Kommunikation ist kein Geschäftsmodell #leistungsschutzrecht
von Kusanowsky
Das Problem um das Leistungssschutzrecht wird noch längere Zeit diskutiert werden; und wie immer entschieden wird, man wird nicht glauben können, dass die nächste Entscheidung, wie immer sie lauten wird, die letzte und endgültige in der Sache sein wird. Das kommt daher, dass das Problem eben doch komplexer ist als die Streitenden es kommunizieren möchten. Das gilt erst recht für die Annahme, man könnte die Problemsituation auf juristische Differenzen reduzieren. Aber das Problem, um das es gesellschaftlich geht, lässt sich weder mit juristischen Entscheidungen noch mit Geschäftsmodellen lösen. Anders als in dem Artikel „Eine Realsatire zum Leistungsschutzgeld“ behauptet, liegt das Problem der Verlage nämlich nicht in einer mangelnden Fantasie über ein brauchbares Geschäftsmodell begründet. Tatsächlich haben wir es damit zu tun, dass die Kommunikation in der Gesellschaft kein Geschäftsmodell ist, aber diese Einsicht konnte bislang immer wieder verschoben werden. Denn Kommunikation über Zeitschriften- und Zeitungsartikel hat es schon immer gegeben und musste es immer geben, in Kneipen, in Büros, in den Unversitäten, überall sorgte das „Geschwätz der Leute“ (Gabriel Tarde) dafür, dass die Werbung irgendwen erreichen konnte, aber dieses „Geschwätz“ war bislang nirgendwo dokumentiert. Es ereignete sich und verschwand wieder. Nunmehr, da diese Gespräche durch Internet dokumentierbar sind, entsteht plötzlich eine Einsicht in diese bislang uninformierte Situation: eine jede Zeitung (was für anderen Waren jeder Art genauso gilt) ist darauf angewiesen, dass möglichst viele Leute möglichst viel darüber mitteilen und erfahren, weil nur so gewusst werden kann, was man von diesem oder jenem Produkt halten kann. Woher wissen wir denn über die Qualitätsunterschiede zwischen BILD und FAZ? Doch nicht aus der Lektüre dieser Zeitungen selbst, denn woher wissen wir von diesen Zeitungen? Aus der Werbung? Woher wissen wir von der Werbung?
Kommunikation ist kein Geschäftsmodell. Und genau das gilt auch für Google, ein Unternehmen, das jetzt in eine vergleichbare Position kommt wie ehedem die Verlage: man profitiert von der Kommunikation der anderen, aber dieser Profit ist nur möglich, solange noch keine weiteren Möglichkeiten in Aussicht stehen, von diesen Profiten wiederum zu profitieren. Durch ihren imperialen Ausbreitungsdrang können sich Google und Facebook dieser Einsicht entziehen, aber sie lassen sich prinzipiell auf das gleiche Problem wieder ein: die Kommunikationen der anderen, hier die der Internetuser, sorgen dafür, dass sich Google und Facebook imperial verbreiten können. Das „Geschwätz der Leute“ verlagert sich in seiner Bedeutung nunmehr vom gesprochenen Wort, das ja auch in Zukunft nicht wegfällt, auf dokumentierbare und durch Algorithmen auswertbare Gespräche in den „social networks“.
Wir haben es mit der Situation zu tun, in der eine jede Kuh eine andere melkt und ein jede Kuh dabei übersieht, dass sie dies nur kann, wenn sie von einer anderen gemelkt wird. Und jedes Mal, wenn eine Kuh eben dies heraus findet, wie gegenwärtig die Verlage und in Zukunft Google selbst, schreit sie auf und beharrt auf ihr Vorrecht, das empirisch, also in der gesellschaftlichen Realität des Vollzugs von Kommunikation, gar nicht gegeben ist.
Daher ist es unangebracht, diese aktuelle Brüllerei mit Geringschätzung zu betrachten, weil diese Geringschätzung ihren Teil dazu beiträgt, über die Situation keine Klarheit zu gewinnen.
Kommunikation ist sehr Wohl ein Geschäftsmodell. Davon lebt die Telekommunikations-Branche und früher auch mal die Post (Briefe sind glaube ich momentan ein Zuschussgeschäft, aber das wird sich vielleicht auch nochmal ändern).
Die Annahme, das Medien Kommunikation als Geschäftsgrundlage haben ist allerdings falsch. Die Geschäftsgrundlage von Medien ist der Verkauf von Aufmerksamkeit. Daher gilt es möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen und dann zu halten (= Zeit zu verschwenden). Auch das scheint ein gutes Geschäftsmodell zu sein, zumindest gibt es zahlreiche gut laufende Geschäfte, die darauf basieren, auch außerhalb der Medien.
Das Leistungsschutzrecht ist nun nur ein weiterer Auswuchs unseres verrückten Copryright-Rechts. Natürlich möchte jeder gerne die Konkurrenz möglichst einfach ausschalten und die Medien sind selbst eine mächtige Lobby, die werden das schon durchdrücken. Mit volkswirtschaftlicher Vernunft oder nachvollziehbarer Legitimität hat das nichts zu tun.
Zur Miesere des Journalismus kann ich diesen Artikel sehr empfehlen. Er beschäftigt sich zwar nicht mit Leistungsschutzrecht, doch stellt er eine bemerkenswerte These über (Sach-) Journalismus auf. Er behauptet wie Du, dass es dafür noch nie ein Geschäftsmodell gab, begründet das aber etwas anders.
Kommunikation ist kein Geschäftsmodell, weil kein Unternehmen, kein Kunde, kein Lieferant, kein Konkurrent und kein Geschäftspartner, kein Kapitaleigner und kein Angestellter kommunizieren kann. Für jedes Angebot gilt wie für jede Nachfrage, dass beides durch die Kommunikation erzeugt, ermittelt und vermittelt werden muss. Und wenn das gelingt, wenn also Kommunikation gelingt, dann gelingen auch Geschäfte. Aber kein Geschäft könnte ein Angebot herstellen, wenn nirgendwo eine Nachfrage hergestellt würde; niemand könnte eine Nachfrage herstellen, wenn nirgendwo ein Angebot hergestellt würde. Die betriebswirtschaftliche Ideologie kann das ignorieren, weil sie nichts erklären, sondern das Abmelken von Kühne rechtfertigen will. Aus diesem Grunde wäre zu unterschieden zwischen der Selbstbeschreibung eines Wirtschaftssystems, das Kommunikation wie eine Ware behandelt und sich auf alle daraus ergebenden Beobachtungsdefizite einlassen muss; und einer Beobachtung dieses Systems, das diese Beobachtungsdefizite beschreibt und damit keine Rechtfertigungen formuliert.
[…] stand und man sich immer dachte: Das kann doch eigentlich gar nicht sein. Mittlerweile, da das Internet die Aufgabe der Massenmedien übernimmt, und die Gesellschaft immer mehr thematisiert wird, ohne dass Autoren und Autorität im Mittelpunkt […]
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