Die Trivialisierung des faustischen Genies
von Kusanowsky
siehe dazu auch: Das Schicksal des Genies
Der moderne Mensch ist als Genie zur Welt gekommen. Gemeint ist damit natürlich seine soziale Existenz, an deren Beginn gemäß seiner Selbstbeschreibung das Rousseausche Subjekt steht, das keine soziale Welt zur Voraussetzung hat, sondern welches seine natürliche Freiheit gegen die Verlockungen und Zumutungen der Zivilisation eintauscht. Es tut dies aus eigenem Vermögen, so der Mythos, aus sich selbst heraus; es erschafft gleichsam seine soziale Existenz als genialer Bezwinger von Gewalten, deren dämonische Kräfte an seinen Fähigkeiten ihre Grenzen finden. Seine eigene Fähigkeit ist – so könnte man paradox formulieren – auf universelle Selbstbestimmung spezialisiert, woraus sich der transzendentale Wagemut ableitet, der sublimierend die Beschränkheit des eigenen Vermögens zum Ausgangspunkt für die vollständige Beherrschung der daraus resultierenden Schwierigkeiten macht.
Nicht erst das Atomzeitalter hat diesem Wunschtraum ein Ende bereitet, aber spätestens seitdem kann man bemerken, dass für diese Illusion noch kein Ersatz gefunden wurde, was vielleicht daran liegen kann, dass die Trivialisierung dieses Geniebegriffs sich noch nicht ausreichend verbreitet hat.
Als Indikator für diesen Trivialisierungsprozess könnte man das Urheberrecht nehmen. Der Urheber, entstanden als das Vorrecht des faustischen Genies, das Genehmigung erteilen darf, um die Authentizität des genialen Gedankens sicher zu stellen, ist zu einem Geschäftsmodell verkommen. Und nur als solches kann Urheberschaft innerhalb der ganzen Komplexität noch Relevanz gewinnen, weil nur als Geschäftsmodell eine juristische Sanktionsmöglichkeit den Unterschied von Zahlung und Nichtzahlung, von Erlaubnis und Verbot garantiert. Aber über Authentizität kann keiner mehr einen genialen Gedanken aufschreiben, was niemanden davon abhält, dies immer noch zu versuchen. Allein die Genialität der Versuche, wahre Wirklichkeit, ursprüngliches Menschsein und echte Bedürfnisse zu formulieren haben die Grenze zur Parodie faustischer Habitualisierungen längst erreicht. Und möglicherweise kann das Genie erst abdanken, wenn es auch über solche Parodien nicht mehr lachen kann, weil der Witz mit der gleichen Gesellschaft untergegangen ist, durch die er verbreitet wurde.
Deshalb handelt es sich immer noch um ein ernste Sache, deren Dringlichkeit vor allem aus der Leugnung der sozialen Herkunft des Subjekts resultierte. Diese Leugnung, oder besser: die Aussicht auf Selbstbestimmung, zog notwendig das Problem des Gewissens nach sich, denn nur das Gewissen konnte unter diesen Bedingungen als Garantiefaktor genommen werden, um zu leisten, was der moderne Mensch leisten muss: Selbstbeherrschung, welche zu gewinnen war unter stetig wachsenden Schwierigkeiten, die sich auch in der Konsistenz der eigenen Selbstbeschreibung als Biographie niederschlug; sich selbst noch beschreiben zu können, wenn man dafür wie für alles andere auch auf die Mithilfe vieler fleißiger Hände (Industria) angewiesen ist, ohne welche nicht einmal das Geringste in dieser Hinsicht zustande gebracht werden könnte.
So brachte sich das Subjekt gerade dadurch als sozial determiniert in Erfahrung, dass es seine soziale Herkunft leugnete, weshalb es auch kein Wunder ist, dass es diese Determinierung immer noch mit Argwohn beäugt; es also noch nicht den nächsten Sublimierungsschritt vollziehen kann, der die soziale Determinierung nicht als Hindernis in Erfahrung bringt, sondern als ein nächster Spielraum für die Entfaltung von Freiheitsmöglichkeiten. Zwar konnte es sich durch die Paradoxie seiner transzendentalen Sublimierung einigermaßen auf die Zumutungen vorbereiten, die aus seiner selbstgewählten Mündigkeit resultierten, doch kann es nur schwer verstehen, dass diese Zumutungen deshalb so aufdringlich sind, weil ihre Abwehr nicht mehr jenen Freiheitsraum erweitern, in welchem das moderne Subjekt entstanden ist. Diese Abwehrversuche verringern ihn immer mehr.
„You have just internet access“ – Diese Feststellung als Zumutung verstanden ist hier zunächst noch als Kränkungsversuch zu verstehen, der dem faustischen Subjekt ein Zugeständnis an nicht zu leugnende Bedingungen der Fortsetzbarkeit von Kommunikation abringt. „Du hast nur einen Internetzugang“ – es ist dieses „nur“, das auf die Nüchternheit einer Entkleidung und Bloßstellung verweist und als Appell funktioniert: Sieh ein, gib zu, gestehe: du bist kein Genie. Dass diese Kränkung funktioniert kann, man übrigens noch an dem Gelächster ablesen, das als affektive Abwehrmaßnahme funktioniert, durch welche die Kränkung affirmativ als ihr Gegenteil genommen wird. Das Gelächter will seinen seinen letzten Rest faustischer Souveränität durch Selbstreflexivität bewahren. Es ist der letzte Halt vor dem Absturz.
Dabei verweist dies „nur“ auf der anderen Seite auf ein Sublimierungsangebot, auf eine Entschädigung, die aber erst akzeptiert wird, wenn ihr Nutzen noch vor der Preisgabe faustischer Genalität evident geworden ist. Dass ein Internetzugang also auch als Glücksall für einen neuen Freiheitsraum verstanden werden könnte, ist so noch nicht ersichtlich. Man möchte schon vorher wissen, was man erst nachher bekommt. Dieser neue Freiheitsraum ist der des Spiels, der vielleicht erst dann erobert werden kann, wenn das fautische Subjekt auch noch die Trivialität seiner Gewissenszwänge erarbeitet hat. Es müsste lernen können, dass das Tricksen, Täuschen, Stören der Internetkommunikation nicht zu seinem Nachteil funktioniert.
Hier ist der Link zu Mark(!) Thorsby’s Vortrag:
1.) Descartes & the _Mind/Body Split_
–> http://en.wikipedia.org/wiki/Mind%E2%80%93body_problem#Descartes
2.) The #Mind after Empiricism
–> http://www.ditext.com/sellars/epm.html
3.) #Turing & #Searle
–> http://www.neatorama.com/2007/03/23/the-truth-at-last-computer-is-the-homos-devil-machine/#!WZZB0
4.) #Consciousness as a Problem: „Intentionality“
–> http://en.wikipedia.org/wiki/John_Searle#Intentionality_and_the_Background
5.) Gilbert Ryle: Mind vs. Body = Category Mistake
–> http://en.wikipedia.org/wiki/Gilbert_Ryle#The_Concept_of_Mind
6.) The Problem of Physicalism:
– *Vienna Circle*
–> Expressions on mental states can be reduced to expressions about physical states
– *Herbert Feigl*
–> Mental states and events are identical with neurophysical states and events
& the Question:
„… whether or not the #mind can be reduced to the #brain …“ ?
–> http://en.wikipedia.org/wiki/The_Extended_Mind
Mark Thorsby auf GooglePlus:
https://plus.google.com/u/0/s/Mark%20Thorsby
Ein Blick auf den Youtube-Kanal von Mike Thorsby lohnt sich:::
https://plus.google.com/…/10348656166…/posts/Zduq5EWX8XV
Er bespricht hier die Philosophy of Mind und insbesondere Thomas Nagel.
Es geht um das Mind/ Body Problem und die Fragen:
“… whether or not the #mind can be reduced to the #brain …” ?
& “What is it like to be a Bat?” (Thomas Nagel)
http://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Nagel#Philosophy_of_mind
http://en.wikipedia.org/wiki/What_Is_it_Like_to_Be_a_Bat%3F
Auf meiner Suche nach “Thomas Nagel” ist mir dieser “Thomas Nagel” hier begegnet:
Was er berichtet und behauptet find’ ich auch sehr interessant in diesem Kontext… –> http://en.wikipedia.org/wiki/The_Extended_Mind
Ehrlich. 🙂
Durch aufmerksame Beobachtung der Netzkommunikation erkennt man schließlich deutlich, dass unser „Denken“, das in unseren eigenen Köpfen stattfindet, eigentlich nicht viel mehr als die Peripherie der Prozesse sein kann, in denen (oder aus denen heraus) Ideen, Wissensinhalte und Innovationen gebildet, geschaffen oder gefördert werden.
In der Diskussion zum Artikel auf facebook sind mir gerade noch ein paar Gedanken, Ideen oder Einfälle durch den Kopf gegangen, die ich dann auch in Text gefasst habe… :::
Der Auslöser war ein Einwurf und ein Wortspiel von Franz Stowasser…
das hat in mir eine Kette an interessanten Assoziationen ausgelöst… (oder eine Art „bisoziatives Denkmuster“, das ich selbst auffällig fand…)
Der „Geist“/ Das „Bewusstsein“ oder das „Denken“ basiert ja im Grunde auf (Reiz/ Muster) Resonanz…
Es fallen Begriffe in der Kommunikation, die im individuellen Bewusstseinssystem (im „Geist“ oder im „Hirn“) beim involvierten Zuhörer gewisse (neuronale) Stränge schlagen — also Resonanz erzeugen — und zu Assoziationen führen/ zur Bewusstwerdung von Gedächtnisinhalten, die mit dem angezielten Kontext der Aussage des Sprechers mitunter nur wenig zu tun haben. Arthur Köstler hat hier den Begriff der Bisoziation geprägt: http://de.wikipedia.org/wiki/Bisoziation
Wenn man die spontanen/ zufälligen/ (un)willkürlichen Ideen oder Einfälle dann im eigenen Bewusstsein wieder rational oder kreativ reflektiert, dann kommt man unter Umständen auf ganz neue Ideen oder Einsichten.
Diese Einfälle, Ideen oder Einsichten ergeben dann vielleicht sogar im Kontext der ursprünglichen Konversation oder Diskussion Sinn…
Oder sie lassen sich sinnvoll in einem anderen Kontext oder Diskurs einbringen, den man vielleicht sogar als fundamental relevant betrachtet.
So kann aus trivialem Unsinn/ aus Blödelei und Absurdität letztlich wieder Sinn konstruiert, gefördert, zu Tage gebracht oder „entborgen“ werden.
Was ich sagen will ist:
Wir sind sowieso mehr als Individuen…
Der Mensch war und ist (einsam und allein) nicht viel mehr als ein schwaches Tier ohne Fell mit einem großen Kopf.
Wir sind Konten in einem Netzwerk. Alle anderen Kategorien des Seins sind vielleicht nur ein Symptom von Selbstüberhöhung und Eitelkeit.
Je mehr wir lernen unseren Geist/ unser Hirn und unser Weken kreativ und vielseitig zu vernetzen, desto mehr SIND wir tatsächlich und wirklich (im Wortsinn).
Wenn wir uns darauf einlassen mehr zu sein als wir (an und für uns selbst) sein können/ wenn wir lernen außerhalb der Kontext-Kiste zu denken, dann machen wir tatsächlich den Weg frei, für kreative Prozesse der Ideen- und Wissensbildung, die uns wirksam bei der Neubewertung/ Redefinition oder bei der Bewältigung effektiver, praktischer oder theoretischer Probleme im gesellschaftlichen Leben und Alltag helfen können.
Anthropologen gehen davon aus, dass es das individuelle Bewusstsein, so wie wir es kennen, als Identifikation mit einer „Person“, die man „Ich“ nennt, in der Stammesgesellschaft noch gar nicht (deutlich) gegeben hat. (Der Begriff „Person“stammt aus dem antiken Theater!)
Das „Individuum“ ist erst im Laufe der Medienevolution entstanden… oder erfunden worden…
Der Buchdruck war da ein bahnbrechendes Ereignis zur Redefinition der Selbstwahrnehmung im Kontext der Gesellschaft.
Mit dem Buchdruck hat sich die „Autorenschaft“ entwickelt.
Durch Reproduktion von Tonträgern, durch Kino/ Film und letztlich über die Broadcast-Medien-Kultur (TV/ Radio) sind reihenweise „öffentliche Persönlichkeiten“ und „Stars“ (mit Gesicht und Wesen) geboren worden… (Und damit eben auch Identifikationssymbole oder Rollenvorbilder für die anonymen Massen/ für den „Kleinen Mann“… die Identität der „Frau“ stand bis in die siebziger Jahre noch kaum zur Debatte!)
Vor dem Buchdruck gab‘ es nur sehr wenige Schreiber von Texten, die sich namentlich kenntlich gemacht haben… Vor dem Buchdruck wurden Werke in der Regel abgeschrieben und der Schreiber war eine Hand im Heer der Kopierer/ der Reproduktion von Wissen…
Die Individualisierung des Menschen über die Schrift und Medienkultur führt nun eben auch zu einer zunehmenden Re-Tribalisierung der Gesellschaft… in der Wissensflut und im Überangebot an Information, Sinn und Identität löst sich auch das Individuum wieder allmählich auf… aber das ist weder schlimm noch bedauerlich.
Die These, dass wir uns angesichts unser Kultur- und Medienevolution wieder stärker tribalisieren — also stammesgesellschaftlich orientieren — wird letztlich aber auch wieder von dem Phänomen „social web“ & „social networking“ in Frage gestellt! (So einfach is‘ es nicht.)
Marshall McLuhan hat bereits in den 70ern gewarnt, dass durch den erlebten Zerfall von Identität in der westlichen Gesellschaft im Medienzeitalter eine spürbare Rückbesinnung zu Nationalismus oder Rassismus und eine Tendenz zu politischen Unruhen und Separatismus spürbar wird.
Das haben wir auch so erlebt bisher, aber wir erleben andererseits eben auch eine deutliche Tendenz der Bewusstwerdung, über gesellschaftliche, politische, ökologische Umstände und psychologische Momente unserer Existenz als Mensch und Individuum.
Seitdem (auf facebook, Twitter, GooglePlus & Co.) nun aber jeder Einzelne auf Wunsch (kostenfrei) eine virtuelle Show-Bühne zur Verfügung gestellt bekommt, wächst damit auch unser Bewusstsein für die Rollen, die wir gesellschaftlich spielen. Das Phänomen „Social web“ kann durchaus eine Chance für mehr soziale Freiheit & Verantwortung sein.
Unser „Profil“ im Netz suggeriert uns und unseren Netzwerken zumindest das Gefühl, den Eindruck oder die Idee der Identität, wenn wir auch offensichtlich einsehen können, dass wir heute kaum mehr eine glaubhafte Chance haben, über einen längeren Zeitraum als „öffentliche Persönlichkeit“ wahrgenommen zu werden und auf erweiterte gesellschaftliche Horizonte Einfluss zu nehmen. (Das gesellschaftliche „Emporkommen“ oder „Peaking“ wird im Netz stark relativiert… es gibt nicht weniger, sondern mehr „Stars“.. aber die spielen eben nicht mehr die Rolle, die „Stars“ bisher gespielt haben… — „15 Miuntes of Fame“ http://de.wikipedia.org/wiki/15_minutes_of_fame …)
Die zentralistischen Strukturen der Öffentlichkeit zerfallen und die gesellschaftliche Einflussnahme findet tendenziell in stärker fragmentierten, aber unscharf (und flexibel!) definierten Kontexten und Horizonten statt.
Jeder wird in seiner Rolle leichter austauschbar.
Im Netz sind wir unberechenbar austauschbar.
In der digital vernetzten Gesellschaft kann der Mensch vielleicht noch viel konsequenter und wirklicher als je zuvor eine authentische Rolle spielen, jenseits der Eitelkeiten, die in der Grafik persifliert und kritisiert werden.
Die Art und Weise *wie* der Mensch eine Rolle spielt verändert sich allerdings durch die Computervernetzung.
Die „Persönlichkeiten“, die im Weltgeschehen eine Rolle spielen wollen, werden diese Rolle gut, aufrichtig, unterhaltsam und überzeugend spielen müssen, wenn sie im Netz genügend Resonanz erzeugen wollen, um wahrgenommen zu werden und Veränderungen bewirken zu können.
Also, man könnte auch sagen:
DOCH!
Wir sind das alles…
Wir alle sind (wenn man so will) „Intellektuelle“, „Poeten“, „Künstler“, „Kritiker“, „Erfinder“, „Forscher“, „Konstrukteure“ und vieles mehr…
(Wir müssen diese Bezeichner nicht verwenden, wenn wir Eitelkeiten vermeiden möchten, aber…)
Wir können das sein, weil wir im „Social Web“ so gut vernetzt sind, weil wir da Zugang zu Information und einen Namen haben und weil wir in der digitalen Vernetzung soviel Bühne, Sendezeit finden, wie wir brauchen und wollen und weil wir im Netz virtuell unendlich viel publizieren können, ohne dass Kostenfragen und Qualitätskriterien unserer Ausdruckswut im Wege stehen…
Aber was wir sind das sind wir letztlich eben ALLE ZUSAMMEN und nicht jeder für sich… das wird in der Vernetzung vielleicht nur um einiges offensichtlicher, als es vorher gewesen ist.