Das Risiko der Sicherheit #bundestrojaner #nextsociety
von Kusanowsky

Der Staat sorgt sich um die Sicherheit der Bürger. Dazu darf er sich nur rechtlich zulässiger Mittel bedienen. Die rechtliche Zulässigkeit dieser Mittel wird wiederum durch den Staat festgelegt. Der moderne Staat bezieht seine Legitimität aus der Einschränkung seiner Gewalt, welche zu garantieren durch diese so legitimierte Gewalt zustande kommt. Daraus folgt, dass der Staat, wie alle anderen Systeme der Gesellschaft auch, zuerst einmal ein Problem mit sich selbst hat und sich entsprechend um sich selbst und seine eigenen Angelegenheiten kümmern muss. Daraus folgt dann auch, dass es nicht etwa der Terrorismus ist, der für die Sicherheitsprobleme des Staates verantwortlich ist, sondern der Staat selbst, der Sicherheit unter der Voraussetzung garantieren muss, dass die Freiheit, welche seine Bürger brauchen, um Gewalt des Staates einschränken zu können, unangetastet bleibt. Dieser Widerspruch ist für den Staat auf der Basis seiner eigenen Operationen nicht lösbar. Er kann mit ihm nur so oder so verfahren; aber wie auch immer er verfährt, zurück bleibt stets eine Lücke, ein Defizit oder auch: sein Versagen. Denn entweder er garantiert Freiheit oder Sicherheit, aber beides wird durch Garantierung gegenseitig eingeschränkt. Erstaunlicherweise ist eben dieses Versagen der eigentliche Reproduktionsprozess der staatlichen Legitimität. Denn nur solange der Staat versagt, gibt es genügend Grund, das eine zu fordern, zu befördern und in der Folge die Vernachlässigung des anderen zu bemerken, wodurch der Legitimierungsmythos jederzeit wachgehalten werden kann. So lange der Staat sich durch die Behandlung seines Widerspruchs in seine eigenen Stricke verfängt, solange kann er funktionieren, weil er immer genügend Probleme hinterlässt, um die er sich kümmern muss.
Und es dürfte interessant sein zu beobachten, was aus diesen politischen Routinen wird, wenn etwas anderes hinzu kommt. Die Diskussion um den Bundestrojaner dürfte wenigstens anfänglich anzeigen, dass sich der Staat, um legitimierungsfähig zu bleiben, nicht mehr länger auf sein vorprogrammiertes Versagen verlassen kann.
Der Einsatz einer Spionagesoftware ist ja nicht nur durch Ermittlungsbeamte möglich, sondern auch durch Kriminelle, die nur allzu gern wissen möchten, was die Ermittler über sie wissen. Damit hätte man es mit einer Asymmetrie der Ermittlungsgeschwindigkeit zu tun: Während Kriminelle ihre Spionagetätigkeit ohne Erlaubnis durchführen – darin zeigt sich das Merkmal der Kriminalität – müssen legale Spionagemaßnahmen vorher ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. Diese Zeitdifferenz ist für eine Polizei prinzipiell nicht hinnehmbar, insbesondere dann nicht, wenn das dafür notwendige Know-how frei zugänglich ist. Will der Staat also weiterhin an dem Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit versagen, so muss er sich etwas anderes einfallen lassen, denn er kann sich die Regeln dieses Hase-und-Igel-Spiels nicht einseitig von Kriminellen diktieren lassen. So bleibt praktisch nur die Möglichkeit, Spionagemaßnahmen ohne Erlaubnis durchzuführen. Und wenn dies in manchen Fällen dazu führen sollte, dass unschuldige Bürger in die Mühle des Staates geraten sollten, so wird die Bevölkerung lernen, dass auch Sicherheit ein Risiko darstellt, das mit geeigneten Maßnhamen kontrolliert werden muss. Und was spricht dagegen, solches Wissen um geeignete Maßnhamen in der Schule, in einer staatlichen Institution zu lernen?
@Kusanowsky – ehrlich gesagt: ich verstehe kein Wort von dieser Argumentation: alles dreht sich im Kreis und mir dreht sich alles im Kopf: sorry!
Hmm.. Hat sich „Der Staat“ nicht die Gewaltenteilung/-verschränkung einfallen lassen, um garantieren zu können, dass seine Gewalt eingeschränkt ist, obwohl er der einzige mit legitimer Gewalt ist?
Heißt das, du gehst davon aus, dass es politisch keinen anderen Weg geht ODER dass es legitim ist? Das wird nicht ganz klar, sollte es aber sein.
Außerdem sollte man bei der Schlussfolgerung dahin gelangen, wie man das verhindern kann, dass der Staat sich einfach illegal irgendwelche Möglichkeiten schafft.
Zudem scheint mir ein Missverständnis vorzuliegen, was die Garantie von Freiheit und Sicherheit anbelangt: Die Garantie der Sicherheit beispielsweise bezieht sich nicht so explizit auf die Sicherheit der Person im Allgemeinen, sondern auf die Sicherheit vor körperlicher oder sonstiger Beeinträchtigung durch den Staat! Auch die Freiheit soll vom Staat gewährt werden und so gut wie möglich gegen Dritte durchgesetzt. Daher sind die Garantien vielleicht gar nicht so widersprüchlich, wie es hier dargestellt wird.
Zudem stehen auch Statistiken dagegen, dass die Verfolgung von Terrorismus der am seltensten vorkommende Anwendungsfall der „Terrorgesetze“ ist. (http://gutjahr.biz/blog/2011/05/die-anti-terror-luege/) Das hieße: Werden solche Technologien tatsächlich von Kriminellen angewandt und der Staat hat ein Defizit hinterherzukommen oder werden die Technologien gar nicht in der Masse genutzt?
[…] elementarsten Sicherheitsanforderungen genügt.» Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner » Das Risiko der Sicherheit Urheberrecht neunetz sinniert über die ökonomischen Probleme mit dem Urheberrecht.Meine […]
@Christoph Kappes – Es geht hier um den Widerspruch zwischen Sicherheit und Freiheit. Bevorzugt der Staat die Sicherheit, schränkt er die Freiheit ein und andersherum. Das Recht kann jeder in Anspruch nehmen, aber man braucht dafür die Freiheit dies zu tun. Man denke zum Vergleich an bestimmte Absichten der Sozialgesetzgebung, die verhindern sollen, dass Sozialhilfeempfänger Klagen einreichen, indem man eine Gebühr verlangt, die Sozialhilfeempfänger nicht zahlen können. Die Gewaltenteilung funktioniert ja nicht von allein, sondern braucht die Mithilfe der Bürger und/oder oppositioneller Parteien. Aber wo diese Mithilfe fehlt, funktioniert auch die Gewaltenteilung nicht.
Der Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit ist sehr ursächlich für das Entstehen von Staatlichkeit überhaupt und in der Evolution nicht abschließbar, solange es ökonomisches Wachstum geben soll. Das hier habe ich gestern in einer Diskussion zum Trojaner geschrieben, es passt hier auch ganz gut, denke ich: „so ganz „naiv“ wie früher kann man die Technik der Überwachung nicht mehr abhandeln und das staatliche Handeln wird auch nicht mehr so leicht hingenommen. Das ist gut und richtig, um es mal persönlich-normativ auszudrücken. Und trotzdem verbleibt die Dikussion bei der etwas hölzernen Frage, wie Technik kontrolliert werden kann…wie sie vor „missbrauch“ geschützt werden kann. Eine uralte Debatte, die zyklisch mit jeder neuen Technik wiederkehrt..genauso wie mit der Entdeckung der Atomenergie die Frage aufkam, ob man lieber imperiale Machtansprüche durchsetzen oder doch lieber mehr Glühbirnen zum glühen bringen sollte. Bekanntlich entschied man sich für die Dazwischenantwort „beides“ und praktizierte wechselhaft und parallel, und genauso will es der Staat und andere Organisationen ja auch mit den neuen Kommunikationsformen: sie werden als Innovationen und neue Chancen gefeiert um im nächsten Moment wieder als „mißbrauchte Technik“ zu erscheinen. Ying und Yang, immerzu, oszillierende Metamorphosen, die wie eine Doppelhelix zur öffentlichen Diskussionskultur werden. Aber was sagt das über die Lernfähigkeit der Gesellschaft aus? Geht es auch ganz anders, mit der Technik?“
@Thorsten Kogge „Geht es auch ganz anders, mit der Technik?“ Vielleicht ja, und zwar denn, wenn sich die Bedingungen ändern, durch welche Technik als Problem erscheint. Vermutlich hecheln wir mit diesen Diskussionsroutinen immer noch einem Rationalitäts-Paradigma hinterher, welches gerade durch die Steigerung des Technikgebrauchs zustande gekommen ist. Diesem Rationalitäts-Paradigma zufolge wäre Technik nur das Mittel zum Zweck, es handelte sich also um Werkzeuge zur Verängerung menschlicher Fähigkeiten. Und in dieser Hinsicht werden die von angesprochenen Diskussionsrouinen verständlich, weil sie letztlich die Zweifelhaftigkeit dieses Paradigmas beobachtbar machen, ohne gleichwohl einen Ausweg zeigen zu können. Insofern sind diese Diskussionen Affirmationen, durch welche das mit Erlaubnis versehen wird, wogegen ohnehin niemand etwas machen kann. Man zeigt sich skeptisch und kritisch; und ansonsten geht alles seinen Gang, weil ja auch ein Skeptizismus und ein Kritizismus von der anderen Seite in Anspruch genommen werden darf. Vielleicht käme man weiter wenn man bemerkt, dass die Technik nicht Hilfe oder Heil ist (weil damit ja auch das Gegenteil erwägbar wird), sondern eine Behinderung. Sie dienst gleichsam zur Verkomplizierung der Welt; und erst das Meistern dieser Verkomplizierungen ermöglichen unvorhersehbare Freiräume, indem die Determination sublimierend in Wahlmöglichkeiten verwandelt wird, was wohl erst geht, wenn Umwege nötig werden, weil die geraden Wege durch Technik versperrt sind.
[…] zusehends brüchig wird, ja, sogar rechtsstaatliche Garantieen, die auf einer Unterscheidung von Sicherheit und Freiheit beruhen, können nicht länger durchgehalten werden. Dies nicht etwa deshalb, da es an […]
[…] neulich mit der Staatstrojaner-Affäre in Erfahrung gebracht wurde, dass die staatliche Sicherheit selbst riskant wird, wird nun in Erfahrung gebracht, dass der Staat seinen Verfassungsschutz aus dem gleichen […]