Ontologische Theorien der Kunst #dokumentform #systemtheorie

Die Probleme, die durch die Dokumentform aufgeworfen werden, lassen sich in allen sozialen Systemen auf jeweils sehr spezifische Weise wieder finden. Hier habe ich heute eine schöne Übersicht über die theoretischen Probleme gefunden, die sich für die Kunst ergeben, wenn man das Dokumentschema als dasjenige Schema benutzt, durch das die Welt empirisch gemacht werden kann. Dabei handelt es sich um einen Artikel zur History of the Ontology of Art, verfasst von Paisley Livingston, erschienen in der Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Man beachte vor allen Dingen, welche theoretischen Aus- und Abschweifungen sich daraus ergeben können:

Was ist eigentlich ein Musikstück: Ist das der gedruckte Notentext? Oder ist das Musikstück das, was bei einer Aufführung aufgeführt wird? Oder ist es die Summe aller Aufführungen? Ist ein Musikstück nur das, was man sinnlich wahrnehmen kann? Oder ist ein Musikstück irgendetwas Nicht-Materielles (eine Idee sozusagen), die immer wieder unterschiedlich realisiert werden kann, so wie es z.B. viele verschiedene Aufführungen von ein und derselben Symphonie gibt?
Ein Beispiel aus der Literatur: Wenn durch einen dummen Zufall alle gedruckten oder sonstwie vorhandenen Textexemplare von Hamlet auf einen Schlag verbrannt werden oder verloren gehen – gibt es dann noch Hamlet?
Wenn in einer Ausgabe von Tolstois Krieg und Frieden zufällig ein Komma falsch gesetzt wird, ist es dann noch Krieg und Frieden?
Wenn ein Autor zwei Fassungen eines Romans schreibt – ist das dann derselbe Roman oder gibt es zwei Romane?
Wenn zufällig und ohne jede Kenntnis von Goethe ein Autor im Jahr 2011 ein Werk schreibt, das bis auf das Komma genau Goethes Faust gleicht – gibt es dann einen Faust oder zwei? (Herkunft)

Es reicht nicht, solche Spekulationen mit Geringschätzung ob ihrer theoretischen Mängel zurück zu weisen, wie dies gewisse Anhänger einer systemtheoretischen Schule gerne tun. Es käme eher darauf an erklären zu können, wie solche Spekulationen zustande kommen und wodurch sie ihren Charakter der ernsthaften Befassung erhalten. Welche Form der Erfahrung kann Anlass zu solchen Überlegungen geben?

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