Identität ohne Anwesenheit
von Kusanowsky
Eine korrigierte und überarbeitete Version dieses Artikels findet man hier:
https://differentia.wordpress.com/2013/01/08/glaubwuerdigkeit-authentizitaet/
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Viel interessanter ist da der Fall „Amina Abdallah Arraf“, eine syrische Bloggerin, von welcher erzählt wird, dass sie ihre Identität nur vorgetäuscht habe. In Wirklichkeit sei sie aber die Erfindung eines amerikanischen Studenten, der die Geschichte eines „Hauptmann von Damaskus“ wiedererinnert habe und mit diesem Hoax weltweite Aufmerksamkeit erregen konnte, da es gelang, durch diese Fiktion die politische Realität in Syrien authentisch zu thematisieren.
https://differentia.wordpress.com/2011/06/18/anima-identitat-und-authentizitat-als-problem-der-simulation/
Aber auch das Foppen von Politaktivisten grenzt bald an intellktuelle Kinderschändung, wenn es nur darum gehen sollte, die Gesinnungsdefizite der anderen, hier die von Feministinnen, zu denunzieren. Denn diese Identitätskonstrukte sind so banal, dass sie selbst als Zirkusnummer nicht taugen.
Über die Thauglichkeit als Circusnummer entscheidet das Publicum. Banalitäten sind immer beobachtete und beobachtbare Banalitäten eines Beobachters, das ist hinreichend bekannt. Unter erschwerten Bedingungen wie im Fall der syrischen Bloggerin gilt: Es werden hintenrum Nebenbedingungen eingeführt, die die Ausgangsbedingungen unsicher erscheinen lassen (Simulation, identity-fraud, Trollerei). Die Nebenbedingungen werden sofort als Rechtfertigung der Fortsetzung von Beobachtung gebraucht, also als neue Hauptbedingungen behandelt. So sind Anschlussbeobachtungen möglich und neue Rechtfertigungen geschaffen. Welch Glück! Das Procedere kann von vorne beginnen. Denuncierung wird ein ziemlich hartes Brot oder egal. Denn wer kann es sich noch erlauben mit dunciatorischem Gestus auf den Plan zu treten ohne sich selbst gleich mitzudenuncieren?
„Der aufmerksamkeitbindende Vorgang der habituellen Symbolisierung war in der Gutenberg-Galaxy maßgeblich auf die Präsenz des Physischen angewiesen. Ohne den Körper konnte man sich nicht sozial positionieren.“
Dazu zwei Hinweise: 1. der auf die Ausführungen Peter Sloterdijks in seiner sogenannten Elmauer Rede, worin der gesamten humanistischen Kultur eine „epistolarische Struktur“ unterstellt wird. Sie bestehe seit römischer Zeit in einer „Freundschaft stiftenden Telekommunikation im Medium der Schrift.“ Übermittlung einer Flaschenpost in wohlgesonnene Fremde. Actio in distans. Kettenbriefen und Sendschreiben, immer auf der Suche nach dem geneigten Leser. Die Präsenz von Körpern steht bereits hier in Frage. Sie fehlen als Realien, symbolisieren sich ausschließlich im idealisierten Empfänger.
Zum Zweiten, der Hinweis auf die epochale Studie von Ernst Kanotoriwitz über die zwei Körper des Königs. Die hier, obzwar auf das Mittelalter bezogene, herausgestellte verdoppelnde Autrennung der symbolischen Repräsentanz von Körperlichkeit demonstriert vielleicht am deutlichsten, dass die „Präsenz des Physischen“ möglicherweise stets zwar vorausgesetzt war, aber immer schon durch symbolische Stellvertreter ersetzt werden musste.
Dies geht dann in die Richtung einer Präsenz, die, wie Derrida sie verstanden hat, sich verspricht und aufschiebt, adressiert, aber als solche nie gegeben sein kann.