Herkunft und Zukunft der Demokratie 3 #piratenpartei
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Beobachtet man wie die ersten Erfolge der Piratenpartei nach der Wahl in der Berlin inszeniert werden, fühlt man sich leicht an ähnliche Ereignisse in den 80er Jahren erinnert als die Grünen damit anfangen wollten, eine alternative Politik einzuführen. Für die Piratenpartei dürfte etwas etwas Ähnliches zu erwarten sein: entweder sie beharrt auf ihre sogenannten „Alternativen“, dann wird sie als kleine Randpartei weiter machen, oder sie professionalisert sich. Aber dann muss sie sich den Routinen anpassen, die sowohl durch das Dispositiv der Massenmedien als auch durch die Arbeitsbedingungen parlamentarischer Gremien entstehen. Sie muss sich in das Gefüge einpassen; und nicht, wie in der Piratenpartei geglaubt werden will, das Gefüge an die Partei. Oder aber es entstehen gänzlich andere Bedingungen. Aber auf diese scheint die Piratenpartei genauso wenig vorbereitet zu sein wie alle anderen Parteien auch, was man daran erkennt, dass im Grunde alle gescheiterten Ideale der Demokratie im Programm der Piraten unverdrossen wiederholt werden.
Interessant dürfte in diesem Zusammenhang die Frage sein, ob der performative Selbstwiderspruch der Demokratie jemals operativ behandelt werden kann. Dieser Selbstwiderspruch entsteht dadurch, dass die Forderung nach der Freiheit, wählen zu dürfen, keine Wahlalternative entgegen steht. Demokratie ist praktisch – gemäß eines berühmt gewordenen Wortes – alternativlos, was heißen soll: Es gibt keine Wahl mehr außer der, wählen zu müssen, was in der Geschichte der Entwicklungen eines demokratischen Gemeinwesens nicht immer so war. Diese „Alternativ-Paradoxie“ ist gleichsam ein Indikator für ein Beobachtungsdefizit, das durch den sozialen Selbsterfahrungsprozess eine Problemsituation erzeugt, deren Aussichtslosigkeit nach dem Ende der Feudalherrschaft nicht voraus zu sehen war, und – wie es scheint – bislang keine andere anschlussfähige Möglichkeit des Ausweichens erbringt als die, das demokratische Verfahren immer noch als Lösung für ein Problem zu sehen, das sich allerdings durch den Erfolg der Demokatie längst erledigt hat. Denn auch demokratiefeindliche Gesinnungen sind, wenn auch keine sehr schönen, nur weitere Tupfer auf einer ansonsten recht bunten Blumenwiese. Die demokratische Erfahrungsbildungsprozess hat zwar eine Umgangsweise damit gefunden, aber dieser Prozess steht seiner eigenen Zukunft notwendig indifferent gegenüber, solange auf Problemerzeugungsroutinen bestanden wird, deren Ergebnisse rückkoppelnd nichts anderes bewirken als die Verstärkung dieser Routinen. Gemeint sind damit in erster Linie Unterscheidungsprogramme, deren Inkommensurabilität mehr und mehr ins Auge sticht, wie etwa die Unterscheidung von Kapital und Arbeit oder die von Rechten und Pflichten. Man denke hier etwa an die Hartz IV-Gesetzgebung, die hilflos versucht, ein Recht auf Arbeit in eine Arbeitspflicht umzumünzen. Auch kann man bemerken, wie die Unterscheidung von Innen- und Außenpolitik zusehends brüchig wird, ja, sogar rechtsstaatliche Garantieen, die auf einer Unterscheidung von Sicherheit und Freiheit beruhen, können nicht länger durchgehalten werden. Dies nicht etwa deshalb, da es an demokratischer Zuverlässigkeit mangelte, sondern weil in institutionalisierte Zuverlässigkeit demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse ihr Problem verloren haben, durch welches sie als Lösung in Erscheinung traten.
Als Scheinlösung bleibt entsprechend nur verstärkte Beharrlichkeit zu demonstrieren, also strukturkonservativ die Einhaltung von Versprechungen zu ventilieren, deren Nichteinhaltbarkeit praktisch schon unmöglich geworden ist. Die daraus resultierenden Selbstwidersprüche haben für einen besonnen Beobachter gleichsam schon parodistischen Charakter.
Unverdrossen wird Demokratie als die Lösung für ein Problem verkauft, welches keine konsensfähige Meinungsbildung darüber möglich macht, worin es eigentlich besteht. Demokratie ist entsprechend nur das Opium des Volkes, nichts anderes als ein Seufzer der bedrängten Kreatur, die ihre Hilflosigkeit durch den unverbrüchlichen Glauben an die himmlische Erscheinung demokratischer Versprechungen kompensiert.
Fortsetzung folgt