Authentizität und Originalität
von Kusanowsky
Echtheit und Einmaligkeit – Wie konnte es kommen, dass sich für die Kommunikation Echtheit und Einmaligkeit als Direktionsswerte zur Produktion normativer Vorgaben heraus stellten, wenn doch unter empirischen Gesichtpunkten beide Seiten einer Unterscheidung prinzipiell anschlussfähig sein müssen? Woher und warum konnte „Echtheit“ als das zu Gewährleistende in Erscheinung treten, wenn Fälschung jederzeit genauso erwartbar sein muss? Woher und warum das Bestehen auf „Einmaligkeit“, wenn Verwechselbarkeit gar nicht ausgeschlossen werden kann? Denn mit der Herstellung von Originalität wird ja gerade die andere Seite, also das, was durch die erfolgte Anschlussfindung vermieden wurde, mit vollzogen. Wie anders könnte man festellen, dass Originalität vorliegt, wenn nicht Verwechslung in Betracht gezogen wird? Beide Seiten der Unterscheidung müssen möglich bleiben, damit nur eine Seite für die Anschlussfindungen zur Verfügung steht.
Natürlich kann man vermuten, dass solche Routinen der Reproduktion von Direktionswerten nur gelingen, wenn sich geeignete Reproduktionen in der Umwelt von Systemen anderweitig und gleichzeitig ergeben, wodurch sich die Formfindung normativer Strukturen erhärten kann, weil die Konditionierung darauf angewiesen ist, dass für ein System nur dann etwas der Fall sein kann, wenn etwas anderes für ein anderes System schon der Fall ist.
So kann Originialität nur entstehen, wenn auch Individualität als Vorgabe erscheint, Individualität nur, wenn Exklusvität und Exklusivität nur, wenn auch Authentizität usw. So entsteht ein Verweisungsgefüge von Bedingungen auf andere Bedingungen, deren Erfüllung allerdings höchst unwahrscheinlich ist. Denn nur, wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, kann verstanden werden, dass es im Einzelfall auf Authentizität, Exklusivität, Individualität und Originalität ankäme, denn alles Nachfragen, Bezweifeln oder Definieren kann nur gelingen, wenn auf weitere Verstehenshorizonte verwiesen wird, welche selbst kein weiteres Nachfragen, Bezweifeln oder Definieren zulassen. Man kann erst dann etwas plausiblisieren, wenn immer schon etwas anderes als plausibel verstanden wurde, wodurch sich schießlich die Bedingungen gegenseitig schützen und sich dann auch zirkulär aufeinander beziehen. Man kann das eine nicht ohne das andere verstehen.
So kann es dann auch passieren, dass, wenn in einer solchen Kette der Verweisungen ein Glied an Plausibilität verliert, alle anderen ebenfalls überprüft werden müssen. Und man kann annehmen, dass eine solche Fraglichwerdung nur gelingt, wenn alles andere auch schon fraglich geworden ist.
Ein Beispiel findet sich in diesem Artikel bei heise online: „Die einsame Originalidee“ von Peter Glaser. Dieser Artikel zeigt, wie die Digitalisierung auf bekannte Unterscheidungsroutinen erodierend wirkt: wenn die Unterscheidung von Original und Kopie nicht mehr durchhaltbar ist, so zeigt sich, dass auch andere Unterscheidungen nicht mehr funktionieren, etwa die von Produzent und Verbraucher. Denn eine digitale Operationsbasis der Kommunikation lässt nicht mehr erkennen, dass etwas verbraucht würde, was dann auch fraglich werden lässt, wer denn eigentlich etwas produziert hätte.
Man kann diesem Artikel aber auch entnehmen, wie schwer es fällt, sich von solchen Unterscheidungsroutinen zu lösen, was man daran erkennen kann, dass etwas ähnlich Unwahrscheinliches als Konsequenz ernsthaft erwogen wird: „Und wenn die Entwicklung abhängig ist von den kleinen Unterschieden beim Kopieren, dann führt die digitale Kopie in ihrer Perfektion vielleicht zu einem gefährlichen Stillstand.“ Das ist höchst unwahrscheinlich und eigentlich außerhalb empirischer Möglichkeiten. Aber trotzdem kann es kommuniziert werden.
Dass dies gelingt, liegt an der Verwendung der Dokumentform.
Siehe dazu auch:
Das Plagiat – ein akademisches Kulturgut
„„Die einsame Originalidee“ von Peter Glaser. Dieser Artikel zeigt, wie die Digitalisierung auf bekannte Unterscheidungsroutinen erodierend wirkt: wenn die Unterscheidung von Original und Kopie nicht mehr durchhaltbar ist, so zeigt sich, dass auch andere Unterscheidungen nicht mehr funktionieren, etwa die von Produzent und Verbraucher.“
In der Tat macht der Text deutlich wie man mit einem unzureichenden Begriffsapparat in eine Sackgasse geführt werden kann. Die Schlussfolgerung erscheint zwar im Rahmen der verwendeten Begriffe durchaus konsequent, aber die Frage ist doch, warum die Schlussfolgerung in Bezug auf soziokulturelle Evolution trotzdem Unsinn ist.
Antwort: Weil in dem Text von Glaser nicht zwischen Mitteilung und Information unterschieden wurde. Glaser macht eine Aussage, die sich auf die Mitteilung also den Informationsträger bezieht, aber nicht auf die Informationen, die kommuniziert werden.
Ob die Verbrauchsmetapher jemals eine adäquate Beschreibung von Kunstrezeption war, sei mal dahingestellt. Verbrauche ich ein Bild, wenn ich es anschaue? Und ist es dann irgendwann aufgebraucht, also weg?
Viel wichtiger wäre zu klären, ob es sich beim Kopieren (einer Datei) überhaupt um Kommunikation handelt. Dabei geht es nicht um Imitation sondern um Vervielfältigung des Selben. Für’s Kopieren ist es unerheblich, ob es sich um eine Bild-, Musik-, Video- oder Textdatei handelt.
Insofern ist es einleuchtend, dass Glasers Text ein Beleg dafür ist, dass „Digitalisierung auf bekannte Unterscheidungsroutinen erodierend wirkt“, weil der Text selbst die bezeichneten Unterschiede nur kritisiert ohne sich darüber klar zu werden, wie Kommunikation noch funktionieren könnte, wenn diese Unterscheidungen nicht mehr funktionieren. Dass er das nicht bemerkt kommt durch die Verwendung der Dokumentform? Was bei der Internetkommunikation im allgemeinen nicht mehr möglich ist?
@Blindenhund „Dass er das nicht bemerkt kommt durch die Verwendung der Dokumentform?“ Ja, das jedenfalls ist die These, die ich in diesem Blog durchprobiere. Meine These lautet, dass sich die operative Basis der Internetkommunikation nicht mehr länger auf das rationale Handeln (und Denken) von Menschen verlassen kann. Dass eine solche Verlässlichkeit – wie immer man die damit verknüpften Irrtümer behandelt wissen möchte – entstehen konnte, liegt an einer spezifischen Form der Gewinnung und Formierung von Erfahrung, die in der Evolution einer funktional differenzierte Gesellschaft als Medium zur Verkoppelung aller sozialen Systemtypen benutzt wurde. Dadurch erschien für die Fortsetzung der Kommunikation eine gemeinsame Basis geschaffen zu sein, die für alle Irritationen einen ausreichend belastbaren Zurechnungsanspruch liefern konnte. Dieser Auffassung zufolge steht am Anfang und am Ende der Menschen, als rational verursachende und moralisch verantwortende Instanz. Plausibel konnte dies nur werden, wenn unter Verwendung eines indexierten Beobachtungsschemas alle – und zwar tatsächlich alle – Defizite und damit die Gründe für das Scheitern fremdreferenziert werden können. Das Beobachtungsschema lieferte das Dokumentschema, das für alle Anforderungen an Referenzierbarkeit geeignete Unterscheidungen vorgab, welche, sobald sich ihre Brauchbareit normativ erhärtete, die Dokumentform gleichsam auswarfen, durch welche – wiederum fremdreferenziert – auch diejenigen Beobachtungsdefizite einer Behandlung nach dem selben Schema unterzogen wurde, die sich durch die Benutzung dieses Schemas ergaben. Die Gewährleistung des Zirkels geschah durch funktionale Differenzierung, welche für die Unzugänglichkeit der jeweiligen Kommunikationsoperationen sorgte.
„Viel wichtiger wäre zu klären, ob es sich beim Kopieren (einer Datei) überhaupt um Kommunikation handelt.“ – Diese Bemerkung zeigt, worin die Brauchbarkeit der Dokumentform und ihr evolutionärer Gewinn liegt. Damit gelingt es nicht nur, Beobachtungsdefizite („unzureichender Begriffsapparat“) festzustellen, sondern auch Rangfolgen und Prioritäten zu ermitteln, um die „Ideologie der Einheit“ zu retten, hier etwa, in dem durch Abarbeitung von Prioritäten Klarheitsgewinnung in Aussicht gestellt wird. Nicht, dass dies jemals in dem Maße gelungen wäre, dass man mit der Welt zufrieden die Kommunkation einstellen könnte. Allein, man versucht es immer wieder. Es fallen immer genügend Defizite an. Und die Frage wäre, ob die Erwartung emprisich wird, die solche Aussichten fallen lässt.
Die Internetkommunkation schafft aber wohl nicht die Dokumentform ab, sondern entwickelt nur neue Bedingungen, unter denen das, was noch mit Gewissheit referenziert werden kann, attraktivitätssteigernd und damit formenbildend möglich wird. Jedenfalls wird die Frage nach der Verlässlichkeit von Menschen immer schwerer zu beantworten. Noch gibt es Spielräume, alle Erwartungsenttäuschungen auf Menschen zuzurechnen. Und solange das noch geht, geht das noch.
„Man kann diesem Artikel aber auch entnehmen, wie schwer es fällt, sich von solchen Unterscheidungsroutinen zu lösen“
wenn man „sich lösen“ hier als „sich unterscheiden“ liest, dann stellt sich das Problem so:
es ist schwer, sich von diesen Unterscheidungsroutinen zu unterscheiden. Und das deshalb, weil die Unterscheidungen, die zu Gebote stehen um sich zu lösen (B), eben nur aus dem Fundus dessen stammen können, wovon man sich lösen will (A). Man verbleibt also noch im „Akt“ des sich Lösens innerhalb der spezifischen Operationen dessen, dem man entkommen will (B=A). Daher unweigerlich die Zirkularität.
Oder ist der Gedanke falsch und es existieren gleichsam ereignishaft hereinbrechende neue Unterscheidungsmöglichkeiten, die es gestatten, das Alte zu sabotieren?
@Diether „und es existieren gleichsam ereignishaft hereinbrechende neue Unterscheidungsmöglichkeiten, die es gestatten, das Alte zu sabotieren?“ Solche Möglichkeiten „existieren“ wohl nicht, aber könnten durchaus genutzt werden. Ich würde den Auswahlbereich für solche Unterscheidungen „dämonische Komplexität“ nennen.
@kusanowsky
Wir sind uns dann aber scheinbar einig darüber, dass die Möglichkeit der Sabotage (hier: des Sich-Unterscheiden-Könnens von bisherigen Unterscheidungen) im zu Sabotierenden selbst gelegen sind, und nirgends sonst?
Und das eben insofern, als das Dokumentschema, nicht als statische Selbstidentität, sondern als Form (im Sinne Spencer Browns) und also: als Differenz (Dokumentschema=Dokumentschema/Nicht-Dokumentschema[vielleicht: Simulationschema?]) verstanden, zugleich seine Erhaltung und sture Wiederholung und seine Überschreitung „erstrebt“?
“ … zugleich seine Erhaltung und sture Wiederholung und seine Überschreitung ‚erstrebt‘?“
Nein. Ich denke, dieses ‚Überschreiten‘ geschieht schon immer im Kalkül der Form. Oder mit Spencer-Brown formuliert: im ‚calling‘, ‚crossing‘ bzw. ‚confusing‘ von referenzierter Nichtreferenzierbarkeit gegenüber ihrem ‚unmarked space‘. Selbstreferenziell spannend könnte es dann werden, wenn man fragt, wie und wozu sich dieser Beobachtungs-Topos gerade wissenschaftlich festgesetzt bzw. aufgeklärt hat, wo doch gerade hier alles andere als kontrollierbare Referenzierbarkeit herrscht. Insofern ließe sich die Frage so wenden: Wie ist jenes ‚Überschreiten‘ überhaupt zu vermeiden? Womit unklar werden könnte, ob diese Frage im triadischen Zirkel der Selektionsmodi von Mitteilung/Information/ Verstehen überhaupt noch erkenntnismäßig zu erschliessen ist.
Und vielleicht würde auch hier der Umweg über die Abstraktion der Form-Beobachtung problemspezifisch nützen. Etwa derart, dass Selbst- und Fremdreferenz als systemische ‚Basalirritation‘ der sinnfältigen Beobachtungsoperationen, in ihrer ‚psychischen‘ wie ’sozialen‘ Evolution, zu begreifen wäre. Mit der „Paradoxie der systemischen Form“ ließe sich dann das Problem der Mitteilung in „draw a distinction“ übersetzen, das Problem der Information in „Multiversum“ überwechseln, und die Form des Kommunikationsverstehens durch die Paradoxie der simultan-synchronen „Sinnzeit“ auswechseln. Die Vermutung wäre dann, dass mit dieser Umstellung des Kommunikations-Triplets auf ein Formen-Set ihrer Referenzialität, das Problem der inhärenten Selbst-Irritation von Sinn-Systemen eher zu beschreiben ist.
„wie und wozu sich dieser Beobachtungs-Topos gerade wissenschaftlich festgesetzt bzw. aufgeklärt hat“ – Dagegen würde ich einwenden, dass dieser Topos sich eben nicht nur wissenschaftlich festgesetzt hat. Er konnte sich wissenschaftlich festsetzen, weil er auch für andere Systeme erfolgreich angewendet werden konnte. Alle Funktionssysteme scheinen mir darauf eingerichtet zu sein, ein Beobachtungsverhalten zu bevorzugen, das Referenzierbarkeit kontrollierbar macht, was dadurch geschah, dass sich dieses Schema erklärungstheoretisch und deshalb erfolgreich einnisten konnte und bald danach, sobald es selbst zu einem „historischen Aprioi“ wurde, rechtfertigungstheoretisch, normativ weiter verwendet und dann auch für die Ideologiebildung genutzt wurde. So ist es schließlich an seinem Erfolg gescheitert. Und ich meine, mit den Internet erarbeiten sich soziale Systeme einen Ausweg, der darin besteht, ein anderes Beobachtungsschema und eine andere Beobachtungssform zu finden, mit welchem die Willkür des crossings nicht länger als Manöver erscheint, das Erwartungen etwa an Klarheit und Verständlichkeit (bzw.: Referenzierbarkeit) unterläuft, sondern im Gegenteil erst dadurch wieder attraktiv macht.
Danke für die Bezugnahme. Genau das war mein Gedanke. „Vermeiden“ hieße dann ja: Läßt sich das „Immerschon“ des formspezifischen Überschreitens arretetieren, sistieren mit seinen eigenen Mitteln? Und wäre das dann eine Art Überschreiten des Überschreitens?
Wenn man Form derridaisierend als markierende Einschreibung, Spur oder Zug (trace et trait) und damit als eine Art Proto-Dokumentation begreift (schließlich ist auch die Spencer Brownsche Form immer eine graphische Inskription), liegen die „Ursprünge“ der hier auschließlich einer spezifisch neuzeitlichen „Dokumentalität“ attribuierten Werte (Klarheit, Distinktheit, Verlässlichkeit, etc) weit tiefer als angenommen.
„Insofern ist es einleuchtend, dass Glasers Text ein Beleg dafür ist, dass „Digitalisierung auf bekannte Unterscheidungsroutinen erodierend wirkt“, weil der Text selbst die bezeichneten Unterschiede nur kritisiert ohne sich darüber klar zu werden, wie Kommunikation noch funktionieren könnte, wenn diese Unterscheidungen nicht mehr funktionieren.“
@Blindenhund: Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, sich darüber klar zu werden, wie Kommunikation trotzdem funktionieren könnte. Niemand ist wohl so vermessen zu behaupten, daß der Fortgang der Kommunikation vom Funktionieren/Nicht-Funktionieren bestimmter Begriffe abhängt.
Dass es trotzdem weitergeht, zeigt doch Kusanowskis Beitrag. Und sei es nur, um zu bestätigen, daß es mit den Begriffen nicht mehr funktioniert. Dann müssen halt andere her.
Außerdem ist es ja nicht so, daß aktuell nicht komplexere Begriffsapparate im Angebot sind, mit denen eine differenziertere Analyse möglich wäre.
@Benjamin Ich glaube an Begriffen, auch an komplexeren, hat seit einer Explodierung von Kontingenz in industrieller Zeit noch kein Mangel bestanden, was gerade durch Strukturen der Differenzierung gegeben war. Entsprechend ist nicht erkennbar, warum noch komplexere Begriffsapparate eine noch differenziertere Analyse gewährleisten sollten. Natürlich ist es möglich, ein Haar noch häufiger zu spalten, sobald es überhaupt nur ein einziges Mal gelungen ist. Dann wird es eben noch 10 weitere Male gelingen. Ganz nüchtern betrachtet kann man mit dieser Erbsenzählerei sowohl seine Jugend vergeuden als auch seinen Altersruhestand unterhalten und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Differenzierung zieht weitere Differenzierung, Komplexität weitere Komplexität nach sich. Ist ein buntes Bild gelungen, dürfte es so schwierig nicht mehr sein, es noch bunter zu malen. Doch die interessante Frage könnte lauten: was ist eigentlich noch schwierig, wenn es keine weiteren Schwierigkeiten mehr bereitet, weitere Schwierigkeiten in die Welt zu setzen? Die Antwort könnte lauten: indem man versucht weitere Schwierigkeiten zu vermeiden. Wobei die Erprobung und Beurteilung von Vermeidungsstrategien durch das Internet veränderte Ausgangsbedingungen schaffen dürfte. In Bezug auf meine selbst angestellten Analysen könnte das heißen, dass die ständig beobachtenbare Trollerei in Listen, Foren und Blogs nur entsteht, weil bestimmte Vermeidungsstrategien ständig scheitern und scheitern müssen, solange diese Strategien nicht selbst vermieden werden können. Das aber könnte gelingen, wenn man Ansprüche und Bedingungen zur Fortsetzung der Kommunkation einen Zacken niedriger hängt, was eben heißen könnte, dass auch akademische Wissenschaftler damit anfangen, die Methoden der Störung, Manipulation und Maskierung der Trolle zu übernehmen, sich also selbst dem Verdacht auszusetzen, nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Wenn Ansprüche an Rationalität nicht mehr haltbar sind, müsste man versuchen, sie zu sublimieren. Wie das geht weiß niemand. Aber akademisierten Wissenschaftlern ist es natürlich nicht mehr zuzumuten, sich mit solchen Fragen und möglichen Forschungen zu befassen. Sie können nichts Gutes mehr tun, es sei denn sie würden dafür belohnt. Denn wenn das Risiko des Scheiterns evident zutage tritt, dann kann eine Forschung und ihre instituionelle Verankerung, deren Durchsetzungsfähigkeit sich an der Dokumentform trainierte, mit solchen Risiken nichts anfangen. Will eben schon vorher wissen, was man hinterher finden wird. Risiken kann man nur eingehen, wenn andere dafür haften. Das funktioniert auch an den Universitäten so.
Mein Vorschlag wäre ganz ernsthaft: wie kann man eine Soziologie betreiben, die sich nicht mehr als Exekutivgewalt des Staates versteht? Die also nicht mehr von staatlich besoldeten Wissenschaftsbeamten betrieben wird? Indem man kompelexere Begriffsapparte differenziert?
@Diether:
»[…] liegen die „Ursprünge“ der hier auschließlich einer spezifisch neuzeitlichen „Dokumentalität“ attribuierten Werte (Klarheit, Distinktheit, Verlässlichkeit, etc) weit tiefer als angenommen […]«
Dann stellt sich aber die Frage, ob überhaupt noch angemessen von „Ursprüngen“ gesprochen werden kann. Eine endlose Referenzkette ist nicht mehr (und nicht weniger!) als ein Re-Entry der Differenz von Referenz und Arbitrarität auf Seite der Referenz – und damit der Form nach Dokument. Wenn man statt dessen mit Derrida das Außen bzw. den leeren Signifikanten radikal denkt, bleibt die Unterscheidung nicht länger intakt; sie wird mit Verweis auf das Scheitern der Unterscheidung als Unterscheidung (und damit: ihrer Entparadoxierungsleistung) unterminiert. Eine konstitutive Arbitrarität dekonstruiert das Dokumentschema – und ist daher im Zuge seiner Anwendung so unwahrscheinlich wie erfolgreich vermieden worden.
@Sebastian
„Wenn man statt dessen mit Derrida das Außen bzw. den leeren Signifikanten radikal denkt, bleibt die Unterscheidung nicht länger intakt; sie wird mit Verweis auf das Scheitern der Unterscheidung als Unterscheidung (und damit: ihrer Entparadoxierungsleistung) unterminiert.“
Ein Verweis (bezeugende und bezeigende Referenz) auf die Unterscheidung Scheitern/Gelingen von Referenz/Arbitrarität bleibt paradoxerweise aber, eben als arbiträre Referenz (oder besser, das, was Derrida vereinzelt als „Ferenz“ bezeichnet) zugleich innerhalb derjenigen Differenz, die sie unterminiert.
„Eine konstitutive Arbitrarität dekonstruiert das Dokumentschema – und ist daher im Zuge seiner Anwendung so unwahrscheinlich wie erfolgreich vermieden worden.“
Oder anders herum: diese, noch die Differenz Arbitrarität/Referenz konstutierende Arbitrarität verlangt ihre Bezeugung, ihre Dokumentation, die sie gleichzeitig untergräbt.
Ein Verweis (bezeugende und bezeigende Referenz) auf die Unterscheidung Scheitern/Gelingen von Referenz/Arbitrarität bleibt paradoxerweise aber, eben als arbiträre Referenz (oder besser, das, was Derrida vereinzelt als „Ferenz“ bezeichnet) zugleich innerhalb derjenigen Differenz, die sie unterminiert.
Woraus ergibt sich das mit dieser Gewissheit? Auf einer performativen Ebene des Aufscheinens von Unterschieden, die nirgends dokumentiert sind, zeigt sich, dass es Unterschiede gibt, die man nicht referenzieren kann. So z.B. meine nachträglichen Veränderungen an deinem Kommentarbeitrag bevor ich ihn freigeschaltet habe. Was dokumentiert dieser Kommentar denn? Deine Meinung? Deine Idenität? Oder meine? Und welche Veränderung sind vorgenommen worden? Wer kann sie bemerken und wer kann plausibel machen, dass sie bemerkt wurden? Man kann die Unterschiede nicht referenzieren, aber bemerken kann man sie doch, wenn man sie bemerkt. Und wenn man keine bemerkt, gilt das selbe. Die Willkür des Eingriffs ist nicht nachweisbar. Darum ist so etwas für die uns bekannte Wissenschaft Blödsinn. Wissenschaftler können sich an dieser Art der Kommunkation nicht beteiligen, weil die Kommunikation unwissenschaftlich ist. Sie, also die evolutiohäre Ausformung der faustischen Gelehrsamkeit, konnte nur gelingen durch erfolgreiche Handhabung und Überwindung einer gegenseitigen Rationalitätsunterstellung, welche notwendig auf Nachweisbarkeit und damit auf die Vermeidung von Arbitrarität, welches so erst entstehen konnte. Es geschah zwar ständig, dass alle gemacht haben, was sie wollten, nur musste alles eingepasst werden in das Regelwerk der Referenzierbarkeit – und nur dann durfte man machen was man will. Neues durfte nur entstehen, wenn die Regeln der Vermeidung von Neuem durch den kreativen Prozess des Fortgangs der Kommunikation außer Kraft gesetzt werden konnten, also nur dann, wenn keine Willkür erkennbar war. Für die Beurteilung der ablaufenden Internetkommunikation gilt, dass die Regeln der Wissenschaft nicht gelten, und darum muss das alles von ihr ignoriert werden, weil das überlieferte Beobachtungsschema für diese Art von Willkür kein Verständnis hat. Und keines aufbringen kann. Für die Wissenschaft dürfte deshalb gelten: das hier ist falsche Kommunikation.
»Your inside is out when your outside is in
Your outside is in when your inside is out.«
»Für die Wissenschaft dürfte deshalb gelten: das hier ist falsche Kommunikation.«
Für die Wissenschaft dürfte gelten: das hier sind Mitteilungen, an die ein Anschließen nicht lohnt. Weil sie nach Maßgabe der Wissenschaft zu Nichts (= zu Allem) führen. Und weil hüben wie drüben mit nur minimalen Reputationsgewinnen zu rechnen ist, hält man am Bewährten fest und glänzt ansonsten durch Abwesenheit. Derrida und sein Schicksal in der Welt der etablierten Wissenschaft ist möglicherweise gar kein so schlechtes Beispiel: Wenn man das konstitutive Beobachtungsschema nicht nur zum Gegenstand der Beobachtung macht sondern gleichsam subvertiert, wird man mit etwas Glück noch zum Linguisten deklariert; mit Pech zum Scharlatan. Und nicht zufällig verweist das bloße (nichtwissenschaftliche, d.h. ein nicht nach Maßgaben des Codes im Medium der Wahrheit operiernde,) Geschwätz im Italienischen „ciarlatano“ in genau diese Richtung.
»Ein Verweis … auf die Unterscheidung Scheitern/Gelingen von Referenz/Arbitrarität bleibt … innerhalb derjenigen Differenz, die sie unterminiert.«
Ja, das ist wohl richtig. Ich bin mir unsicher, ob man Iteration und Re-Entry im Allgemeinen und hier im Speziellen so unmittelbar parallelisieren kann. Wenn das aber der Fall sein sollte, dann ist nur der Abbruch des Referenzierens (mithin also auch: der sinn-vollen Kommunikation) maßgeblich. Solange die Unterscheidung durch Iteration und/oder Oszillation ihre Paradoxie entfalten kann, kann sie ihre Paradoxie entfalten. Business as usual.
„Auf einer performativen Ebene des Aufscheinens von Unterschieden, die nirgends dokumentiert sind, zeigt sich, dass es Unterschiede gibt, die man nicht referenzieren kann.“
Hierauf replizierend ließe sich ganz schlicht bemerken, dass Du, indem du auf jenes „Aufscheinen“ und „Sich-Zeigen“ von Un-Referenzierbarem soben und zum wiederholten mal referenzierst, unter Beweis stellst, dass dies schlechterdings sehr wohl möglich zu sein scheint.
Kann man nicht ausschließlich auf „Nicht-Referenzierbares“ referenzieren und auf nichts sonst? Zeichen als Spur = „Anwesenheit einer Abwesenheit“. Auch ein Tisch „als solcher“, an und für sich, ist nicht referenzierbar. Referenziert wird gerade in – und aufgrund der – Abwesenheit des Referenten (oder Signifikats).
Vielleicht müsste man dazu umfangreicher den phänomenologischen Hintergrund der Zeige (des Zeichens und damit aller deiktischen Demonstrativa) und des Scheins (als Erscheinung=phainomenon) aufrollen. Phänomenologie bei Heidegger: das Zeigen des Sich-Zeigenden. Dies wäre für mich die Zone jener angedeuteten Proto-Dokumentalität.
„Man kann die Unterschiede nicht referenzieren, aber bemerken kann man sie doch, wenn man sie bemerkt.“
Merken und Bemerken kommt von Marke, Markieren. Ein bemerkter Unterschied – ein Unterschied, der einen Unterschied markiert – muß seine Inschrift in einem differentiellen Verweisungszusammenhang (hier: des Wahrnehmungssystems?) bereits hinterlassen haben. Sobald ich sagen kann „ich habe x bemerkt“, kann ich auf x referenzieren.
„Die Willkür des Eingriffs ist nicht nachweisbar.“
Doch. In diesem Kontext sehr schlicht dadurch, dass du sie selber eingestehst und sie dir (deinem „ICH), als Instanz des Willkürlichen Eingriffs, freimütig zuschreibst.
„So z.B. meine nachträglichen Veränderungen an deinem Kommentarbeitrag bevor ich ihn freigeschaltet habe.“
Oder wäre es möglich, dass Du dich täuschst?
„Und weil hüben wie drüben mit nur minimalen Reputationsgewinnen zu rechnen ist, hält man am Bewährten fest“ – ja das stimmt. Bei der Gelegenheit kommt mir noch ein Gedanke. Wenn man sich die aktuellen Plagiatsaffären anschaut, kann ich nicht zu der Vermutung kommen, dass es sich um unwahrscheinliche Einzelfälle handelt. Gemessen an der gigantischen Menge von Doktorarbeiten wäre es höchst seltsam, wenn nur 10 davon unter Plagiatsverdacht gestellt werden können. Und genau diese 10 werden in kurzer Zeit in diesem Heuhaufen gefunden? Eher vermute ich, dass die anderen noch nicht überprüft wurden. Und wenn dies geschehen sollte, stellt sich die Frage, ob den jetzt schon minimalen Reputationsgewinnen des „wissenschaftlichen Plebjertums“ (Karl Jaspers, 1932) durch die Schwarmintelligenz des Internets der Garaus gemacht werden könnte. Jaspers glaubte 1932 noch daran, dass nicht eigentlich die Wissenschaft in einer Krise wäre, sondern nur die Wissenschaftspolitik, die schon zu dieser Zeit die Massenuniversität erstehen ließ. Und ich kann mir vorstellen, dass eine ähnliche Durchhalte-Rhetorik bald wieder zu bemerken sein wird, wenn die Wissenschaft endgültig durch das Internet überrumpelt wird. Denn die Überrumpelung entsteht ja dadurch, dass eine Massenüberprüfung von Doktorarbeiten nur durch die eigenmächitge Intervention von Internet-Usern vorgenommen werden kann; und wenn das geschieht, dann geschieht dies nicht auf Initiative etablierter Wissenschaft, denn da dürfte der Keller voller Leichen sein. Für die Wissenschaft dürfte das Internet ähnlich unangenehm und aufdringlich sein, wie es ehedem für die katholische Kirche der Buchdruck war, woraus das Papstum den Schluss zog, bei der Moderne nicht mitzumachen, wodurch es sie schließlich aufgedrückt bekam. So scheint mir für dies Art der Wissenschaft zu gelten, dass aus ihr für ihr Verhältnis zum späten Feudalstaat des 19. Jahrhunderts das geworden ist, was aus der katholischen Kirche für ihr Verhältnis zum späten römischen Kaisertum geworden war. In der Kirche ist es als Ruine erhalten geblieben. Und in der Wissenschaft bleibt als Ruine der späte Feudalstaat erhalten. Denn mit den Auswirkungen der Industrialisierung konnte sich das wilhelminische Wissenschaftsbeamtentum niemals anfreuden, insbesondere nicht in Hinsicht auf die Vermassung und damit Trivialisierung der Wissenschaft. Diese Beharrlichkeit scheint mir bis heute das intakte Bollwerk gegen alle Reformbemühungen zu sein, so dass alle Reformen immer nur Verschlimmbesserungen nach sich ziehen. Und erst wenn der Druck im Kessel groß genug ist, kann ein neuer Attraktor akzeptiert werden, der seine Erfolgswahrscheinlichkeiten jetzt schon, wenn reputationslos, erarbeitet.
„Oder wäre es möglich, dass Du dich täuschst?“ Sicher, aber zeig mir mal in welcher Hinsicht. Worauf du aufmerksam machst ist nur eine Beobachtungsparadoxie, die darin besteht, dass man Beobachtetes von Nichtbeobachtetem unterscheidet und nur das Beobachtete durch Beobachten beobachtet. Das Nichtbeobachtete ist dann nur als Nichtbeobachtbares beobachtbar, aber nicht als Nichtbeobachtbares. Deshalb kann nur beobachten, was man beobachten kann.
„In diesem Kontext sehr schlicht dadurch, dass du sie selber eingestehst“ – das ist nur eine Unterstellung. Nirgendwo findet sich ein Geständnis, sondern nur der Hinweis auf die Möglichkeit der Manipulation, bzw. und die sich daraus ergebende Konsequenz, dass die Maniplatuon vielleicht auch darin bestehen kann, dass keine vorgenommen wurde. Also: zeige die Manipulation. Es geht auf diesem Wege nicht, weil alle Kommentare von mir manipuliert sein könnten oder auch nicht.
Wenn wir uns auf die Geschichte des wissenschaftlichen Hofbeamtentums beschränken, das auf der Feudalebene angesiedelt war, also auf die Geschichte der Hofgelehrten, ist zunächst auffällig, dass die Kommunikation von Alternativen alles andere als blockiert war. Es ist nachgerade eben diese Kommunikation, die den Wissenschaftler auszeichnet. Ohne das Privileg der abweichenden Rede ist Wissenschaft nicht denkbar. Andererseits ist dieses Privileg im Zusammenhang absoluter Herrschaft nicht durchsetzbar. Der Wissenschaftler wäre ohne Redefreiheit kein Wissenschaftler, aber er kann sich um Kopf und Kragen reden. Die Kommunikation am Hofe ist herrschernah und deswegen für ihre Protagonisten nicht selten lebensgefährlich – eine Lebensgefahr aber, die (mustert man die Quellen durch) nicht geknüpft war daran, dass ein Wissenschaftler Alternativen zur geltenden Weltordnung mitgeteilt hätte, sondern eher daran, dass es ihm unter Umständen nicht gelang, die Ordnung, die er kritisert hatte, mit funktionalen Äquivalenten zu konfrontieren.
Die Freiheit der Wissenschaft war so uneigentlich gebunden, im Prinzip daran, dass die Selektion der Information durch die Selektion der Mitteilungsform konterkariert werden konnte. Solches Taktieren ist den Wissenschaftsbeamten während ihrer fetten Jahre ganz offenbar abhändig geworden.
Also: zeige die Manipulation.
Ich fürchte zwar, ich habe (wie immer) den wesentlichen Punkt nicht begriffen, um den es eigentlich geht (aber vielleicht ist das ja auch der Punkt), doch wenn die Pointe der Dokumentform in der Unmöglichkeit einen solchen Beweises liegen sollte, so wäre das ja kein systematischer, sondern nur ein technischer Einwand. Mit dem Zugang zu den Logfiles von WordPress sollte das ja kein Problem sein, zumindest die Manipulation nachzuweisen. Dass Bürger Kusanowsky der Manipulator wäre, würde dann noch weitere Informationen erfordern. IP, bla bla…
Was würde dies aber z.B. von der Praxis der Raubdrucke im 18. Jh. unterscheiden? Was wäre hier wirklich NEU an der Dokumentform Internet? Vllt. habe ich aber auch nur den Begriff nicht richtig verstanden, dann bitte ich um Aufklärung.
Den Gedanken mit dem feudalen System des Wissenschaftsbetriebs finde ich indessen interessant und nachvollziehbar. Einschränkend würde ich aber bestreiten, dass sich „das wilhelminische Wissenschaftsbeamtentum niemals“ mit den Auswirkungen der Industrialisierung anfreuden konnte. Demgegenüber würde ich sogar behaupten, dass die Wissenschaftsgeschichte der Technik seit dem 19. Jh. ohne Industrialisierung gar nicht denkbar ist. Wer sich damit nicht anfreunden konnte oder wollte, war wohl eher die Kulturwissenschaft im weitesten Sinne. Die Soziologie selbst ist ja überhaupt DAS – mal trotzige, mal willfährige – Kind der Industrialisierung.
@stromgeist „doch wenn die Pointe der Dokumentform in der Unmöglichkeit einen solchen Beweises liegen sollte“ – Die Dokumentform vermochte es, die Möglichkeit des Beweises empirisch zu machen. Durch die Dokumentform ist die Manipluation in dem Augenblick als Problem aufgetreten, indem sie zur Erzeugung von Nachweisverfahren verwendet werden konnte, weil: der Nachweis gelingt erst dann, wenn die Manipulation vermieden wird. Da sie aber gerade durch das Nachweisverfahren überhaupt erst als Problem relevant wurde, erhärteten und verbesserten sich im Laufe der Evolution nicht nur die Verfahren des Nachweises, sondern auch die Verfahren der Manipulation: durch verbesserte Nachweisverfahren wurden immer neue manipulative Möglichkeiten erschlossen, und mit dieser Erschließung auch immer bessere Manipulationsverfahren. Der Gipfelpunkt ist die Digitalisierung, die eine Differenz zwischen Beweis und Manipulation gar nicht mehr zulässt. Die Dokumentform ist nunmehr erfolgreich zerrüttet. Und ein Epiphänomen für diesen Zerrüttungsprozess beobachte ich mit der Internettrollerei, bei welcher sich die Beteiligten gegenseitig mit einer Rationalitätsunterstellungen begegnen, der keiner der Beteiligten mehr gewachsen ist, indem ein Beobachtungsverhältnis Anwendung findet, das funktionale Exklusionsmechanismen braucht, welche aber nicht mehr funktionieren: alle können mitmachen, aber wie wird man den Störer, den Schwätzer los, wenn sich zeigt, dass der genauso vernünftig ist wie alle anderen? Da das nicht geht, entfalten sich Eskalationsspiralen der Trollkommunikation. Bei Interesse: Es fing damit an, dass er zurück geschlagen hat…
„Einschränkend würde ich aber bestreiten, dass sich „das wilhelminische Wissenschaftsbeamtentum niemals“ mit den Auswirkungen der Industrialisierung anfreuden konnte.“ – So gesehen ist dieser Einwand berechtigt. Was in meiner Argumentation noch fehlte, ist der Ausbildungsprozess der faustischen Gelehrsamkeit, die im Genie-Kult gleichsam eine Proto-Soziologie ausbildete, welche die Negierung sozialer Bedingungen zum Ausganspunkt für alle Wissensproduktion machte. Proto-Soziologisch, oder transezendentalphilosophisch, war das Genie, Kraft seines Verstandes und seiner Vernunft Urheber und Träger des Wissens; es vermochte aus sich selbst heraus als Alleskönner und Weltversteher die Herausforderung zu meistern, indem es sublimierend die Einsicht in die Beschränkheit seiner Erkenntisfähigkeit in „sicheres Wissen“ transformierte. (Beispiel Robinson Crusoe) Dieser Habitus, der sich ab dem 19. Jahrhundert in einem rechtlichen Regelwerk des öffentlichen Dienstes einnistete und sich in der Folge trivialisierte, entstand mit der Evolution der Dokumentform. Und mit der Einrichtung technischer Wissenschaften bekam dieser Habitus eine unerwünschte Konkurrenz: die Technik, das Gewerbe, der Kapitalismus und damit Beschleunigung der Zerrüttung. In der Dichotomie von Zivilisation und Kultur fand diese Konkurrenz ihren Niederschlag. Ich würde schon zugeben, dass die wissenschaftsbürokratischen Erfolgsstrategien der technischen Wissenschaft auch als Emanzipation zu verstehen sind, welche den faustischen Habitus zunächst übernahmen. Aber spätestens die Notwendigkeit zur Arbeitsteilung der Forschung und der quantitativen wie seriellen Hypothesenprüfung ließen das faustische Genie durch ihren Erfolg hinter sich zurück. Übrig geblieben ist ein widerständiges Wissenschaftsbeamtentum, das von seiner „Genialität“ selbst nur noch aus Archivstudien weiß. Aber die Strukturen („Einheit von Forschung und Lehre“) sind nahezu vollständig blockiert; der Humboldtsche Wissenschaftsromantizismus ist gleichsam eine zerbröckelnde Wissenschaftsideologie; ist Erwartung ohne empirsche Möglichkeit. Siehe dazu die Plagiatsaffären, auch so ein Epiphänomen der Internetkommunikation.
@stromgeist
Die Pointe liegt wohl darin, daß Kusanowski die Bedingungen unter denen seine Beobachtungen zur Dokumentform irgendeine Plausibilität gewinnen sollen selber schafft: technisch durch diese Pseudo-Kommentar-Funktion, systematisch indem er selbst den Manipulationsverdacht streut. Und schon dient der Blog als Bestätigung der darin veröffentlichten Thesen. In diesem Fall bestätigt die Ausnahme nicht die Regel, sondern die Ausnahme nur sich selbst.
Die Tatsache, daß er die Manipulation in einem Kommentar zugibt und im nächsten wieder bestreitet obwohl es jeder lesen kann, sollte jeder Leser einfach mal auf sich wirken lassen.
@Blindenhund „Die Pointe liegt wohl darin, daß Kusanowski die Bedingungen unter denen seine Beobachtungen zur Dokumentform irgendeine Plausibilität gewinnen sollen selber schafft“ – das kommt daher, dass ich ein Genie bin und kommunizieren kann. Ich kann die Bedingungen nach eigener Willkür, nach eigenem Ermessen, nach eigenem Blieben aus mir selbst heraus so erschaffen, dass ich alles begründen, beweisen und zeigen kann wie ich will. Ich steuere die Anschlussfindung, ich überprüfe für andere, was andere für mich überprüfen; ich bin der Urheber all dessen was hier kommunikabel wird. Ist das plausibel?
„Die Tatsache, daß er die Manipulation in einem Kommentar zugibt und im nächsten wieder bestreitet“ Welche Tatsache, die nicht allein auf deiner eigenwilligen, willkürlichen Unterstellung beruht, wird von mir zugegeben und bestritten? Ich bitte um Überhändigung von Dokumenten, die weder von dir noch von mir nachträglich nach eigener Willkür manipuliert wurden. Diesen Gefallen wirst du mir nicht tun, weil du Spaßvogel keine solchen Dokumente vorlegen kannst. Was du mir unterstellst ist nichts anderes als deine Selbstunterstellung, nämlich: eigenmächtig, eigenwillig die Kommunikaton so zu steuern, dass angeblich evident werden könnte, was schon evident ist, dass also Beliebiges zustande kommen könnte. Empirisch geht das gar nicht, aber so viel Empirie ist dem Verdächtigungsgeschehen nicht zuträglich weshalb man einfach was betreibt? Man betreibt Trollerei. Und der Grund dafür liegt stets bei der mangelnden Vernunft, der Uneinsichtigkeit des anderen. Das ist der Grund, weshalb die Wissenschaft auf Staatsgewalt angewiesen ist, um sich ihrer Trollerei zu entziehen. Denn fehlen ihr die zureichenden, überzeugenden und entscheidenden Argumente, wird einfach exekutiert und dann gilt „end of discussion“.
Zur Sachlichkeit: wir haben es hier mit der paradoxen Situation eines Selbstgesprächs zu tun. Ein Selbstgespräch funktioniert nur dann, wenn es keine Zeugen gibt. Aber nur, wenn es Zeugen gibt, kann man plausibel machen, dass ein Selbstgespräch stattgefunden hat. Nur daher wissen wir, dass Selbsgespräche stattfinden können, weil ihre Realität nur sozial ermittelbar ist, aber wenn das plausibel gemacht werden kann, dann findet kein Selbstgespräch statt. Die hier ablaufende Kommunikation ist durch die Beobachtungssitution des Selbstgesprächs eines jeden Beteiligten geprägt, also durch: soziale Einsamkeit. Es gibt für all das keine angebbare Zeugenschaft, keine Dokumente, die sich dem willkürlichen Zugriff einzelner entziehen. Diese Zeugenschaft und die illusion ihrer ewigen Haltbarkeit zu garantieren war die evolutionäre Leistung der Dokumentform. Aber wir haben keine Nachweismöglichkeit mehr. Alles sind nur html-Datensätze, die niemand gegen nachträgliche Bearbeitung sperren kann. Und weil diese Argumente nicht gefallen werden sie nach eigener Willkür ignoriert oder der Widersinn wird auf Willkür des anderen ohne Nachweis derselben zugerechnet.
@kusanowsky „Die Pointe liegt wohl darin, daß Kusanowski die Bedingungen unter denen seine Beobachtungen zur Dokumentform irgendeine Plausibilität gewinnen sollen selber schafft“
Der Punkt ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Dadurch dass Du Kommentare freischaltest oder nicht, modifizierst oder nicht, den Rhythmus Deiner Kommentarierung immer noch einhalten kannst – all das assymetrsiert das Trollpotential. Man könnte berechtigterweise fragen, warum das problematisch sein soll. Aber ansonsten gilt wohl:
erste Lektion gelernt. Sie wird aber wohl nicht der Spezifik der Internetkommunikation sondern eher Deiner (unterstellten) Idiosynkrasie zugerechnet werden.
@Jacobo Volpino „Dadurch dass Du Kommentare freischaltest oder nicht“ – woher weisst du das denn? Du weisst es nur, weil ich einen deinen Kommnentare manipuliert habe, schon die Freischaltung ist eine Manipulation, also ein Eingriff in Kommunikation. Und du weisst das nur, weil du von mir weisst, dass ich von dir weiss, dass es sich so verhält. Aber für das ganze übernimmt keiner eine Zeugenschaft. Deshalb gilt der Verdacht der Trollerei nicht nur für mich, sondern für alle anderen ebenso. Magst du auch wissen, dass ich einen deiner Kommentare manipuliert (frei geschaltet) habe, so weisst du nichts über alle anderen Kommentare und das selbe gilt für alle anderen Kommentatoren genauso. Einzig gilt, dass alle Kommentare, die nicht von dir stammen mindestens von mir stammen können, aber nicht müssen. Denn auch dieser Einwand vom Blindenhund könnte von dir stammen. Und wenn du jetzt kommunikativ anschlussfähig behauptest, dass das nicht so sei, dann ziehst auch du den Verdacht auf dich, an dieser Trollerei beteiligt zu sein, was du emprisch ja bist. Ergo nennst du den Verdacht, der auch auf dich fällt legitim, und damit würdest du nur bestätigen, was ich auch schon bestätigt habe, nämlich: dass der Verdacht, wenn er auf jemanden trifft legitim ist. Aber dass heißt nicht, dass, nur weil der Verdacht legitim ist, es sich auch so verhält, sondern nur: alle sind gleichermaßen verdächtig, auch der Blindenhund. Denn wie könnte irgendjemand außer ihm selbst wissen, dass er unverdächtig ist? Er führt nur ein Selbstgespräch wie alle anderen auch.
Stattdessen behauptet er, was ich auch behaupten darf: hier ist Willkür im Spiel. Sie wird Personen unterstellt, obwohl nur Kommunikation stattfindet.
Aber macht der Blindenhund? „Die Tatsache, daß er die Manipulation in einem Kommentar zugibt und im nächsten wieder bestreitet obwohl es jeder lesen kann, sollte jeder Leser einfach mal auf sich wirken lassen.“ Er appelliert an das transzendentale Subjekt, sich seines Urteilsvermögens zu versichern, betreibt mit einfach mitteln Erkenntnis- und Vernunftkritik und dies obwohl er wissen kann, dass die Kommunikation von keiner Stelle aus auf die Bewusstseinsfunktionen zugreifen kann.
„Ist das plausibel?“
Ja, das ist plausibel… bis auf das mit dem Genie.
„Ich bitte um Überhändigung von Dokumenten, die weder von dir noch von mir nachträglich nach eigener Willkür manipuliert wurden.“
Das ist der Punkt. Das brauch ich garnicht, denn zunächst hab ich nur geschrieben, daß du selbst den Manipulationsverdacht streust. Ich hab nicht behauptet, daß du es tust. Ich weiß, daß du es tust, weil du meine Kommentare auch schon bearbeitet hast.
Tatsache ist nur, daß man hier nachlesen kann, daß du zugibst, daß du manipulierts. Dafür brauch ich keine Dokumente.
„So z.B. meine nachträglichen Veränderungen an deinem Kommentarbeitrag bevor ich ihn freigeschaltet habe.“ (ändere doch diesen Satz [den zitierten Satz, nicht das Zitat])
Da du der einzige bist der das kann, fällt jeder Verdacht sofort auf dich zurück. Ansonsten solltest du berücksichtigen, daß du zwar der Herr in diesem Blog bist. Trotzdem ist er öffentlich zugänglich. Du kannst kontrollieren, was hier veröffentlicht wird. Aber du kannst nicht kontrollieren, wie dein Blog beobachtet wird. Es sei denn, man versucht es hier zu kommentieren.
„Ein Selbstgespräch funktioniert nur dann, wenn es keine Zeugen gibt.“
Dann wäre es konsequent die Kommentar-Funktion abzuschalten und nicht länger Kommunikation zu simulieren.
„obwohl er wissen kann, dass die Kommunikation von keiner Stelle aus auf die Bewusstseinsfunktionen zugreifen kann.“
Das weiß ich auch. Ich hab schließlich nicht geschrieben, was die Wirkung sein soll. Ausschließen kann ich nicht, daß trotz deiner fragwürdigen Methoden einige Leser plausibel finden, was du schreibst. Einige gibt’s ja anscheinend.
„Da du der einzige bist der das kann, fällt jeder Verdacht sofort auf dich zurück.“ Ach? Jetzt doch? Hab ich das je bestritten? Also: bin ich erst verdächtig, wenn ich mich selbst vedächtige, oder erst, wenn ich verdächtigt werde mich selbst zu vedächtigen? Und du bist unverdächtig? Es weiß doch keiner wer du bist. All die Kommentare, die unter dem Pseudonym „Blindenund“ geschrieben sind, könnte ich geschrieben haben. Und nur du könntest mich berechtigterweise verdächtigen, dass ich mit dieser Behauptung lüge? Wer soll denn glauben, dass ausgerechnet du, der du nicht sagst, wer du bist, wo du wohnst, wie du erreichbar bist, dass ausgerechnet du derjenige bist, der nicht lügt?
Wir befinden uns in einer Beoachtungsfalle, Bezeichnung: Internettrollerei. (Und ich bin schuld daran, weil ich falsch kommuniziere?)
„Ein Selbstgespräch funktioniert nur dann, wenn es keine Zeugen gibt. – Dann wäre es konsequent die Kommentar-Funktion abzuschalten“
Ich habe geschrieben, dass wir es mit sozialer Einsamkeit zu tun haben, welche mir die Struktur der Internetkommunikation zu sein scheint. Du unterstellst mir einen Popanz aufzubauen und machst selbst die gleichen fragwürdigen und abwegigen Methoden beobachtbar: „Du kannst kontrollieren, was hier veröffentlicht wird. Aber du kannst nicht kontrollieren, wie dein Blog beobachtet wird.“ Richtig. Na sowas? Und das Gegenteil hab ich jemals irgendwo benauptet? Stattdessen: du schaffst die Bedingungen selbst, die es dir ermöglichen, deine Kritik gegen mich zu äußern. Denn die Bedingung wäre die von mir irgendwo irgendwann aufgestellte Behauptung, ich kontrollierte wie mein Blog beobachtet wird. Und wieder wirst du mir keinen Nachweis über deine Behauptung liefern. Wieder machst du mir nur deine eigenen fragwürdigen Methoden zum Vorwurf. Ich würde zwar zugeben, dass die Internetkommunikation im Ganzen fragwürdig ist. Aber Kommunikation kennt keine Methoden, sie macht, was sie will und niemals das, was ich will.
„Dann wäre es konsequent die Kommentar-Funktion abzuschalten und nicht länger Kommunikation zu simulieren.“ Zum Totlachen. Du könntest ja auch keine weitere Kommentare mehr abschicken, was übrigens auch so ein Willkür-Akt ist, über dessen Legimtität noch Wort gefallen ist. Oder willst du sagen, dass nur die Freischaltungshandlung kommunikativ anschlussfähig ist, das Absenden nicht? Und nur die Freischaltungshandlung ist als kommunikatives Handeln verdächtig, nicht das Abschicken? Du kennst es aus einer nicht moderierten Mailingliste, in der jeder Kommentar automatisch frei geschaltet wird. Wer ist dann für die Freischaltungshandlung verantwortlich und wer für das Absenden von Kommentaren? In einer solchen Malingliste ist es der Absender, wenn er als Troll auffällt, weil keine Adresse für die Freischaltungshandlung ansprechbar ist? Hier ist das aber Fall, weshalb andersherum der Absender Unverantwortliches und Fragwürdiges jederzeit schreiben darf? So ist das? Und wenn der Moderator sich dabei beobachten lässt, wie er eingreift, wenn er also nicht vermeidet, dabei beobachtet zu werden, wie er selbst beobachtet, dann ist das fragwürdig? Mannomann.
Grüß Gott. Ich lese seit geraumer Zeit stillschweigend die Artikel dieses Blogs und manchmal sogar die anschließenden Diskussionen. Warum nun eine Wortmeldung? Aus zweierlei Gründen.
Zum einen ist diese Pseudo-Diskussion ihrer Zeit offensichtlich voraus, weil weder Blogbetreiber noch Kommentaroren auf Zurechnungen personaler Art verzichten können. Die Kommunikation das aber offensichtlich ganz gut hinkriegt. Dessen ungeachtet tun alle so, als ließe sich hier ernsthaft diskutieren! Das ist schon irgendwie bemerkenswert und auch erheiternd. Zum anderen, dieser Aspekt hängt eng mit dem ersten zusammen, wird aufgrund dieser Zurechnungen eine Liberalisierung oder Verschärfung der Möglichkeit zur Nutzung der blogeigenen Kommentarfunktion gefordert, je nach Gusto. Wenn alle hier die Empirizität von Trollkommunikation nur halb so ernst nähmen wie sich selbst, dann gäbe es schon längst offene Beobachtungsplattformen wie „blindenhund.wordpress.com“, um ein ebenso willfähriges wie willkürliches Beispiel zu nehmen, mit maximal offenen Kommentarspalten. Da könnte man prächtig diskutieren. Jungens: Das ist das Internet, macht was draus! Ende der Durchsage.
„Dessen ungeachtet tun alle so, als ließe sich hier ernsthaft diskutieren! Das ist das Internet“ – noch so ein Popanz. Auch hier wieder wird die Bedingungen selbst geschaffen, die das Argument pausibel macht: Er beteiligt sich an Internetkommunikation und schreibt: Hey, habt ihrs noch nicht gemerkt? Das ist das Internet!
Der Kaiser läuft nackt über die Straße wo ihn jeder sieht (er macht das weil er weiß, dass ihn jeder sieht) und die Menge ruft mit philsophischer Gewissheit: der Kaiser ist nackt! Worauf der entgegnet: ich bin nicht nackt. Und man fragt: ja sieht er denn nicht, dass wir sehen, dass er sieht, dass wir ihn sehen? Worauf der Kaiser antwortet: ich habe nicht behauptet, dass ich nicht sehe, dass ihr seht was ich sehe. Ich behaupte nur, dass ich nicht nackt bin. Und nun kommt der kluge Spruch eines Sehenden, der sieht, dass er als Sehender gesehen wird, welcher sagt: ich sehe doch, dass du nackt bist und ich sehe, dass du hörst, dass du sagt, dass du nicht nackt bist! Aber es kann doch jeder sehen, dass du erstens nackt bist und zweitens, jeder kann hören, dass du das Gegenteil dessen sagst, was jeder sehen kann. Darauf der Kaiser: ja sicher! Darauf der Sehende dann sagt: Frechheit! Und darauf Kaiser: Freiheit! Und wären die Scheiterhaufen der Hexenverfolgung noch nicht abgebrannt würde man diesen Kaiser wegen falscher Kommunikation, wegen Hexerei und Zauberei verbrennen.
„Des einen Popanz ist des anderen Faulheit.“ (Publius Vergilius Maro)
Vielleicht sollte man das alles nicht so ernst nehmen; und damit gleichsam ernst nehmen. Denn „die Empirizität von Trollkommunikation nur halb so ernst“ nehmen wie sich selbst scheint mir für’s erste nicht der schlechteste Weg zu sein. Wenn’s sein muss kann der Preis dafür gar nicht hoch genug sein. Der Rabe fragt: Wie gelingt eine Umstellung von Popanz auf Performanz?
@Per Schufte
Eigentlich geniesse ich nur den Spaß mir die Freiheit zu nehmen auf den Kaiser zu zeigen und zu sagen, daß er nackt ist. Obwohl er das nicht müsste, lässt er es zu und echauffiert sich trotzdem „Frechheit, wie kann er nur!“ …um mal im Bild zu bleiben 😉
Kusanowsky: „Für die Wissenschaft dürfte das Internet ähnlich unangenehm und aufdringlich sein, wie es ehedem für die katholische Kirche der Buchdruck war, woraus das Papstum den Schluss zog, bei der Moderne nicht mitzumachen, wodurch es sie schließlich aufgedrückt bekam.“ Herrlich! Einfach herrlich. Und wahrhaftig richtig.
Lieber Thorsten, wenn ich auch prinzipiell nichts dagegen habe, Komplimente anzunehmen, so muss ich dieses aus Gründen der ehrlichen Verlogenheit leider zurück weisen. Ich stehe hier nämlich unter Verdacht. Ich werde nicht verdächtigt, nicht alle Tassen im Schrank zu haben, sondern schlimmer: Die Argumente, die dafür sprechen, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe, könnten von mir selbst formuliert und verbreitet worden sein, ein Verdacht, der sich dadurch verstärken könnte, dass ich Kommentare frei schalte, von denen kein Mensch weiß wer sie geschrieben hat. Den, also deinen, hab ich auch selbst geschrieben. Oder auch nicht. Aber mein Blindenhund hat ein übergeordnetes Einsichtsvermögen darüber, dass ich die Bedingungen für die Trefflichkeit solcher Komplimente selbst herstelle, indem ich nämlich gar nicht leugne, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe. Vernünftigerweise sollte ich das tun, aber die Vernunft ist mir abhanden gekommen, weshalb ich nicht weiß, was ich jetzt machen soll. Wenigstens wäre der Rat, den ich auch meinem Blindenhund geben möchte, ernstzunehmen, der besagt, nur noch dann einen Kommentar zu formulieren, wenn er durch eindeutige Dokumentation gegen jede Manipulation gesperrt werden könnte, so vielleicht durch ein eigenes Weblog. Nicht, dass das wirklich helfen würde, denn auch für das Webblog eines Blindenhundes würde dieser Verdacht gelten. Aber vielleicht ist er ja Wissenschaftler und braucht darum beim Internet einfach nicht mit zumachen. Er selbst könnte der Nachfahre von Ketzern sein, die den Päpsten mal gezeigt hatten, wo der Hammer hängt und welcher sich selbiges von Internettrollen nun gewiss nicht zeigen lässt. Es sei denn, er beteiligt sich an der Internetkommunikation.
@Blindenhund – Sehr gut. Wenn ich dich das nächste Mal rufe, um mich von dir auslachen zu lassen, möchte ich ein paar schöne Fotos machen, damit wir später mal, wenn Gott es zulässt, etwas Nettes zu besprechen haben. Einverstanden?
P.S. Wir sind nicht nur in Kommunikation verstrickt, sondern auch in Leiblichkeit, die eigene Ein- und Ansprüche geltend macht. Man kann über keinen Witz lachen oder verzweifeln, wenn der Leib nicht mit macht. Du hast gewiss Recht: Ich muss nicht atmen, aber ….
Bezüglich dieser ganzen Internet-Trollkommunikations-Thesen: Neue Medien werfen offenbar immer solche Kommunikationsirritationen und -exzesse auf. Die ganze Sache mit der Authentizität und dem Manipulationsverdacht gab es wie gesagt auch schon im 18. Jh. mit dem Buchdruck (anonyme/pseudonyme Raubdrucke) und im 19. Jh. mit der Telegraphie (dass der/die technische/r Operator/inn als verdächtiger oder phantasmatische/r Vermittler im Gespräch, die entweder die Kommunikation manipulieren oder untereinander sogar klandestine Botschaften in die Nachrichten einweben, war ein beliebtes Thema viktorianischer und amerikanischer Autoren). Das Internet und insbesondere die Blog- und Forenkommunikation entfaltet nun ihrerseits die Möglichkeit solcher verstörenden Sprachspiele.
Ich würde auch nicht behaupten, dass diese Form der Kommunikation dazu geeignet ist, sinnvoll zu diskutieren, eher das Gegenteil. Jedenfalls nicht in Sinne einer habermasschen Diskusionssituation (obwohl es paradoxerweise ja dazu gerade einladen sollte). Wenn es überhaupt funktioniert, dann nur, wenn sich alle Gesprächsteilnehmer einig sind, erfolgreich kommunizieren zu wollen, wofür sie bestimmte Regeln aufstellen und befolgen müssen (seien es nun wissenschaftliche oder soziale). Wenn die Ausgangsthese aber ist, dass das nicht geht, dann kann keiner der Beteiligten das Gegenteil beweisen. Soviel ist klar. Dafür bräuchte es aber auch kein Internet. Es macht das Verwirrspiel der Kommunikation nur wesentlich leichter.
Was wäre z.B. der Unterschied zu einem (ir)rationalem Zwiegespräch:
A: Du hast gerade x gesagt.
B: Nein, habe ich nicht. Du legst mir Worte in den Mund.
A: Das ist eine Unterstellung! Du hast x gesagt.
Auch ein hinzugezogener Beobachter kann das Problem nicht lösen:
A zu C: B hat x gesagt, stimmt’s?
C: Etwas derartiges wäre mir sicher aufgefallen.
A: Aha, ihr habt Euch also gegen mich verschworen.
B: Ich habe mich mit niemandem verschworen und auch nicht x gesagt.
C: Oje, ich glaube ich halte mich doch lieber raus.
A: So so, und nun die Parteinahme leugnen!
C: Ich leugne nichts, ich will mich nur aus Eurem Streit raushalten.
A: Feigling!
B zu A: Lass C doch in Ruhe, er hat damit nichts zu tun.
A: Siehst Du, Du verteigst C, also steckt ihr doch unter einer Decke!
Frage: Wodurch könnten die zwei/drei ihr Kommunikationsproblem lösen und was hätte das mit der Dokumentform zu tun?
„Wodurch könnten die zwei/drei ihr Kommunikationsproblem lösen und was hätte das mit der Dokumentform zu tun?“ Sie können es nicht lösen, weil keiner der Beteiligten die Bedingungen selbst schaffen kann, durch die eine Lösung akzeptierbar ist. Die Bedingungen zur Fortsetzung der Kommunikation werden durch die Kommunikation selbst hergestellt. Und kein Mensch kann kommunizieren. Die Dokumentform ist eine Form der Erfahrung, durch die das Gegenteil empirisch gemacht wird und welche zugleich, sobald sie ihre Möglichkeiten erschöpft hat, selbst an dieser Empirie scheitert. Das Gegenteil des Gegenteils kann anschließend in ein andereres Beobachtungsverhältnis gebracht werden, wenn die Bedingungen der Fortsetzung der Kommunkation durch ein anderes Beobachtungsschema einen Attraktor ausbilden. Und da keiner die Regeln durchsetzen kann, durch welche dieses oder jenes empirisch akzeptierbar ist, weil die Kommunikation Irreversibilitäten geschaffen hat, die zu berücksichtigen wären, müssen ziemlich viele Redundanzen erzeugt werden, um die Komplexität zu steigern, die es ermöglicht, dass Bedingungen auf Bedingungen treffen, die sich durch einen Gleichzeitigkeitsverweis als strenge Form des Weitermachens heraus stellen. Meine These lautet, dass mit der Dokumentform das Selbstbeschreibungsprogramm einer funktionalen Differenzierung durchgeführt wurde, ein Programm, das erst durch sein Scheitern beobachtbar, und dann erklräbar wird. Damit ist nicht gesagt, dass ich all das erklären kann. Oder erklären werde. Aber es soll auch gesagt sein, dass der Quatsch, den ich verbreite, auch nicht größer ist als der Quatsch, den andere genauso verbreiten müssen, damit es geht. Oder so: jeder Troll kann wohl in dieser Sache mehr leisten als ein Wissenschaftsbeamter, der ganz andere Sorgen hat. (Was ja nicht heißt, dass diese unberechtigt wären.)
Also ich fass das ganze mal so zusammen: Diese hier ablaufenden Diskussionnen scheinen ganz offensichtlich immer noch einem Rationalitäts-Paradigma zu folgen, welches durch die Zerrüttung der Dokumentform fragwürdig geworden ist, behauptet Kusanowsky. In dieser Hinsicht werden die hier beobachtbaren Diskussionen verständlich, meint er, weil sie letztlich die Zweifelhaftigkeit dieses Paradigmas durch seine Trivialisierung beobachtbar machen, ohne gleichwohl einen Ausweg zeigen zu können. Insofern sind diese Diskussionen Affirmationen, durch welche das mit Erlaubnis versehen wird, wogegen ohnehin niemand etwas machen kann. Man zeigt sich skeptisch und kritisch; und ansonsten geht alles seinen Gang, weil ja auch ein Skeptizismus und ein Kritizismus von der anderen Seite in Anspruch genommen werden darf. Vielleicht käme man weiter, wenn man bemerkt, dass das Internet nicht Hilfe oder Heil ist (weil damit ja auch das Gegenteil erwägbar wird), sondern eine Behinderung, durch welche die Erfolgsbedingungen strukturiert werden, die festlegen können, was sich in der Folge durch Überwindung dieser Behinderung noch als haltbare Kommunikation erweisen kann. Wenn das stimmt, was man bezweifeln kann, müssten für eine soziologische Erforschung des Internets Wissenschaftler vermehrt an Internetkommunikation teilnehmen um Beobachtungsverfahren zu entwicklen, die auf Paradoxien paradox reagieren.
In Summa: Kusanowsky schreibt den größten Käse, den es gibt. Kann das jemand noch bezweifeln?
„In Summa: Kusanowsky schreibt den größten Käse, den es gibt. Kann das jemand noch bezweifeln?“
Für diese Attacke habe ich keine ausreichende Erklärung, aber wenigstens zeichnet sich ab, dass das Problem selbst verstanden und der Internetkommunikation mit Erwartungen begegnet wird, die durch andersartige Beobachtungsverhältnisse zustande kommen. Diese hier ablaufende Kaskadierung von Pseudonymitäten oder besser vielleicht noch: ihre Iteration kommt dem vielzitierten „Tod des Autors“ bemerkenswert nahe, wenn man von einer (wie-auch-immer) latent-motivational gespeisten Mitteilungsattraktivität absieht. Überhaupt: Eine interessante Nähe zur ironischen oder närrischen Kommunikation, bei der die Selektion der Information durch die Selektion der Mitteilungsform konterkariert wird.
Wenn man den Narren (historisch) als eine Art „Hacker am Hofe“ denkt, dann ist man m.E. gar nicht weit von Dirk Baeckers Vorschlag entfernt, den Hacker (und nicht mehr den virtuosen Kritiker) als heros der nächsten Gesellschaft zu begreifen.
http://www.heise.de/tp/artikel/7/7623/1.html
Ein Kommentar-Troll schrieb heute:
Man kann bei aller epistemologischer Verzweiflung von einer latent-motivational gespeisten Mitteilungsattraktivität nicht absehen.
Nun fragt man sich: Wie lange kann Willkür und Wahnsinn attraktiv und irritierend genug wirken, um zum Lesen und Schreiben zu motivieren? Ein Troll geht um in Europa! Alle rationalen Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen den Troll verbündet, der Wissenschaftler und der Journalist, Bielefelder Systemdenker und Frankfurter Konsensualisten. Wo ist der Schreiberling, der nicht von den anderen Schreiberlingen als Troll verschrien worden wäre, wo der Troll, der den fortgeschritteneren Trollen sowohl wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf der Trolligkeit nicht zurückgeschleudert hätte? Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor. Der Troll wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt. Es ist hohe Zeit, daß die Trolle ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Troll ein Manifest der Trolligkeit selbst entgegenstellen. Wir danken dem großen Vorsitzenden!
[…] das Manipulieren? Weil man ja im gleichen Zug auch eine Erklärung für die Wahrheit und die Aufrichtigkeit mitliefern kann. Denn auch das muss noch natürlich sein. Und interessant wird es dann, wenn diese […]
[…] würden verdächtig werden. Vgl. beispielsweise die Diskussion um Formen des Dokuments oder der Person. Vgl. hierzu im Übrigen auch die Hacks durch akzeptierte […]
[…] seine Kompetenz, seine Rhetorik, sein Auftreten, seinen Stil. Der Versuch, die individuelle Originalität und Authentizität unter Beweis zu stellen, tritt auf Komplexität und der Kontingenz von Selektionen. Wer könnte […]
[…] das Manipulieren? Weil man ja im gleichen Zug auch eine Erklärung für die Wahrheit und die Aufrichtigkeit mitliefern kann. Denn auch das muss noch natürlich sein. Und interessant wird es dann, wenn diese […]
ÜBER ORIGINALGENIE UND ORIGINAL/KOPIE
Die vorliegende auseinandersetzung mit dem originalgenie bleibt fragmentarisch. Die einzelnen gedankenstränge konnte ich bisher nicht bündig zusammenführen. Trotzdem veröffentliche ich den text, weil ich einiges für durchaus weiterführenswert halte, auch wenn mir dies bisher nicht gelungen ist.
http://www.mulus.science/2017/05/02/Verbeamtetes-Genie-Fragment.html