allem Blendwerk begegnen zu können. Daher der Mut Fausts, sich auf den Teufel einzulassen, weil nur die Auseinandersetzung mit dem härtesten Widersacher die Erfolgsprobe für Intellektualität und moralische Integrität darstellte; daher die Begeisterung seit dem 18. Jahrhundert für den Fauststoff, welche sich nicht mehr für den Abschreckungscharakter der Faust-Erzählung interessierte, sondern für den Mutwillen, der sich in der Erzählung aussprach, nämlich die Fähigkeiten transzendentaler Subjektivität, sich der letzten Vorbehalte aristotelischen Misstrauens gegen die „ratio“ zu entledigen und das Wagnis um die Haltbarkeit des Unterschieds von Wahnsinn und Vernunft einzugehen. Die evolutionären Ergebnisse sind bekannt: Sowohl Schulen für alle als auch die globale Nutzung der Atomkraft sind ein Ergebnis dieses Wettstreits zwischen Vernunft und Wahnsinn; und niemand kann eindeutig sagen, welche Macht stärker war, aber der alte theologische Einwand ist inzwischen wieder zulässig, der ehedem der „ratio“ mit Vorbehalten entgegentrat. Wenn man die Fähigkeiten menschlicher Vernunft höher schätzt als alle Gottesfurcht, so kann dies auch böse enden. Wer will das bezweifeln? Auch dann, wenn man von Gottesfurcht nichts mehr wissen will.
Wohl niemand, aber das Idealbild der faustischen Gelehrsamkeit soll immer noch als Leitbild dienen? Man bedenke, dass der Genie-Kult des 18. Jahrhunderts das Selbstbeeindruckungsprogramm einer Gelehrsamkeit war, die – aufgrund spezifischer sozialer Bedingungen im Umstellungsprozess auf eine funktionale Differenzierung – mit dem „menschlichen Geist“ ein allgemeine Zurechnungsinstanz für ihre Forschungsergebnisse gefunden hatte, welche aber dieses Allgemeingut nur für eine Elite reservierte, nämlich für herausragende Männer eines herausragenden Geistes. Eine faustisches Genalität „für alle“ war undenkbar, und ist auch im praktischen Vollzug einer Organisation von Wissenschaft gar nicht möglich, schon aufgrund eines Mangels an Ressourcen, die ein solch humanintensives Investment in Erziehung und Bildung gar nicht zulassen.
Stattdessen ist mit dem Ausbau der Massenuniversität etwas ganz anderes passiert. Aus den Universitäten wurde ein industrialisierter Dienstleistungsbetrieb, welcher allerdings seine Erwartungshoffungen auf etwas ganz anderes richtet, nämlich auf faustisch-geniales Humanvermögen, wohingegen die alltägliche Erfahrung in der Wissenschaftsorganisation davon spricht, dass etwas sehr viel handfesteres als Motivation zur Fortsetzung der Forschung tauglich ist, nämlich: Belohnung.
Der prototypische Gelehrte des 17., vor allem des 18. Jahrhunderts hätte noch mit aufklärerischer Gewisseheit darauf bestanden, das Gute auch dann zu tun, wenn man dafür nicht belohnt wird; eine Einsicht, die ab der Institutionalisierung und Überführung des Geniekonzepts in die Verrechtlichung des öffentlichen Dienstes unhaltbar geworden ist. Wer heute auf Belohnung verzichten könnte (oder muss), könnte genauso gut auch auf akademische Weihen verzichten, wenn man darauf sieht, dass diese Weihe ein höchst fragwürdiges, ein vollständig intransparentes bürokratisches Verfahren geworden ist. Die Plagiats-Affären neueren Datums beweisen dies, da gewiss nicht annehmbar ist, dass es sich dabei um wenige Ausnahmefälle handelt. Denn wie sollten die in der Intransparenz auffallen können? Eher ist es andersherum: die Intransparenz macht es möglich, dass die meisten Fälle gar nicht bemerkt werden, weil etwa der Versuch, dem eigenen „Doktorvater“ Plagiate nachzuweisen, streng und unerbittlich aussortiert werden würde. Und da aufgrund dieser Intransparenz alle Belohnung sich auf minimale Reputationsgewinne beschränkt, bleibt nichts anderes übrig als durch „Netzwerk-Arbeit“ die Hoffnung auf Belohnung und auf Reputation nicht aufzugeben.
Die lebenslange Alimentierung von Professoren fand darin ihren Grund: Forschung muss scheitern können, damit man weiter kommt, weshalb Forschung nicht nur für den Erfolgsfall belohnt werden kann. Sie muss freigestellt sein von Belohnung, weil die Akzeptanz von Forschungsergebnissen höchst unwahrscheinlich ist. Wer will den Erfolg garantieren, wenn der Forscher kein anderes Gewaltmittel hat als Argumente? Und solange glaubhaft war, dass nur eine Elite dazu in der Lage wäre, diesen Zumutungen Stand zu halten, konnte sich die Exklusivität des Wissenschaftsprogramms einigermaßen halten. Aber nachdem die Wissenschaftsorganisation durch ihre Komplexitätssteigerung jede Gewalt des Arguments eingebüßt hat, denn welche Argumente wären noch zwingend, ist ihr nur der Verlass auf eine Bürokratie geblieben, welche gänzlich stupide Stempel für alles mögliche verteilt, das den Vorschriften noch gerade so entspricht.
So war es gemäß des faustischen Ideals gar nicht die Neugier, die als Motivationsgrund genommen wurde, sondern das Risiko, damit auch das Risiko, dem Teufel nicht gewachsen zu sein. Welches Risiko ist durch die Trivialisierung des Faustkonzepts zurück geblieben? Wohl nur noch das Risiko, nicht belohnt zu werden. Und so gering dieses Risiko schon lange nicht mehr.
Das Einleitungskapitel von Kittlers „Aufschreibesysteme 1800. 1900“ mit dem Titel „Gelehrtentragödie.Vorspiel auf dem Theater“ nimmt eine andere Deutung Fausts vor, wenn er diesem zum alten Gelehrtentypus rechnet. Für dessen Aufschreibesysteme gilt:
„Er [Faust] liest, exzerpiert und kommentiert, um dann im Kolleg seinen Schülern zu diktieren, was alte Bücher ihm diktiert haben.“
„Nichts anderes heißt in Europa, seit Erfindung von Universitäten [„Die Universität Neapel war bereits im 13. Jahrhundert europaweit die erste Universität die ohne päpstliche Bulle lehrte“ Wagner] und damit von Handschriftenkopistenbüros, akademische Vorlesung. Gutenbergs bewegliche Lettern haben daran wenig geändert. Die Gelehrtenrepublik ist und bleibt endlose Zirkulation, ein Aufschreibesystem ohne Produzenten und Konsumenten, das Wörter einfach umwälzt. Fausts Bibliotheksbesichtigung nennt keinen, der Schreiber, Schöpfer, Autor eines Buches wäre; keinen auch, der eins der Bücher verstehen, verdauen, verarbeiten würde. Mit einem Wort: die alte Gelehrtenrepublik betrügt Den Menschen um Den Menschen.“
Nein, mit Verlaub Euer beider Ehren.
Was ist das für ein „weisheitstrotzendes“ Gesäusele der Überachtzigjährigen?
Das kann nur von ziemlich jungen, unbefriedigten übersatten und gelangweilten Gutbetuchten kommen und droht ungemein, diese tatsächlich selbst in einen Strudel dieser „Ihrer“ Art versinken zu lassen, noch mehr gelangweilt als bisher.
Es ist der alte Staub von vorgestern, wo muß man da herumturnen, um sich derart frustrierend zu „bestäuben“? Seid Ihr Denk-Greise oder was ist los?
Etwas mehr Power und ein ganz klein wenig richtiges Leben in Euren Worten täte Euch sicher gut:
Schon immer war ein Jeder etwas Faust, schon immer wurde, was nicht verstanden wurde oder werden sollte, dem Teufel – oder, wenn es nicht allzumager war, den Göttern angedichtet, damit man sich nicht selbst damit herumschleppen mußte.
Schon immer war Mensch sich selbst der nächste Gott und Teufel zugleich, nur deshalb kann er das so empfinden und beschreiben, seine Erfindungen, seine Konstrukte.
Schon immer gab es Universitäten, Massenuniversitäten, stets in dem Maße / der Masse, wie es erforderlich war – es ist heute eben etwas mehr erforderlich, damit die „Elite“ nicht zugrunde geht.
Während die sich nicht mal selbst ernähren ja erhalten kann, muß fast jedes einfache Menschlein dagegen AbiUni machen, um die einfachsten Arbeitsgänge zur Versorgung Aller faustisch abgesichert korrekt hinzubekommen.
Mein Gott, wo muß man denn stolpern, um Eure müden Gedanken abfallen zu lassen!
Uni gefragt?
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/sokurows-faust-film-deutschland-bleiches-mutterland-11612695.html
In „Faust“ dämmert nun der Morgen, und dessen Licht wird die Welt verbrennen. Das ist die Botschaft des Aufbruchs am Schluss, der die Frage des toten Gretchens aus dem Off: „Wohin gehst du?“ durch Faust mit „Weiter, nur weiter!“ beantworten lässt. Sein Weg ist das Ziel, und Leichen werden ihn pflastern. Das weiß man gleichfalls vom Beginn an, der Faust nicht als passiven Grübler im Studierzimmer zeigt, sondern als höchst aktiven, ja gehetzten Wissenssucher bei einer Leichensektion.
@Kusanowsky
Aber, aber Kusanowsky.
So ist es wohl eher im Sinne des berühmten Dokumentarfilmers Sokurow und seiner (dort gewachsenen) „russischen Seele“ (mit der Tetralogie über die Macht und das Böse) unterhaltend zu konsumieren, denn als Menetekel.
Es ist noch nie das (ehrliche) Suchen nach Wissen ein Vehikel zur Macht oder zum „Bösen“ gewesen, die Behauptung, daß das so sei, allerdings sehr wohl – historisch belegt – oft und deftig genug.
Denke dabei nur an den „Gott“ der modernen Wissenschaft, an Galilei.
Noch besser das hier:
„Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! – Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall hineinlegen, das Leben schwerer als billig. – Ei! so habt doch endlich einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben, Euch ergötzen zu lassen, Euch rühren zu lassen, Euch erheben zu lassen, ja Euch belehren und zu etwas Großem entflammen und ermutigen zu lassen; aber denkt nur nicht immer, es wäre Alles eitel, wenn es nicht irgend abstrakter Gedanke und Idee wäre! Da kommen sie und fragen: welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüßte und aussprechen könnte. […] Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.“
Dies sagt der Meister vielmehr selbst dazu (Gespräch mit Eckermann am 6. Mai 1827).
Ich wüßte es nicht anders oder besser, denn:
„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ …
Wie lautet sie denn, die Botschaft, die wir alle gehört zu haben glauben? Sie lautet, dass kein Gott sei, und dass die Welt, wie sie sich – mit welchen Methoden auch immer – der aktive Mensch auf der Basis der ihm gegebenen Natur als seine Gesellschaft geschaffen hat, in der er nun leben muss, und koste es das Leben selber, dass diese seine Welt nicht nur sein Werk ist, das er als Mensch und als Gesellschaft nun zu verantworten hat, dass diese Welt und diese Gesellschaft nun einmal mit absoluter und von allen einsehbarer Sicherheit NICHT die beste aller denkbaren Welten ist und sein kann. Das ist der alle umfassende Faust in uns, und dieses sich selbst beschränkende Wissen macht uns alle zu handlungsvereinten Brüdern und Schwester, eben zu Menschen mit einem ethischen Auftrag.
Heinz von Foerster hat einmal einleuchtend gesagt, über Ethik könne und solle man nicht reden, Ethik müsse sich zeigen, und zwar – so wäre zu ergänzen – im gesellschaftlichen Handeln. Wenn es stimmt, dass Ethik die Reflexionstheorie der Moral sei, dann wäre das erste Ergebnis dieser Theorie die Erkenntnis, die Unterscheidung Moral/Unmoral sei selber eine von den die Intransparenz so liebenden Machthabern so oft zu Tode gerittenen unmoralische Unterscheidung. Alle Moralen. die man in realen Gesellschaften so vorfindet, sind von den Mächtigen – und das waren historisch zuerst eben die phantasievollen Theologen und die Religionserfinder – sind von diesen Mächtigen, den Herrschern über die jeweils geltende Semantik, gesetzte Wertesysteme. Und alle gesetzten Wertesysteme verschleiern ihre jeweilige Gesetztheit, indem sie ihre Selbsteinsehbarkeit, ihre intrinsische Plausibilität sozusagen, einfach behaupten. „Gesundheit“ ist eben unwiderlegbar, denn wollte schon ungesund leben? Es gibt nur eine Gesundheit, als ein selbsteinleuchtender Wert, aber es gibt viele Krankheiten, auch viele eingebildete und von den aktiven Medizinern geradezu erfundene, damit sie ihre eigene Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit weiterhin unangefochten behaupten können.
„Freiheit“ ist auch solche ein unwiderlegbarer Wert, den jeder schnell behaupten kann, der aber in der realen Gesellschaft schnell zum unerreichten Ideal zu schrumpfen neigt. Auch über Freiheit sollte man, ethisch gesehen, eben in der Gesellschaft nicht reden, Freiheit muss sich zeigen. Und wer durch Unternehmerwillkür trotz guter Leistung entlassen wurde und in das unethische und damit unmoralische Hartz-IV-System hinein getrieben wurde, der weiss sofort und spürt es alltäglich an seinem Leibe und am Leibe seiner Kinder, wo die Freiheit zu einem uneingeschränkten sozialen Leben ihr institutionell gesetztes Ende gefunden hat.
Auch „Gerechtigkeit“ ist solch ein ethisch berechtigter, moralisch aber immer zweischneidig gesetzter „Wert“ als ein sich schnell zeigender Unwert. Von der beauftragten Macht gesetzte Gesetze können vielleicht – wenn gut umgesetzt – auch gut und vielleicht sogar sozial halbwegs verträglich funktionieren, (weil die müden und ausgelaugten Menschen gar nicht mehr die Kraft aufbringen, aufzumucken), aber ist die längst vergessene politische Wirtschaftsparole „Wohlstand für alle“ denn je gerecht umgesetzt worden? In den sechziger bis achtziger Jahren, sah es einmal so aus, als liesse sich dieses ethische Versprechen halten und als ein gesellschaftlich gesetzter Wert auch sozial verwirklichen. Die dazu passende Basislüge hiess „Wachstum“, und gemeint war ein unendliches, nie aufhörendes Wachstum in einer aber – mindestens seit dem Club of Rom – für jeden schnell einsehbaren endlichen Welt der begrenzten Ressourcen. Aber die Parteien, die uns alle auf diese Weise mit den von ihnen gesetzten „Werten“ real betrogen haben, diese Parteien regieren uns noch immer, weil wir uns von ihnen – nicht kritiklos, aber entschlusslos – regieren lassen.
Unsere geltenden Sozialgesetze sind keineswegs das Gelbe vom Ei. Wir haben sie uns als falsche Freiheit und als falsche Gerechtigkeit als geltende Werte aufoktroieren lassen, doch wir sollten niemals vergessen, dass solche Zwangwerte auch änderbar sind und auch immer änderbar bleiben, und zwar nicht nur – im Unternehmersinne – nach unten abänderbar, nein. auch im Gewerkschaftssinne nach oben verbesserbar. Aber wo sind denn heute hier bei uns die Gewerkschaften als fordernde Wertsetzer geblieben: Solange wir alle ihr Schweigen zu diesen falschen Werten, dieser falschen Unternehmerfreiheit und zu dieser falschen und unlebbaren sozialen Scheingerechtigkeit selber schweigend dulden, wie soll es denn da besser werden?
@ dieterbohrer / 24. Januar 2012 20:07:
Hallo, hallo? Ich verstehe dich (diesmal!) nicht, lieber dieterbohrer:
Kann nicht erkennen, was deine Ausführungen nun mit diesem Artikel zu tun haben, noch weniger, was sie evtl. als Kommentar zu meinem Kommentar meinen könnten.
Zwar ist dir in etlichen Zustandserwähnungen durchaus beizupflichten – aber warum das hier? Darüber hinaus ist das Beklagen der Welt eine wenig erträgliche Sache, wenn nicht etwas Konkretes zu den Ursachen und / oder zur Veränderung beigetragen wird.
Was von Förster zur Ethik meint, ist eh uninteressant, dafür ist der weder Fachmann noch kompetent genug, es sei denn, er beschränkt sich auf KybernEthik – wenn du das kennen solltest. Für von Förster ist Ethik selbst nur EIN Spielzeug im Buddelkasten seiner Theoriensuche für neue Religionen, jedoch eben nicht DAS.
„Wo sind denn die Gewerkschaften heute?“ – ja wo sind sie denn, wer hat sie denn versteckt, wer hat sie denn nicht rechtzeitig zum Zahnarzt geschickt, so daß da lauter zahnlose Erscheinungen sich abmühen, ihre Daseinsberechtigung irgendwie zu legitimieren.
Nachdem der Arbeiterklasse die Arbeiter abhanden kamen, den „Bürgerlichen“ auf einmal reale BÜRGER begegnen, mit denen sie nicht gerechnet hatten, die tatsächlich BÜRGER spielen wollen, auch wenn DEN Bürgerlichen das reichlich fremd vorkommt, nachdem den Klerikern massenhaft die Menschen davon rennen und die Skeptiker nichteinmal der eigenen Skepsis mehr vertrauen können und auf Pseudodarwinisten mit Ambition zur Eso-EgoGenReligionsstiftung wie Dr. Dawkins zurückgreifen und sich ungewollt in die reaktionäre Welle der ewig aus Prinzip Beharrenden stellen, nachdem ALLE Systeme ihre Selbstorganisation deutlich offensichtlich regeln und das jedoch kaum einer wahrhaben möchte, sofern er selber betroffen ist, nachdem der Kalte Krieg sich lautlos verdrückte und der Sucht nach Aufwertung und Stachelung anderer Feindschaften nicht nur das Tor öffnete sondern diese auch noch täglich befriedigen will – sich jedoch noch niemand für das Funktionieren von Systemen grundsätzlich interessiert, aber alle darüber glauben reden zu müssen – manche im Verständnis „Jeder schafft sich seine eigene Wirklichkeit“ ohne dabei etwas zu schaffen –
Solange, lieber dieterbohrer ist Demokratie ein Schlagwort, und Schlagwörter taugten noch nie zum Schlag, sie waren immer zu pampig, ist Sozialer Ausgleich eine lexikalische Erscheinung, ist Entlohnung und Leben nach eigener Leistung eine Boulevardkommödie ohne Lacher und mit mehr Ödie als Komm.
Will sagen, das, was du schreibst, zieht keinen 13jährigen, keinen 18jährigen, keinen jungen Familienvater, keinen Chef, keinen „Leistungsträger, keinen Interpreten, keinen Opa und keinen Hartz4-Empfänger (benannt nach dem rechtmäßig wegen Verstoß gegen gesellschaftliche Normen verurteilten Erfinder) und keinen Neo-Milliardär vom Hocker: ALL diese lachen nur darüber – oder verstehen dich nicht.
Es kommt ziemlich „faustisch“ daher, allerdings mehr nur in diesem Sinne des diesen erschaffenden Meisters:
„Da kommen sie und fragen: welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüßte und aussprechen könnte. […] Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.“
(Dies sagt der Meister vielmehr selbst dazu im Gespräch mit Eckermann am 6. Mai 1827).
Meintest du das etwa auch so? Dann sei dir verziehen.
Jedenfalls ist das dann wohl kaum „der alle umfassende Faust in uns…“(Was sollte denn das sein? – „und dieses sich selbst beschränkende Wissen macht uns alle zu handlungsvereinten Brüdern und Schwester, eben zu Menschen mit einem ethischen Auftrag.“ – diese Tirade schmeiß mal schnell weg, möchte ich nichts weiter sagen dazu, es ist fast religiöse Einfalt)
Was nun?
Ich würde es einfach nochmal NEU versuchen, meine Sicht in einen Text „Neugier-oder Belohnung – das Risiko faustischer Gelehrsamkeit“ zu packen, denn Mensch bleibt eh NIE etwas anderes übrig, als es NEU zu VERSUCHEN, immer weiter, bis MenschEN (auch) mich verstehen ….
Sei mal neugierig, mehr gierig als neu – auf dich, auf deinen neuen Text!!
Nicht „Neugier ODER Belohnung“ sondern „Neugier als Belohnung für Risiko“ …
kleiner Nachtrag zu
@dieterbohrer / 24. Januar 2012 20:07:
Mit NEUGIER IST ist nicht etwa eine NEUE GIER gemeint.
Sofern dabei jedoch als Belohnung für faustisches Gelehrsamkeits-Risiko eine NEUE GIER auf NEUGIER in der Wissenschaft herauskommt, ist die sehr wohl und als willkommen gemeint …
@Lusru – also ohne grosse Umschweife und vollkommen hemmungslos eingeräumt: ich kann erstens den ursprünglichen und spontanen Impuls, auf Deine lange und ausgefeilte Epistel antworten zu wollen, auch nicht mehr vollkommen schlüssig nachvollziehen. Und zweitens, wie das beim flotten und fröhlichen Drauflosschreiben so gehen kann: es gehen einem die semantischen Pferde durch, ohne dass sie immer ausreichen logisch und schlüssig gesattelt sind. Deshalb denke ich mir auch genauso wieder spontan: wenn man auf einen langen Text selber nicht vollkommen passgenau angeschlossen hat, obwohl die Anschlußstelle nicht ausreichend breit gegeben war, und wenn man dann nach dem Motto, alles Gesagte könne immer auch ganz anders gesagt werden, sich auch noch eine so schön formulierte wiederum lange Antwort eingefangen hat, dann sollte man es – damit erst einmal wieder Beruhigung eintritt – dabei und damit bewenden lassen. Zumal Deine Antwort nicht nur lang und sorgfältig war, sondern wortspielerisch auch wirklich sehr schön. Und zum Beweis, dass ich es friedlich-schiedlich ernst und anständig meine, unterschreibe ich einfach Deine schöne Antwort und den ebenso schönen Zusatzartikel und gebe mich im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal damit “ zu Frieden“. Ich bin nicht der Typ, der bei jedem gekonnten Konter beleidigt oder gekrängt einrastet. Ich wollte Deinem kognitiven Gemälde nur ein wenig meine Gedankenfarben hinzufügen. Bis auf ein andermal.
@dieterbohrer / 25. Januar 2012 18:06
„Ich wollte Deinem kognitiven Gemälde nur ein wenig meine Gedankenfarben hinzufügen“ –
ist angekommen, auf Farbe warte ich schon länger, da meine bald ausgeht …
Im Übrigen kommt mir deine Schilderung bekannt vor – nicht von dir, sondern von mir: Hatte auch schon mal die Situation und genau den gleichen Passus – leider nur gedacht, und nicht gleich geschrieben. Als ich es dann wollte, hatte der Blogger mich gesperrt mit der Bemerkung „nicht paßfähig“.
Für das nächste Mal: Lob tut mir nicht gut. Ich behalte daher in Erinnerung, daß du die Länge meines Textes geschickt bemängelt hast.
@Lusru – ich möchte kein neues Fass aufmachen, und zum ursprünglichen Thema wird es auch nicht passen, aber nur an dieser Stelle kann ich das zu Sagende eben nur anknüpfen:
Das System der Kommunikation mit der Triade Information/Mitteilung/Verstehen verblüfft eben immer wieder durch seinen Doppelcharakter: Wie und wo einer anschliesst, es läuft die Kommunikation eben ungebrochen weiter, ihrer eigenen Evolution folgend: Gute Gedanken überleben, unpassende gehen eben unter. „Über das Verstehen eines Satzes entscheidet der Leser (Hörer)“ hat Heinz von Foerster knallhart gesagt. Das hat die Extremfolge, die schon die alten Römer formuliert hatten: Wer schweigt, hat zugestimmt.
Wer nicht zustimmen will, aus welchen Gründen immer, der muss also antworten, heisst: anschliessen. Jeder Anschliessende hat zwei prinzipielle Anknüpfungspunkte: Man kann immer anschliessen an die Information, (das fördert den interaktiven Gedankenfluss), oder man schliesst an die (Form der) Mitteilung an. Das kann schnell kritisch werden, wie jede Ehe zeigt: ER sagt, wir sollten vielleicht mal wieder …, (das wäre die Information), und sie will nicht und schliesst deshalb an der Mitteilung(sform) an und sagt: „Warum schreist du denn so?“. Und schon bricht die Verständigung zusammen und die aggressive Eskalation kann beginnen. Man hat also als potentieller Teilnehmer drei Möglichkeiten: Schweigen (kann einem als Zustimmung ausgelegt werden), ganz unmissverständlich an der Information anknüpfen (kann aber immer am „Verstehen“ des Lesers/Hörers scheitern) oder einwandfrei „stören“, indem man deutlich die (Form der) Mitteilung selber kritisiert. Aus diesem Kommunikationstripel kann man leider nicht aussteigen.
@dieterbohrer / 26. Januar 2012 17:08
„ich möchte kein neues Fass aufmachen, und zum ursprünglichen Thema wird es auch nicht passen, aber nur an dieser Stelle kann ich das zu Sagende eben nur anknüpfen“ –
Das ist richtig:
Das ist kein „neues Faß“, das ist ein ganzes Lager voller neuer Fässer.
– Triade: erschließt sich mir nicht allgemein in dieser Art, da das ein vermauscheltes Hausfrauenjournalismus-NachrichtenVerbrämnis von „Information“ aus dem Vorabendprogramm ist. Was ist denn wesentlich, die Verbindung (Technik) oder die Substanz (Inhalt) des Vermittelten / zu Verstehenden? Das entspricht dem Verhältnis KOMMUNIKATION (als technisches Hilfsmittel / Krücke) zur INFORMATION (Inhalt, UNTERSCHIED, der zu vermitteln ist). Eine „Triade“ kann ich nicht erkennen.
Dieses von mir aufgezeigte Verhältnis ist allerdings durchgehend in allen Fachbereichen und „Welten“ so nutzbar und anwendbar, hat daher gegenüber der von dir erwähnten Triade-Vermauschelung grundsätzliche Bedeutung und packt die Probleme am Kopf und nicht an der Brustwarze, der Begriff „Nachricht“ ist, wie er bereits selber sagt, „NACHgeordnet“, er „richtet nach“, nicht vor, kann also nur das Ergebnis des von mir geschilderten Verhältnisse und damit NACHrangig sein. Primär geht es um INFORMATION, um wahrnehmbare zu vermittelnde UNTERSCHIEDE, die zu einer Nachricht werden können – aber nicht müssen.
– „„Über das Verstehen eines Satzes entscheidet der Leser (Hörer)“ hat Heinz von Foerster knallhart gesagt“ – ??
Wieso? Hat er das auch wenigstens annähernd irgendwo erklären oder begründen können?
Soweit ich weiß, behauptet er das nur.
Es ist auch nicht erst seine Erkenntnis: Alle bisher nicht oder nur schwer verstandenen Publizisten haben das seit jeher so gesehen, um die Mängel der eigenen Darstellung von sich abzuwälzen und die Notwendigkeit eines dazu gelieferten Speziallexikons mit eigener Begrifswelt zu begründen.
Der Satz ist SO NICHT richtig!
Da es hier um das VERSTEHEN einer Übermittlung geht, sind ein paar Voraussetzungen erforderlich, bevor Übermittlung überhaupt möglich wird:
Die Übermittlung bedarf einer technischen Verbindung, eines Kanals, einer Kommunikation mit Sender – Kanal – Empfänger.
Weiter bedarf es der gemeinsam benutzten Sprache / Codierung / Bezeichnung / Benamung der Übermittlung samt dem dazu gehörenden Begriffsverständnis, das wird auch der vor jeder Kommunikation zu sichernde GEMEINSAME INFORMATIONS-VORRAT (eine Speicherung) genannt.
Weiter bedarf es der Störungsfreiheit / Ausschaltung von anderen externen Kommunikationsvorgängen mit unpassenden fremden Übermittlungen,
und noch einiges mehr.
ERST WENN v. FÖRSTER DAS ALLES SICHERGESTELLT HAT, sind die für diesen Austausch von Unterschieden, für INFORMATION mittels KOMMUNIKATION zwingend erforderlichen Bedingungen, gegeben, können SEINE AUSSAGE RICHTIG werden.
HAT ER ABER NICHT!
Er schafft NIRGENDWO diesen gemeinsamen Informationsvorrat, erwähnt ihn nicht als elementare Voraussetzung und poltert einfach drauflos, das ist leider nur Boulevard und so eben nicht verwendbar, und darunter – was wunderts – leiden seine Ausführungen wohl immer wieder ungemein.
Wenn du möchtest, ist es tatsächlich genau umgekehrt:
Über das Verstehen eines Satzes entscheidet PRIMÄR immer der Sender! Nicht der Hörer.
Laßt v. Förster mal zum „ausgereiften“ SENDER in diesem Sinne werden, ich glaube, wir würden alle staunen …
(Denn er ist ein ungemein kluger Mann)
– Des weiteren gerät in seinem gesamten Theoriegebilde der Inhalt einer Übermittlung, der semantische Gehalt und damit ihr Sinn / Zweck (die INFORMATION in ihrer Dualität als Objekt und als Vorgang) zu einer nach geordneten technischen Größe, während das tatsächlich nur technische Hilfsmittel dafür, die KOMMUNIKATION, die VERBINDUNG (in Ihrer Dualität als Zustand und Vorgang) zum WESEN einer Übermittlung gemacht wird. Das ist nicht nur fragwürdig, das ist nicht verwendbar.
Das stellt die Tatsachen auf den Kopf, da es bei INFORMATION um Wahrnehmung / Erkennung und damit um Austausch von UNTERSCHIEDEN zum (bereits zuvor) bekannten Zustand und erst sekundär um die dazu erforderlichen verbindenden Hilfsmittel der Kommunikation geht.
Daran krankt die gesamte Auffassung, die (nicht nur) v. Förster darstellt.
Dabei ist es gleich, was ich untersuche, den Inhalt oder die Form der Information (bzw. des INFORMIERENS) – für den Nutzer ist stets nur die Emergenz aus beiden wahrnehmbar und wertbar.
Darüber hinaus:
– „Aus diesem Kommunikationstripel kann man leider nicht aussteigen“ – nun, wenn die Dinge im tatsächlichen Verhältnis verwendbar bezeichnet werden (z.B. für VIELE SENDER UND EMPFÄNGER gleichermaßen und in den Grundlagen interdisziplinär nutzbar), etwa wie auch von mir geschildert, dann bist du bereits aus deinem „Tripel“ raus, denn erst dann wird diese Misere für die beteiligten Komponenten auch deutlich zwingend erkennbar und behebbar.
Das setzt allerdings voraus, das man sich grundsätzlich nicht System-Verhältnisse zurechtmauschelt durch Verklärung von Systemkriterien und Systemfunktionen, z.B. zu „geschlossenen“ Systemen im sozialen Verständnis (bei v. Förster wohl informationell geschlossene, bzw. operativ …).
Wir wissen inzwischen:
– Es gibt KEINE Dualität M-M (Materie – mind)
– es gibt nur Systeme
– alle Systeme sind (mehr oder weniger) dynamisch, unabhängig von deren Bezeichnung in diversen wissenschaftlichen physikalischen Vergangenheiten, da auch die früher als „statisch“ bezeichneten auf der microebene in ihren Teilen sich nur durch permanente Bewegung und Energie- wie Informationsaustausch in der Eigeninformation als dieses „statische System“ erhalten können.
– Es gibt keine GESCHLOSSENEN Systeme, da jedes System Teil eines anderen und Nachbar eines anderen sowie voller eigener Subsysteme ist, sowohl in aufsteigender, in absteigender oder paralleler Betrachtung, alle Systeme haben folgedessen mindestens Zwangsschnittstellen (wenn du so willst : auch Sollbruchstellen, etwas drohender formuliert), die nicht aufhebbar sind, da ansonsten das eigene System SEINE Charakteristik verliert und zu einem anderen wird, untergeht (implodiert) oder in einem benachbarten oder übergeordneten aufgeht und nicht mehr betrachtbar als dieses System ist (Man denke im sozialen Bereich an die Implosion des Versuchs eines „geschlossenen Systems DDR“ etc.)
Wer also sich diesen elementaren systemtheoretischen Erkenntnissen widersetzt und willkürlich systemfremde Systemkriterien wie „operationell geschlossene“ seinen Überlegungen voraussetzt oder „unterschiebt“, darf sich nicht wundern, wenn ihm auf diesem Weg die betrachteten Systeme ALS SOLCHE abhanden kommen und er letztlich Ergebnisse präsentiert, die nicht dem ursprünglich betrachteten Systemen zu zuordnen sind, da diese sich in dieser Theorie (ein Denkgebäude, mehr ist es nicht) nicht mehr finden und beobachten lassen sondern eine andere Erscheinung, die von „verstorbenen“, geklonten, amputierten oder noch unfertigen Systemen, abgeben – was deshalb keinesfalls z.B. als sozial relevant benutzbar ist.
Womit wir auch beim Grundirrtum von Luhmann wären, der (soziales) System leider nie bzw. immer nur als „beliebig vom Nutzer gestaltbar und einrichtbaren Zettelkasten“ anstatt als sich selbst organisierendes SYSTEM verstanden hat.
Das von mir „gepriesene“ Denken entspricht der Erscheinung aller Dinge als EINE GANZHEIT.
Es wird – vom spirituellen Betrachtungsteil abgesehen – in fast allen Fragen inzwischen auch ähnlich bei Ken Wilber beschrieben, wohlgemerkt hinsichtlich der Ganzheit, der nicht gegebenen Dualität von Materie und Geist und damit bezüglich der systemischen Gesamtbetrachtung und der dadurch „in Selbstorganisation der Systeme“ entstehenden Emergenzen …
Kelbys Einbeziehung der spirituellen (oft fälschlicherweise in die Nähe von esotherischen bzw. theosophischen Vorstellungen gerückten) Positionen halte ich lediglich für ein dazu hervorragend passfähig definiertes Zugeständnis an gegenwärtige spezielle tagespolitische nordamerikanische Lebensformen bzw. an die gegenseitigen Glaubensdiffamierungen der großen Religionen, um deren diese Fragen verschüttende starren Missionsbedürfnisse mit ihren Alleinherrschaftsansprüchen zu deckeln – sie rechtfertigen nun mal weder Krieg noch Druck, weder Behinderung von Wissenschaft, von Risiko oder Neugier darauf, wie ich Kelbys in alle Richtungen äußerst risikovolle vorrangige „faustische“ Sicht glaube zu erkennen –
womit wir das Thema dieses blogs wohl nirgendwo verlassen hätten.
@Lusru – Die vielen Fässer hast Du nun aufgemacht, nicht ich: denn ich bin hier im Blog von Kusanowski stillschweigend davon ausgegangen, unter Luhmann-Kennern und -Bejahern zu sein. Ich habe auch nicht Zeit, Lust und Ausdauer, hier auf dieser Bühne ein spezielles Luhmann-Seminar zu halten, um zum Beispiel die nicht überbrückbare Differenz zwischen dem Sender/Kanal(Rauschen)/Empfänger-Model der Technik, (mit dem Techniker arbeiten können – und dürfen selbstverständlich), und der vollkommen anders gelagerten und anders aufgebauten und ausgebauten Kommunikationstheorie des Verstehens à la Luhmann im besten Sinne des Wortes „zu vermitteln“. Es gibt hierzu keine „Mitte“ und auch kein Medium für die Übersetzung.
Wenn ich, der „Sender“ im technischen Übertragungsmodell, die Kraft und die Fähigkeit hätte, mein „Verstehen“ des Gesagten zu übertragen in Dein geschlossenes Gehirn, dann gäbe es ja keine Missverständnisse. Aber ich kann fremde Gehirne – wie jeder – nur „irritieren“ und muss hilflos abwarten, als kommunizierender ALTER, wo EGO als mein Kommunikationspartner im konkreten Fall andockt an der von mir gesetzten Differenz zwischen „meiner“ Information und „meiner“ gewählten Mitteilung(sform). Und aus dieser Differenz, die von jetzt ab die Differenz von EGO ist, (der zum Alter wird, wenn er auf seine Weise anschliesst und mich nun zu dem korrespondierenden Ego macht in der neuen Runde des Versuchs eines kommunikationstheoretischen „Verstehens“), aus dieser Differenz kommt keiner wieder heraus. Denn ein „Gesagtes“ ist KEIN Gesagtes, weil ein kommunizierter und auch kommunikabler „Sinn“ nur entstehen kann durch das zweite „Gesagte“, eben durch den Anschluss. Und über diesen Anschluss – als „Verstehen“ – den entscheidet eben einwandfrei doch nur immer der Hörer oder eben – wie in unserem Falle der Leser – also DU: Wo ich dann anschliessen werde (oder eben nicht), das ist dann der nächste Schritt im unendlichen Spiel der Kommunikationen.
Um hier Übereinstimmung wenigstens im Procedere zu gewinnen, da hülfe auf Deiner Seite wohl nur Luhmannlesen. Denn diese beiden Kommunikationstheorien, die technische und die von Luhmann, sie stehen – wie Luhmann sagen würde – „orthogonal“ und praktisch und theoretisch nicht vermittelbar einander gegenüber. Das war ja gerade das Neue der Luhmann’schen Kommunikationsbeschreibung als diese erwähnte Triade aus Information/Mitteilung/Verstehen, dass damit der Irrtum des technischen Übertragungsmodells im Sinne eines sozialen Verstehens „gestorben“ war.
@Kusanowsky und andere:
Rasante Fairnes:
Im gleichen eingangs von Kusanowsky zitierten Faz-Artikel finde ICH u.a. auch das hier zum Thema:
„… In Berufungskommissionen wird, gerade von Jüngeren, „gute Vernetzung“ als Ausweis wissenschaftlicher Qualifikation gewertet. Was eine solche Vernetzung genau bedeutet, hinterfragt man nur selten.
…
Entscheidend ist die Tatsache, dass die betreffenden Bewerber über vielfältige Kontakte verfügen, die bei der Beantragung künftiger Drittmittelprojekte und bei der Sicherung strategischer Perspektiven eine wesentliche Rolle spielen. Individuelle und institutionelle Karriereplanung ist an diesem Punkt in einem Missverständnis befangen. An den Platz sachbezogener Neugierde tritt das Selbst-Marketing, das von externen Zwecken beherrscht wird.
…
Netzwerke sind als Formen der Forschungskooperation unabdingbar für die Wissenschaftsorganisation. Aber Vernetzung ist nur ein Werkzeug zur logistischen Entwicklung, ohne aber schon Erfolgsgarant zu sein. Wissenschaftler, die individuelle Vernetzung bereits für gleichbedeutend mit Steigerung ihrer Forscherqualifikation halten, verwechseln Strategie mit Taktik.
…
Frühzeitig wird hier die Erwartung genährt, dass Netzwerkbildung im Zentrum der Karriereplanung zu stehen habe. Doktoranden, die Publikationen nach rein taktischen Gesichtspunkten anlegen, Zitierkartelle bedienen und frühzeitig „Networking“ im Sinne eines Aufbaus von Laufbahn-Agenturen bilden, sind keine Seltenheit.
…
Jungen Wissenschaftlern wird dabei suggeriert, dass man überall präsent und dauerhaft ansprechbar sein müsse. Wie die Etablierten organisieren die Junioren Tagungen mit den „richtigen“ (also einflussreichsten) Kollegen, verabreden wechselseitig Rezensionen ihrer Arbeiten und praktizieren systematisch Zitatpolitik. Rein quantitative Forschungsmessung und der Fetisch der Sichtbarkeit drohen alle anderen Qualitätskriterien zu verdrängen.
…
… obgleich das Erkenntnisziel zunächst ein ganz anderes war. Vorgänge der Klimaentwicklung, geologische Konstellationen und molekulare Fundamente der Biodiversität werden über Zufälle erschlossen, nicht über strikte Planung.
…
Das eben ist das Geheimnis erfolgreicher Grundlagenforschung: dass sie Spielräume für produktive Irrtümer, Assoziationen und Korrekturen bietet. Wissenschaftliche Institutionen müssen Kreativität durch eine Kultur der Entschleunigung unterstützen, die das Prinzip des Zufalls als integralen Bestandteil des Forschungsprozesses anerkennt.
…
Der mit den Mächten der Hölle verbündete Faustus wird am Ende, nach 24 Jahren, vertragsgemäß vom Teufel geholt, der seinen irdischen Leib zerfetzt und seine Seele ins Feuer schleppt.
…
Heute, vierhundert Jahre nach der „Historia“, haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Zum Teufel geht die Wissenschaft nur, wenn sie mit der Taktik paktiert, statt ihre ursprüngliche Aufgabe, Erkenntnis aus Neugierde, ernst zu nehmen….“
So weit der Faz-Autor Prof. Alt.
Es ist an der Zeit, spätestens hier an dieser Stelle dem Kusynowsky mal Dank zu sagen dafür, daß es ihm – wie auch in diesem Fall – so oft und gut gelingt, Brisanz aus unserem Leben in unser Bewußtsein zu schmeißen …
Ist er somit nun „durch das Pflegen einer alten Sünde, der Curiositas“ (prof. Alt ebenda), auch ein(e) Faust, ein Gelehrsamkeitsrisiko für VerRaufUndRunterNetzte, für populistisch gegeelte „faustlose“ pappige Karrieristen, die ein Paper nach dem anderen ohne Schwangerschaft gebären und diese untereinander inzestiös gegenseitig netzig statt fetzig in ihre so deformierte Öffentlichkeit bugsieren?
„Die vielen Fässer“ – richtig, habe ich nun aufgemacht, nicht ohne (faustischem Neugier-Risiko) Grund:
„Luhmann-Seminar“ – Richtig, geht nicht, solange Information als Kommunikation vertstanden wird und umgekehrt, und gelegentlich gern auch mal beides gleichgesetzt wird – wobei dann spätestens in dieser Situation die Schwierigkeit der Mißverständigung ins Gesicht springt.
Das hat bis hier nichts mit einem „technischen“ und einem anderen Modell zu tun, sondern ausschließlich damit, daß Herr Luhmann nicht verstanden hat, was Information ist und alles für Kommunikation hält. An keiner Stelle hat er Information präzisiert (er hält das wohl wie im Boulevardblatt für MITTEILUNG), geschweige deren elementare Funktion in jedem System. Das gilt in der Folge auch für „System“.
Statt dessen „konstruiert er sich seine eigene „geschlossene“ Denke und ist gezwungen (da er ja Funktion von Information da schon verbeutelt hatte), eine eigene Begrifflichkeit zu entwickeln und benutzt dazu frank und frei bereits existierende und vorgeprägte Begriffswelten, so daß das Durcheinander bei einer – jetzt: – Kommunikation keinerlei erquickliche Information mehr erlaubt, ohne daß Sprache Luhmannsch erlernt wird.
Das Leben spricht dieses Künst-Srech nicht und versteht es erst recht nicht. Da Denken bekanntlich nur in Sprache möglich ist, erübrigt sich jeder weitere Kommentar dazu, hat sich somit auch was mit „Denkmodell“, z.B. „operationell geschlossener Systeme“, der Brachial-Vergewaltigung der Natur, deren Geist (Information) negiert und abgerissen wird von seinen (Mit-)Bestandteilen.
Wir wissen nicht, was und wie Bewußtsein ist. Luhmann nicht und alle anderen auch nicht.
Allerdings wissen die meisten, die sich damit beschäftigten, daß Bewußtsein kaum identisch ist mit Geist oder Gehirn, daß es jedoch nie allein spazieren geht, niemals, daß es existieren muß wie andere Erscheinungen in unserer Welt: als EMERGENZ von System. Das ist das Einzige was wir inzwischen wissen.
Wollen wir mehr dazu wissen, z.B. zum „sozialen Bewußtsein“, sollten wir uns wohl mit dieser Emergenz-Grundlage SYSTEM sehr genau beschäftigen, und da im Besonderen mit dem wesentlichsten funktionellen System-Phänomen INFORMATION, in der Folge mit deren Wahrnehmung und Übermittlung / Verarbeitung …. (Kommunikation).
Da nun Luhmann auch mit diesen Begriffen schlampig hantiert und einen Zettelkasten bereits als ein System behandelt und seine so gesammelten diesbezüglichen Erkentnisse simpel auf komplexe lebende selbstorganisierende Systeme stülpt, erhebt sich die Frage, wer hier technizistisch (nicht: technisch) vorgeht und was damit anzufangen sein könnte.
Solche Verfahrensweisen sind im wissenschaftlichen Bereich generell kontraproduktiv und begrenzt in der Nutzbarkeit. Daher ist Luhmann, nach einigen Versuchen, für mich nur sequentiell und nach Übersetzung in Denksprache, sprich Entfernung der speziell von Luhmann zu erfinden gemußte Kunst-Sprache vom Umfang eine gesamten Lexikons, von Interesse.
Alle wissen. daß er schlampig in seinen Bezeichnungen umging und DESHALB laufend neue Begriffe definieren mußt, weil sonst nichs mehr gestimmt hätte von dem Gesagten.
Wenn ich zu faul bin, Vorhandenes richtig zu verarbeiten, kennen zu lernen und einzuarbeiten, erfinde ich auch manchmal „neue“ Begriffe und entziehe mich damit der Verantwortung, falls mich jemand verstanden haben sollte …
Insofern stimme ich dir auch zu, daß mit einem auf solche Weise willkürlich konstruierten „Kommunikationsmodell“, das sich erlaubt, seine Gegenstände rein virtuell und fern der Existenz realen Lebens anzusiedeln, sprich im Widerspruch zu jedem Systemverständnis, kein Anschluß an Wissenschaft und im Besonderen nicht in der Welt des Sozialen, zu finden ist.
Besonderer Irrtum ist die Unterstellung einer so zwangsformulierten „Geschlossenheit“ eines Systems, einer längst verworfene Vorstellung aus der Anfangszeit der Systemtheorien.
Du sagst
„diese beiden Kommunikationstheorien, die technische und die von Luhmann, sie stehen – wie Luhmann sagen würde – „orthogonal“ und praktisch und theoretisch nicht vermittelbar einander gegenüber. Das war ja gerade das Neue der Luhmann’schen Kommunikationsbeschreibung als diese erwähnte Triade aus Information/Mitteilung/Verstehen, dass damit der Irrtum des technischen Übertragungsmodells im Sinne eines sozialen Verstehens „gestorben“ war.“
Das ist alles bereits in sich inkompatibel:
Das Luhmannsche Denkmodell ist eben kein Kommunikationsmodell (bzw. nur dem Namen nach) und das von dir erwähnte „technische“ ist tautologisch und unverstanden interpretiert. Eine technische Technik gibt es nicht.
Eine Kommunikation ist REINE Technik (dual betrachtet: Als Fertigkeit und Verfahren wie auch als körperliches Sender-Kanal-Empfänger-Modell: TECHNIK), eine „technische Kommunikation“ ist daher nonsens.
Die bewußte sogenannte Triade „Information/Mitteilung/Verstehen“ ist ein Mischi-Maschi aus INFORMATIONSTHEORIE (nicht aus der fälschlicherweise gegen den Willen des Schöpfers auch so benannten Shannonschen, die eine KOMMUNIKATIONSTHEORIE ist, wie er selber darauf besteht), also aus der Theorie zur INFORMATION (Information), aus dem Journalismus (Mitteilung) und aus den Sprachwissenschaften – und nichts davon hat Anschluß zueinander.
Selten gröberen Müll gehört.
Im Übrigen legt diese „Triade“ sich selbst voll auf das rein technische Sender-Kanal-Empfänger-Modell und erlaubt damit die Behandlung des Begriffes „Verstehen“ nur im Sinne des TECHNISCHEN ERKENNENS, nicht jedoch im Sinne des informationellen Begreifens – was er (L.) aber gern hier gemeint hätte.
Es hat keinen Sinn, solche eine Stümperei weiter zu verfolgen, solange sie nicht von den“speziellen“ Luhmannsch-verliebten verwurschtelten Wort- und Begriffsschöpfungen bereinigt vwurde.
Im Übrigen sind die von dir und von mir bisher hier genannten Modelle nicht mein Modell.
Ich habe im Gegensatz zu Luhmann, ein systemisches Verständnis, das sich an den Entstehungs-, Erhaltungs-, Entwicklungs- und Untergangsbedingungen eines Systems, also an seinen Bewegungskriterien, orientiert und in das auch Teile Luhmannscher Sozialtheorie integrierbar wären, jedenfalls die, die daraus überhaupt relevant sind und nicht sein drumherum konstruiertes schiefes Haus, mit dem er den eigentlichen Fragen ausweichen will, da er sie nicht verstanden hatte oder nicht beschreiben wollte.
Was meinst du, lieber Dieterbohrer, woher Luhman weiß, daß „mein Gehirn“ „geschlossen“ ist? Größeren Käse habe ich nicht gehört. Mein Gehirn (deins übrigens auch) ist VOR allem ANDEREN ein biologisches System – oder du hast eben keines.
Solange Luhmann sich erlaubt „Bio-“ von „-Logie“ (logos) zu trennen, hat er dann zwar separate Bausteine, allerdings entsprechen diese dann nicht dem, was er versuchte zu präsentieren: Das ist eben KEIN Bewußtsein, das ist KEIN Sozialgebilde, das sind lediglich Abfälle erloschenen Lebens, und damit kann man wohl kaum soziale Verhältnisse studieren oder beschreiben. Selbst die dunkelste Blackbox ist mehr erkennbares System, als die Luhmannschen „geschlossenen“ Bröselstücke, jedoch auch nie ein „geschlossenes System“, da sie sonst völlig wertlos wären, nicht funktionell System sein könnten, als System erlöschen würden.
Man stelle sich vor, als solch eine „geschlossene“ Erscheinung behandelt L. richtige lebendige Systeme, dich wie mich, was das wohl für Schlußfolgerungen sein mögen?
Die trickreiche Einschränkung „operationell“ geschlossen ist für das Verständnis von System gegenstandslos, es gibt sie nicht, es ist nichts anderes als der Versuch einer rein theoretischen Denkhilfe zur Dennochbenutzung der unverstandenen komplexen selbstorganisierenden Systeme und zu deren Darstellung daher untauglich.
Bevor es um einen „kommunikablen“ Sinn gehen kann, muß ein „informabler“ Sinn erstellt sein, da sich ansonsten jede Kommunikation erübrigt.
Der technische „kommunikable Sinn“ ist nicht das Ziel, er ist ein Werkzeug. Zum „Triade“-Ziel“ VERSTEHEN muß Unterschied vorhanden und wahrnehmbar sein (eine Information), muß neben der Wahl des Verbindungs- und Übertragungsmittels / Kommunikationsmittels auch die gemeinsam zu benutzende Codierung (Sprache) samt erforderlichem bereits vorhandenen Zeichenvorrat (Begriffswelt) erfolgen bei Sender und Empfänger, muß das alles kanaltauglich sein – das alles schließt ein sogenanntes „operationell geschlossenes System“ völlig aus!
Es ist unzulässig, weil damit Kommunikation zum Zwecke der Information ausgeschlossen wird und nicht hergestellt werden kann.
Jede darauf aufbauende Sozialtheorie stört Sozialität durch Fehlinterprätation.
Luhmann hätte Ken Wilber lesen sollen, er hätte sofort von vorn angefangen, er hätte verstanden, was es bedeutet, von einem Ganzen (dem System) auszugehen, ganzheitlich zu sehen, zu denken, zu konstruieren und zu theoretisieren, will sagen: zu lehren.
Der Luhmannsche Versuch einer Kommunikationsbeschreibung ist weder etwas „Neues“ noch etwas nachhaltig Verwertbares für Mensch als soziales Wesen, als soziales System.
Er ist nur der auch von anderen Stellen her bekannte krampfartige Versuch, im Scheingalopp und mit viel Hurra die Aufmerksamkeit vom selbst nicht gelösten Problem weg zu lenken und das sicherungshalber als kreative Errungenschaft auszugeben, damit das auch so angenommen wird, so funktioniert.
Manchmal klappt soetwas ja auch.
Es ist jedoch wohl schlecht verwechselbar mit der „Neugier“, dem „Risiko faustischer Gelehrsamkeit“ wie es Prof. Alt in seinem Artikel beschreibt, und eher dem Ergebnis dessen zu zuordnen, was herauskommt, wenn „Netzwerkbildung im Zentrum der Karriereplanung zu stehen habe.“ – wie es in der Gesamtheit dieser Erscheinung m.E. sehr treffend ebenda auch von Prof. Alt beschrieben wird.
Ausschnitte diese Artikels finden sich dazu ausreichend hier im blog, wie u. a. dieser gut passende hier:
„Zum Teufel geht die Wissenschaft nur, wenn sie mit der Taktik paktiert, statt ihre ursprüngliche Aufgabe, Erkenntnis aus Neugierde, ernst zu nehmen….“.
Es ist auch hier nachzutragen zu
„…spätestens hier an dieser Stelle dem Kusynowsky mal Dank zu sagen dafür, daß es ihm – wie auch in diesem Fall – so oft und gut gelingt, Brisanz aus unserem Leben in unser Bewußtsein zu schmeißen … “ –
Das geht natürlich nicht, wenn unser Bewußtsein ein „operationell geschlossenes System“ (Luhmann) sein soll: Wenn „ZU“ ist, ist halt zu, könne mer eben nix neischmeiße, kommt auch nix raus …
@Lusru – Mir ist ganz schwindlig, und ich denke, schade, dass dieser Luhmann so früh gestorben ist und somit physisch schon tot ist. So verlagerst Du Deinen Angriff in für mich nicht tragbarer Weise vom grossen Meister Luhmann auf mich, seinen allerletzten kleinen Lehrling.
Eines, ein ganz kleines, einmal vorweg: Es war mir in meiner galoppierenden Alterdemenz ums Verrecken nicht der Name Shannon eingefallen, als ich meinen kleinen bescheidenen Text schrieb. Sonst hätte ich nicht so namenlos und beziehungslos von technischem Übertragungsmodell gesprochen. Und das Shannon’sche Modell der Übertragung von Signalen, die so redundant sein müssen, dass das Rauschen im Übertragungskanal den erkennbaren Sinn des vom Sender gemeinten nicht zerstörerisch beeinträchtigen kann, muss man doch wohl ein technisches Modell nennen, schon weil Shannon Ingenieur war und er sein Modell der Signalübertragung doch wohl unleugbar ingenieurhaft und nicht biologisch gemeint haben muss. Übrigens: technische Technik mag es sehr wohl geben, denn alles, was im Shannonschen Sinne als Hardware „verlötbar“ und zusammensteckbar anzusehen ist, wäre technische Technik, im Gegensatz zu einer semantisch-begrifflichen und kognitiven geistigen Erkenntnistechnik und Sinnmethodik.
Nach dem ersten Schock: hier steht einer, der, wie der berühmte Schweizer, (dessen Name mir nun wieder nicht partout einfallen will), einer, der Lusru heisst oder sich Lusru nennt, und der mutig und tapfer seine Gedankenbrust offen und opferbereit der gesamten Luhmannwelt entgegen streckt, um alle die denkbaren und möglichen Argumentationpfeile auf sich zu lenken. Nach diesem ersten Schrecken der Bewunderung habe ich mal in meinen kleinen Zettelkasten gekuckt, (der ist nur schlicht von A bis Z sortiert und kann nicht – wie der Luhmannsche – selber denken), um wenigstens ein Zitat zu finden, das Dir recht geben und entgegen kommen soll. Gefunden habe ich einen Satz von Arno Bamme et a. in dem soeben beim VS-Verlag in Wiesbaden erschienenen Buch „Vom System zum Netzwerk“. Hier heisst es, Luhmanns Welt sei durch eine dreifache Abgrenzung bestimmt, (1) zur Natur, (2) zum Individuum und (3) zum alltäglichen Menschenverstand. Das hatte ich mir beim kürzlichen Lesen wohl notiert, weil ich wohl dachte, wieder einer der vielen, die dem Luhmann nicht folgen wollen und können. Denn es ist ja einzuräumen: Von hundert normalen Soziologen und Bindestrich-Soziologen können 95% mit dem Luhmannschen Gesellschaftsgebäude als eines menschenfreien funktionalen Systems leider nicht anfangen. Alle Nichtluhmannianer beharren eben auf Entitäten wie Handlung, (obgleich noch keinem gelungen ist, definitiv und profilscharf zu sagen und zu zeigen, was eine soziale Handlung ist). Wogegen mir Luhmanns als Handlung „ausgeflaggte“ Kommunikation immer eingeleuchtet hat), sie beharren weiter auf dem Subjektbegriff und sie glauben dann auch zu wissen, was Intersubjektivität ist.
Hier wären wir dann beim „offenen“ und „geschlossenen“ (operativ geschlosenen) System oder Gehirn. Aber Luhmanns Gesellschaftsbegriff stützt sich ja nicht auf das oder auf die Gehirne, sondern er stützt sich ja auf eine doppelte Emergenz: (1) da ist die Emergenz des Bewusstseins auf der biologischen Basis des Gehirns. Klar: ohne Gehirn als Komplexitätsbasis kein Bewusstsein. Und klar auch, dass trotz des Jahrzehntes der Gehirnforschung bislang keiner diese Emergenz funktional erklären kann. Und (2) ist da die Emergenz der Gesellschaft, lies: Kommunikation, denn bei Luhmann sind ja Gesellschaft und Kommunikation Synonyme!. Gesellschaft, als Kommunikation, entsteht eben emergent – wie ein soziales Gesamtbewusstsein – aus dem Noise der ungezählten und unzählbaren Äusserungen der Individuen, der Menschen, der – von Luhmann so definierten – psychischen Systeme. Luhmann räumt zwar ironisch ein: „Hier zählt ein jeder Fluch der Ruderer in den Galeeren“, aber es hilft ja nicht: in der Kommunikation als Gesellschaft oder in der Gesellschaft als Kommunikation fragt kein Schwein danach, was dieterbohrer oder Lusru so von sich geben. Alles, was diese beiden in der Umwelt der Gesellschaft als kommunikativem System so sagen, plaudern, behaupten und als ihren vermeintlichen Sinn sprachlich fixiert so in die Welt setzen, alles dies ist für das Zustandekommen der Gesellschaft zunächst einfach eben nicht weiter als ein grosses Geräusch. Was sich dann hieraus und aus den anderen sieben Milliarden alltäglichen Kommunikationsbeiträgen als für den verdammt kurzen Moment der Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft als gesellschaftliche Meinung und Wissen und Erkenntnis so durchsetzt, das ist dann eben eine Frage bzw. das Ergebnis der laufenden und sich auch laufend ändernden gesellschaftlichen Kommunikation. Alles ein evolutionärer Vorgang aus kommunikativen Variationen, daraus folgenden kommunikativen semantischen und dann wieder strukturellen Veränderungen dieser so entstehenden Gesellschaft (als Kommunikation). Natürlich wird die Habermas’sche „Lebenswelt“ davon tangiert und beeinflusst, aber diese mit kommunikativen Handlungen gesättigte Lebenswelt ist eben nicht die Gesellschaft, sondern ihre Umwelt. Man nennt das den Luhmann’schen Humanismus, weil Luhmanns Gesellschaftsmodell der „Gesamtkommunikation“, (die aber keine „Summe“ des „Noise“ ist, sondern eben aus Variation und Selektion ein sich herausstellende Neues, ein Evolutionsereignis, auf das kein einzelnes psychisches System, also kein Mensch und kein Individuum einen gezielten Einfluss nehmen kann), den realen Menschen entlastet.
Damit wäre ich bei Peter Sloterdijk, der in seinen Aufsatz „Luhmann als der Advocatus Diaboli“, (was ein Freiburger Vortrag war, der beim Auerverlag auf CD dokumentiert ist), für sich und in seiner bilderreichen Sprache festgehalten hat, Luhmann sei ein kognitives Ereignis wie Gallilei, Darwin, Marx und Freud. Sloterdijk meint, und dem möchte ich mich hier anschliessen, so wie man sage „vor oder nach Gallilei“, und dem entsprechend dann auch sinngemäss „vor oder nach“ Darwin, Marx oder Freud, also immer vor oder nach diesen grossen „Kränkern“ des menschlichen Selbstbewusstsein, so müsse man eben auch sagen: „vor oder nach Luhmann“, weil Luhmann mit seiner funktionalen Systemtheorie nicht nur die Soziologie verändert hat, sondern auch die anthropologische Stellung des Menschen in Bezug auf die Gesellschaft. Sloterdijk ist damit der erste, der „Gottseidank“ sagt, wenn alle anderen jammern und bedauern, das Luhmanns Gesellschaft nun keine Gemeinschaft mehr ist und nicht mehr aus Menschen besteht. Luhmann hat dem Menschen und den Menschen einen ruhigen Platz ausserhalb der menschlichen Gesellschaft als Kommunikation angewiesen, und Sloterdijk mein, dort, in der Umwelt der Gesellschaft, sei der einzelne Mensch gut aufgehoben, weil er nun nicht mehr im Habermas’schen Sinne handelnd die Verantwortung für die Welt als Gesellschaft übernehmen muss. Die Gesellschaft als Kommunikation ist ein evolutives funktionales Ereignis, sie hat keinen Ort, sie ist nicht adressierbar, sie hat – wie auch alles in der Natur – keine Moral. Die Gesellschaft ist eben wie sie ist. Und der einzelne Mensch kann in seinem Verbesserungsstreben an ihr nur scheitern. Die Gesellschaft ist deshalb auch nicht planbar und nicht steuerbar und sie verändert sich, wenn sie sich verändert, nach den Gesetzen der gesellschaftlichen Kommunikation.
Und mit dem Luhmann-Lexikon ist es so schlimm ja gar nicht: Mit rund fünfzehn Begriffen, die in sich plausibel sind, konsistent, kohärent und konkludent, kommt man als gesellschaftsbeschreibender Luhmannianer doch ziemlich gut über die Runden. Und Luhmanns ewiger Konkurrent, Habermas, der gilt zwar als der bekannteste und grösste deutsche Philosoph und Soziologe in der wissenschaftlichen Welt, aber wer seine Werke und seine gedankliche Entwicklung kennt, der muss einsehen: Habermas hat das Spiel gegen Luhmann verloren. Und wer Habermas ganz genau liest: er ist am Ende (fast) exakt auf Luhmanns Position eingeschwenkt mit seiner wortreichen Theorie des kommunikativen Handelns.
Auf Ken Wilber gehe ich hier nicht ein; ich habe ihn gerade in einem anderen Zusammenhang in einem meiner BLOGS er wähnt: http://supersozius.wordpress.com
Zum Glück hängt Luhmanns Theorie, mit deren Hilfe man die soziale Welt und die Gesellschaft einmal vollkommen anders sieht und sehen kann, als es uns die Tradition der Soziologen immer einreden will, nicht von mir und meiner argumentativen Kraft und meiner semantischen Rhetorik ab. Sloterdik habe ich genannt, (der kein expressiver Luhmannianer ist), und Peter Fuchs, Dirk Baecker, Armin Nassehi, Rudolf Stichweh, André Kieserling, Elena Esposito und viele andere könnte ich ja auch noch nennen. Ich sage es einmal keck: wer Luhmann als einen wissenschaftlichen Trottel hinstellt, ist vielleicht selber einer. Und merke: Plausibilität ist in der Welt der Semantik und Kommunikation stets leicht zu haben. Plausibilität selber sagt noch gar nichts. Das Urbeispiel der allen einleuchtenden Erde als einer Scheibe spricht hier ja Bände. Plausibel erscheint in der Sprachwelt als unserer Gedankenwelt vieles. Und jeder weiss: die Wissenschaftliche Wahrheit von heute ist der anerkannte Irrtum von morgen. Soweit und so gut. Für absolute Skepsis ist deshalb ja weit und breit noch kein Grund. Wenn es Postmodern schick ist, zu sagen á la Feyerabend, „anything goes“, dann hat Luhmann dem entgegengehalten ein klares Nein mit dem stark einschränkenden Zusatz: „es geht nur, was geht“. Und Subjekt, Objekt, Intersubjektivität, Konsens durch den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“, das alles geht eben kognitiv und erkenntnistheoretisch nicht mehr. Die Welt und die Gesellschaft, sie sind eben nicht weiter als ständig sich wandelnde Beschreibungen von Beschreibungen von Beobachtern, die Beobachter beobachten. Wir sind eben erkenntnistheoretisch arme Würstchen.
Wir sind eben „erkenntnistheoretisch arme Würstchen“ – Auch Luhmann? Oder Kapitulation vor ihm?
Diese deine Ausführungen, lieber Dieterbohrer, lesen sich gut:
Leidenschaftliche kenntnisreiche Sprache, ein anscheinend kurz oberhalb des Lebens angesiedelter Standpunkt voller faustischer Finesse („Wir arme Würstchen können – und müssen – zwar kommunizieren, allerdings ohne zu kommunizieren und ohne zu informieren, denn wir wissen nicht, was das ist, können – da gesclossen – nichts adressieren, was Kommunikation ausschließt, sonst fänden wir uns ja wieder in einer Welt, die Eine Welt ist usw. usw.).
Mit Verlaub, auch Peter Sloterdijk, bzw. die Erwähnung seines Namens oder seiner Worte flößt mir – Nichts – ein.
Ich mochte ihn und lauschte vor vielen Jahren, was er da so meinte. Nachdem ich das auch halbwegs verstanden hatte und feststellte, daß sich da einer im leeren Kreisel dreht und dem immer neue Aspekte abgewinnen möchte obwohl er gerade bewiesen hatte, daß es keine geben kann (leergebrannt?), fragte ich mich nur noch, ob man für andere Philosophen nicht auch eine ABM machen könnte, es hätten diese dann auch so viele andere verdient. Gute Phillologie ist eben noch keine Philosophie.
Namen sind bekanntlich Schall und (wenn es gut geht) Rauch, ansonsten ist das Stellen des einen Namens zwischen andere (bereits als markant bekannte) kein Argument, erst recht nicht im Sinne eines faustschen Gelehrsamkeitsrisiko, wohl eher das Gegenteil davon.
Als Luhmanns „seinen allerletzten kleinen Lehrling“ (dachte ich mir schon: allerletzten) sei es dir jedoch verziehen.
Außerdem ist ein adressiertes Argument an dich weder ein Angriff noch eine beobachtete Beobachtung eines Beobachters, die einem nicht existierenden und damit nicht adressierbarem aber operativ geschlossenem Gehirn kommunikabel vorgelegt wird (übermittelt geht nicht, da nicht adressierbar weil geschlossen), es ist nur ein Argument, hingestellt und allein gelassen, in der Hoffnung, daß es jemand an die Hand nimmt …, eventuell kommt doch mal ein nicht geschlossenes Bewußtsein vorbei.
Schon gar kein Angriff auf Tote, das wäre faustischer als faustisch, sehr wohl aber – zugegeben – reichlich riskante Frage.
In Verbindung mit der Theorie von Shannon von Hardware als das „Verlötbare“ zu reden ist irgendwie mit Gummibärchen schmeißen, es macht Spaß aber bringt nichts, weil falsch. Der Mann war Mathematiker!
(Als jemand, der auch mal einige Zeit als Löter ein Zubrot verdiente, kenne ich diesen Unterschied sehr wohl)
Deinen Lapsus mit der „technischen Technik“ klären wir eventuell ein anderes mal, wenn wir möchten, und uns mit dem dualen Charakter von TECHNIK (techne) als Fähigkeit / Fertigkeit und als solche gegenständlich geronnene beschäftigen sollten.
Zum Shannon und der ihm zugeordneten INFORMATIONSTHEORIE (weil man seinerzeit allgemein erkannt hatte, daß überall EINE solche benötigt wurde) ist nur zu sagen, daß er selbst (gegen damalige und noch immer erhebliche Anzahl heutiger Leute) darauf bestand, daß es keine solche, sondern N U R eine KOMMUNIKATIONSTheorie sei, warum wohl „nur“? ER hatte sich mit dem Verhältnis INFORMATION -KOMMUNIKATION BESCHÄFTIGT!
Luhmann nicht, der spielt aber auf diesem fälschlicherweise zu seiner (Blüte-)Zeit allgemein „Informationstheorie“ genannten Instrument, und als das nicht aufgeht, macht man (zur Darstellung von Informationsfragen!) eine „spezielle Kommunikationstheorie“ daraus, was in gewisser Weise nachvollziehbar ist, denn Luhmann beschäftigt sich ja auch nicht mit INFORMATIONEN, da ihn nur die Verbindungen und deren Quantitäten und Qualitäten interessieren, er versuchte diese in die Wertigkeit der INFORMATION und deren Qualitäten / Quantitäten zu pflanzen, was schief ging und nur Bestand gehabt hätte in einem „Haus ohne tatsächliche Informations- und SYSTEM-Funktionen“ (sprich ohne Sozietät, ohne Gesellschaft, ohne Mensch), also: Ein solches KONSTRUIEREN und als Spezielles Luhmannsche Kommunikationssystem bezeichnen.
Das Dumme daran ist, daß Luhmann samt seiner Jünger allen Alters meint, genau damit könne er das (Soziale) beschreiben, was er zuvor ausgeschlossen hat …
Das gelingt nur dem, der noch nicht erfaßt hat, was SYSTEM ausmacht, folgedessen Kommunikation bereits als System verstehen will und auf die Frage nach der INFORMATION nur noch an die Decke starrt: Keine Antwort, keine Lösung (aber im Kopf abgeschlossene Geister hat).
Die zwangsläufige Folge ist der Versuch, GESELLSCHAFT auf GLEICHSETZUNG mit KOMMUNIKATION zu reduzieren und damit zu basteln.
Was machen nur die vielen anderen sozialen (und nicht sozialen!) Systeme, die uns umgeben oder ausfüllen, die deen Luhmann ja wohl kaum verstehen??
Du hast, lieber Dieterbohrer, in deinem letzten Text 17 x den Begriff Kommunikation bzw, kommunikativ usw. benutzt.
Eventuell können wir beide uns besser austauschen, wenn ich von dir erfahren könnte, was du (versus Luhmann) wohl darunter verstehst, in allgemeingültigem Sprech formuliert, wenn du möchtest auch wissenschaftlich. Aber bitte nicht wieder Luhmann mit Luhmann erklären – das macht der selber zur Genüge.
Nicht vergessen:
„.. die Wissenschaftliche Wahrheit von heute ist der anerkannte Irrtum von morgen.“ – hoffentlich! Das ist nicht der Mangel daran, sondern das Geheimnis des faustischen Risikos, der Neugier nach NEUEM, die Gier nach Neuem!
Was sagt uns nun dies im Geiste dieses blogs? – Nur wer „wissenschaftliche Wahrheit en mass produziert hat die Chance, dies als Irrtum aufzuklären (damit die „Wahrheit von morgen“ / „Irrtum von übermorgen“ zu finden), hier liegt das Risiko faustischer Gelehrsamkeit und die Chance in Form der Neugier ineinander, in Permanenz des Zweifels.
Die Luhmannsche Systemtheorie, eine Theorie ohne System, war (das „Neue“ von) gestern, inzwischen als Irrtum von gestern im Heute angekommen.
Nicht die Reduktion auf Kommunikationsvisionen ohne Mensch, die holistische Sicht von mit um und auf Mensch schafft den immer eifrig benötigten
„Irrtum von morgen“.
Also, wenn weiter, sag was zu DEINEM (Luhmannschen) „Irrtum von morgen“ betreffs KOMMUNIKATION, eventuell auch zur INFORMATION und deren Funktion??
Belohne deine – meine – unsere Neugier, unser Risiko auf faustische Gelehrsamkeit zu diesen beiden Phänomenen.
[…] aufgefangen werden, sondern bleiben vorerst gebunden in einem akademischen Prekaritat, das sich um Vernetzung bemühen muss, weil die Günstlingswirtschaft eines Professorenhofes nur sehr wenige Keimzellen zu […]
@Lusru – was wird mir nun wieder angesonnen: „ein kurz oberhalb des Lebens angesiedelter Standpunkt“ und dann auch noch „voller faustischer Raffinesse“?
Also was faustische Raffinesse sein soll, weiss ich schon einmal gar nicht. Nie hätte ich meine „Seele“ an einen Alleskönner verpfändet, nur damit der mir das Verweilen am schönen Augenblick ermöglicht! Mitnichten, denn ich bin schon immer froh, wenn der schöne Augenblick vorbei ist und damit für einen neuen Anlauf Platz wird. Also die faustische Raffinesse lassen wir mal hübsch beiseite.
Was wäre denn nun ein kurz oberhalb des Lebens angesiedelter Standpunkt? Was Leben ist, das zu sagen – geschweige denn zu wissen – ist ja schon nicht gerade eine der einfachsten Übungen. Schrödingers aperiodischer Kristall gilt zwar heute allgemein als die geniale Vorwegnehme der viel später dann entdeckten, und noch später als Faktum entschlüsselten, DNA-Struktur, aber das hilft ja keinem Lebenden zu leben, weil es schwerlich ein Standpunkt ist, auf dem man stehen kann.
Als ich noch mit Skinner Ratten schikanierte und ihr Verhalten beobachtete, war nicht nur bald ihre verdammte und trickreiche Intelligenz klar, zumindest ihre Schlitzohrigkeit, doch eines konnte man schon für das Bemühen, das Leben zu verstehen, von ihnen lernend mitnehmen: um ihre Brut zu retten, riskieren sie Kopf und Kragen und nehmen auch fast unerträgliche elektrische Schläge in Kauf. Mutter-Kind-Bindung wäre also ein im Leben angesiedeltes Faktum.
Als ich dann mehr Geld hatte, wandte ich mich den bedeutend teureren Affen zu. Die Einsichten ins Leben waren die gleichen: Für die Kind-Mutter-Bindung riskieren nun die Affenbabys ihrerseits Kopf und Kragen, lassen alles stehen und liegen, sogar trotz nagendem Hunger sogar das unentbehrliche Essen, nur um die Mutter zu erreichen und sich fest an sie zu schmiegen. Leben heisst also wohl weniger Leben, als vielmehr geborgen sein: an der Mutter oder eben in der Gesellschaft.
Falls solche Bemerkungen nun immer noch oberhalb des Lebens angesiedelt sein sollten, es soll ja Leute geben, denen es keiner recht machen kann, dann müsste ich mir klar machen und vor Augen halten: Leben ist Stoffwechsel und Fortpflanzung. Stoffwechsel ist ordinär aber unverzichtbar, Fortpflanzung ist zwar auch ordinär, aber wenigstens modulationsfähig, weil man die Lust von der Last trennen kann.
Was lernen wir daraus? Ego ist nicht lebensfähig ohne Alter. Und Selbstverwirklung, (wenn man nur genau wüsste, was das sein soll), nicht ohne die liebegebundene oder aushilfsweise machtbasierte Indienstnahme der Ressourcen mindestens eines anderen. Ob das schlechte Gewissen, was dann zumindest im Menschen regelmässig zu entstehen scheint, (die Ratten und die Affen haben es mir nicht verraten), eine animalische Konstante oder ein sozial andressiertes System des Verhaltens ist, vermag ich nicht zu entscheiden. So gesehen wäre dann Gesellschaft die Fortsetzung des Egoismus mit anderen Mitteln.
Wären dies nun mitten im Leben angesiedelte Standpunkte? Und was hätten wir davon? Religionsstreitigkeiten führen fundamentalistisch schnurstracks zu Bürgerkriegen und sie sind nach aller Erfahrung nicht mediatisierbar, sie müssen sich durch Ermüdung totlaufen. Den Kommunikationsdivergenzen geht es im schriftlichen Austrag anscheinend auch nicht besser: sie fangen meist harmlos an, als irgendeine bemerkte und bemerkbare Differenz, und sie weiten sich sehr schnell aus zu einem fundamentalistischen Streitsystem, das auch jeder Vermittlung zu trotzen scheint. Insoweit hatte Platon wohl doch recht, wenn er die Schrift als ein intrinsisches Lügensystem verteufelte und sich partout auf Face-to-Face-Kommunikation beschränken wollte, weil sich Nachfragen im Angesicht des Meisters sehr schnell zugunsten des Meisterstandpunktes stillstellen liessen. So bleibt gesellschaftlich den voneinander Entfernten nur der unendliche Streit mit Worten, die als Bestandteil des Systems der Sprache zu manchem zu führen scheinen, das als Verwirrung meist nur noch sehr schlecht zu entwirren ist und als Friedensgeste sich fast nie als zielführend erweist. Deshalb sind die grossen Schweiger meist die anerkannt besten Philosophen.
Ach @Lusru – kommentieren kann man das schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr. Da es hier keinen Supervisor gibt, (gottseidank), müssen wir uns eben selber helfen. Wir brauchen einen neuen Anfang. Das heisst also auch: wir müssen zunächst einmal einen Schluss machen, auch wenn es weh tut. Klar, dass wir schon lange nicht mehr korrekt beim Thema des Alt-Artikels sind. Dazu gab es einfach durch den Eifer des Schnellschreibens zuviel Bifurkationspunkte. Dieser Thread hat nun keinen eigenen Stamm mehr, es ist ein unübersichtlich verzweigter Busch daraus geworden, blinde Evolution, sieht dann aus wie ein unbekömmliches Wuchern.
Unbedingt möchte ich mich aber für die Literaturhinweise bedanken. Mal sehen, was meine Landesbibliothek davon so hergibt. Alles haben die ja auch nicht. Wer hat schon alles.
Und hinzukommt, ganz persönlich für mich: der Hinweis bei Kusanowsky auf „Zettels“ als LINK. Das habe ich angeklickt, kannte ich zuvor nicht, jetzt hänge ich drin und frage mich verzweifelt, soll ich meine rund 1.200 Karteikarten, die mir schon lange räumlich auf den Keks gehen, aber doch auch unverzichtbar sind, bei „Zettels“ neu verzetteln, um dadurch neuen Platz zu gewinnen durch opfern von kostbarer Zeit? Immer dieses Oszillieren vom perfektionistischen „Alles oder Nichts“ über das „Entweder-Oder“ hin zum „weder-noch“. Ich bin jetzt 83 Jahre alt. Und immer noch gilt: „Zwar weiss ich viel, doch möcht‘ ich alles wissen“. Doch wenn ich wirklich in mich gehe, (ein bisserl wenigstens, Selbsterkenntnis tut ja auch weh), dann wird ja doch ziemlich schnell klar: eigentlich weiss ich gar nichts. Und durch Lesen und Lernen „erlöst“ fühle ich mich auch nicht. Manchmal habe ich schon das Gefühl, ich werde immer dümmer. Das ist nicht das Gefühl des Kognitiven „oberhalb“ des Lebens, sondern das sind Bauchschmerzen mitten im Lebendigen. Der Berliner Volksmund sagt: „Vögeln und Besoffensein, der armen Leute Sonnenschein“. Und wie war das bei Gottfried Benn: „Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück“, (hoffentlich ist das richtig zitiert). So richtig dumm bin ich leider nicht, und als arbeitsloser Pensionär habe ich zu wenig Zeit, um so richtig unreflektiert glücklich sein zu können. Mir läuft die Zeit weg, und was könnte ich schon noch erreichen? Na, bitte!
Ich fürchte auch, der liebenswerte und liebenswürdige @Kusanowsky wird uns bald auf’s Maul hauen, wenn wir seinen ordentlichen und intelligenten und intellektuellen BLOG mit unseren Texten verhunzen.
Also: einen neuen Anfang bitte, wie bei den Pädagogen (es läutet, neue Runde, neue Stunde), oder beim Philosophischen Quartett: eine schlechte Nachricht, … die Zeit ist abgelaufen, …
Prima Dieterbohrer, wolljawoll. Nur wie.
Noch eine gute Nachricht:
Kusanowsky hatte mir bereits „auf’s Maul gehauen“, dann lief es aber irgendwie anders.
Machen wir eine Verschnaufpause, vorallem hier, es könnte sein, daß zum Artikel von Alt ne Menge gesagt wurde, sicher nicht zuviel – eher zu wenig, angesichts der Misere.
Und wegen dieser Misere, vor der Alt ja warnt und „rütteln“ will, bin ich auch noch hier. Gut, natürlich auch, weil dieterbohrer ähnlich „ver(ge)sessen“ sich hier platziert hat.
Werde mal eine Weile einige apollogetische schöngeistige Texte durchsehen, was brauchbar ist. Gefunden habe ich die bei einem „Partner“, einem „sozius“ …
Würde dann dort Kontakt wieder aufnehmen, oder wenn dir so ist, „schmier mir ne Stulle“ (Berlinisch, was hast du mit Berlinisch zu tun?) irgendwo hier bei Kusanowsky als „Antwort“ auf einen meiner Kommentare (das bekomme ich frei Haus).
Damit nichts anbrennt, weder bei Kusanowsky, noch bei Alt, noch bei dieterbohrer, noch bei einem geneigten Leser: Es wurde zwar viel über den Artikel von Alt hier geschrieben, auch viel „mit(hilfe) dieses Artikels“ (?!), aber das meiste „gesagt“ (informiert, im Sinne von mitgeteilt) hat immer noch Prof. Alt in seinem Originaltext. Geschliffen und poliert.
Kunststück, wenn jemand im „Sagen“, in der Sprache (besonders im Ausgesprochenen) so zu Hause ist, wie er, da hat man nicht nur „WAS“ zu sagen, da KANN man das auch, und das auch ohne Faust – welche(r) auch immer, ohne Risiko …, und ohne dem inzwischen nicht mehr ganz zu ihm passenden (Fach)Quartet, das von diesem selbst erheblich aus der Mode gekommen wurde und im Häusle fast das widerspiegelt, was Alt so stört.
Früher die Nacht damit erschlagen, inzwischen regelmäßig vergessen. So ist das nun mal mit Leuten, die nur noch sich statt andere präsentieren, die kennt man irgendwann – das war meine schlechte Nachricht dazu.
Halt: Noch eine gute: Die Zeit für dieses Quartet dürfte auch abgelaufen sein …
Nachtrag: @Lusru – weit davon entfernt, das letzte Wort behalten zu wollen, habe ich das Bedürfnis, Dir einen Text zuzuspielen, der gewiss Deine Ansicht vom offenen System des Bewusstseins und von seiner Art und Weise, kommunikativ mit Gedanken und Ideen handhabend umzugehen, stützen und bekräftigen könnte.
Bei Wolfgang Schmidbauer „Der Mensch Siegmund Freud“, Ein seelisch verwundeter Arzt, (Kreuz Verlag, Stuttgart, 2005) finde ich folgende Einsicht: „Beides zu verwerfen, das >bloße Redenbloße Einbildung<, nennt Freud kurzsinnig, denn:
(Und jetzt Freud selber): "Worte waren ursprünglich Zauber, und das Wort hat viel von seiner alten Zauberkraft bewahrt. Durch Worte kann ein Mensch einen anderen selig machen oder zur Verzweiflung treiben, durch Worte überträgt der Lehrer sein Wissen auf den Schüler; reißt der Redner die Versammlung der Zuhörer mit sich fort und bestimmt ihre Urteile und Entscheidungen. Worte rufen Affekte hervor und sind das allgemeine Mittel zur Beeinflussung der Menschen untereinander. Wir werden also die Verwendung der Worte in der Psychotherapie nicht geringschätzen."
Und so wird und sollte die alles wissen wollende faustische Wissenschaft, getrieben von einer alle Grenzen überschreiten wollenden Neugier, die Verwendung der Worte in Debatten und Diskursen nicht geringschätzen. Denn jede Mögliche Wahrheit ist ja insoweit schon längst in der Welt, scheint mir, weil die mögliche Wahrheit als eine mögliche Erkenntnis nicht mehr (und auch nicht weniger) umfassen und einschliessen und ausdrücken kann, als was die Sprache schon weiss und was in dieser wissenden ("zaubernden") Sprache schon angelegt und damit auch schon enthalten ist und nur auf die "geniale" Geburtshilfe eines neuen Blicks wartet. Wissenschaftler und damit (zaubernder) Geburtshelfer ist, wer eine Sache oder ein Verhältnis so lange zu drehen und zu wenden weiss, bis das Geheimnis nachgibt und der wahre Kern seine verhüllende Schale fallen lässt oder abstreift, damit man sehen kann, was man eben sehen kann. Das sind wohl die notwendigen und letzten Endes auch Zureichenden Bedingungen allen Forschens und einer jeden neuen Ein-Sicht als einer Hinein-Sicht des neugierigen Beobachters, der – und koste es das Leben – sehen will, was es zu sehen gibt, damit er sagen kann, was er sagen kann und was es – mit Hilfe der Sprache – am guten Ende auch zu sagen gibt.
Gut gesprochen, dieterbohrer, bravourös, ein guter Tag für dich.
Es ist wohl so, wie Information, Kommunikation und Technik hat wohl auch Sprache einen dualen Erscheinungswert:
Technik:
einmal die Fähigkeit und Fertigkeit, etwas zu betrachten, zu bewegen, zu bewerkstelligen, etwas zu KÖNNEN (auch: das WIE), zum anderen das Gerinnen dieser in materiellen Schaffungen, in Gegenständen, als Speicherung vergangener Fähigkeiten und Fertigkeiten, ein HänselundGretel-Fall, sich nebeneinander ergänzend festhaltend
Information:
einmal der Vorgang, die Tätigkeit des INFORMIERENS, zum anderen der „Gegenstand“ Information, das, was informiert und somit „bewegt“ wird: der Unterschied
Kommunikation:
einmal das Kommunizieren, das Verbinden und Austauschen von etwas (i.d.R. von Information, aber auch nur von Zeichen, Signalen oder Redundanzen, die keine Information sind) und den dazu erforderlichen weiteren technischen Vorgängen (s.o.) des Lenkens, Verarbeitens und Speicherns
Sprache:
einmal der Vorgang / die Tätigkeit des (gegenwärtigen) Sprechens, zum anderen die im gemeinsamen Zeichen-, Begriffs- und Intonations-Vorrat (auch gemeinsamer Informationsvorrat) „geronnene“, also bereits gespeicherte Sprache vorausgegangenen Sprechens. Wobei Schreiben, als „verlängertes Sprechen“, und Sprechen als „verlängertes Denken“, bereits inbegriffen sein soll und ist.
Deine Sprache bist somit zum einen immer Du, zum anderen aber auch immer „wir“, Sprache von denen vor und neben dir.
Dann dürfte das mit dem Denken nicht viel anders sein, und mit WissenSchaffen erst recht, gleichgültig ob mit oder ohne FAUST (?!).
In diesem Sinne las ich mit Genuß und Erbauung diese deine Sprache, dein Denk.
ein nicht ganz unwichtiger aber für sich stehend sollender Nachtrag zu meinem gerade GesprechSchreibDachten“:
„Deine Sprache bist somit zum einen immer Du, zum anderen aber auch immer „wir“, Sprache von denen vor und neben dir.
Dann dürfte das mit dem Denken nicht viel anders sein, …“
Weil das nun unbestreitbar seit Menschanfang, heute und auch künftig so ist, ist ein auf der „0perationellen Ebene geschlossenes System“ ausgeschlossen, es sind stets auch die „Verbindungen“ in Vergangenhei, Gegenwart und Nachbarschaft integriert – oder es ist nichts. Und diese „Verbindungen“ sind weiter wirkende Kommunikationen, und damit Informationen, sie vollziehen sich auch im „gedacht“ geschlossenen System immer weiter, auch zeitlich in die Vergangenheit hinein, aufgrund der „geronnenen“ Anteile, so daß die Geschlossenheit faktisch nicht herstellbar ist.
Es gibt keinerlei geschlossene Systeme.
[…] Codes nicht lösen können, weil die Wissenschaft das Risiko des Erkenntnisfortschritts durch das Risiko der Belohnung ersetzt hat und noch nicht reflektieren kann, das auch das Risiko der Belohnung kaum noch der Rede […]
„Alles Neue verliert sich in anderem Neuen. Jede Illusion, original zu sein, schwindet. Die Seele wird betrübt und wendet in Gedanken, zwar mit Schmerz, jedoch mit sonderbarem, der mit tiefem Mitleid und Ironie versetzt ist, jenen Millionen federbewehrter Geschöpfe sich zu, jenen zahllosen Agenten des Geistes, deren jeder zu seiner Stunde sich als freier Schöpfer, als erste bewegende Ursache, als Besitzer einer unumstößlichen Gewißheit, als einziger unverwechselbarer Quell vorkam, und er, der seine Tage so mit Mühsal zugebracht und die besten Stunden darauf verwandt hatte, in Ewigkeit eine Unterschiedener zu bleiben, ist nun durch die Vielzahl zunichte geworden und von der immerwachsenden Schar ihm Gleicher verschlungen.“
(Paul Valery, „Remerciement à l’Académie française“, in: Paul Valery, Œuvres, Paris 1971, Bd. 1, S. 731; zitiert nach: Walter Benjamin, „Paul Valery“, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. II.1, S. 386–390, hier: S. 387.)
[…] und Vermeidungssstrukturen und der darin eingelassenen Konditionalprogrammierungen der Wissenschaft nicht belohnungsfähig ist. Der Grund ist, dass die Schule ein solches Forschungsprogramm nicht nur nicht als ein ihr […]