Wenn Kommunikation, dann Performat

von Kusanowsky

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Nach gründlichem Nachdenken kommt autopoiet zu folgenden Urteil: „Ich befürchte, dass es sich bei der Unterscheidung Dokument/Performat um keine theoretisch anschlussfähige, besser: ergiebige Unterscheidung handelt“ – sein höchst aufmerksamer Blog-Artikel beweist aber leider etwas anderes. Denn tatsächlich ist autopoiet einer der wenigen, die verstehen, worum es geht. Am besten hat mir diese Satz gefallen:

„Wenn Kommunikation, dann Performat.“

Genau. Entscheidend ist aber nicht mehr die Frage, ob das stimmt. Das wäre eine Frage trivialpositivistischer Hypothesen. Tatsächlich aber bekommen wir es, wenn wir Kommunikation unter völliger Vernachlässigung positivistischer Annahmen diskutierbar machen können, mit einem Beobachtungsschema zu tun, das die Frage erlaubt: Wie und wodurch ist die Annahme empirisch und sozial anschließbar zu machen, dass es Menschen sind, die kommunizieren, die handeln, die betrügen, manipulieren? Wie gelingt es einer Gesellschaft, die Behauptung evident zu machen, es könne Sinnestäuschungen geben? Wahrnehmungsstörungen? Geisteskrankheit? Wie kann die Zurechnung von Kommunikation auf Menschen deratige Evidenzverstärkungen hervorrufen, dass eben nur das und nichts anderes empirisch möglich scheint? Wie kann erkennbar werden, dass eine Kommunikationstheorie durch ein Sender-Empfänger-Modell höchste Akzeptanz erzeugt? Wie und woduch erklären wir die Strukturen der Reifizierbarkeit aller Realität in der Weise, dass sogar noch „Geistigkeit“ als Eigentum behandelt werden kann und eine entsprechende Grenzüberschreitung als „Diebstahl geistigen Eigentums“. Wie bringen es die Systeme fertig, Wissen zu haben, weitergeben, verheimlichen, vernichten zu können? Warum wird, wenn Konsens und Dissens gleichermaßen wahrscheinlich sind, nur der Dissens problematisiert? Warum Bemühungen um eine widerspruchsfreie Erkenntnistheorie, wenn nichts so wahrscheinlich ist wie Widerspruch? Woher kommt um alles in der Welt die Wertschätzung eines mit Würde begabten Menschentums? Wie, wodurch und warum werden Unterschiede von Identität und Alterität so dermaßen belastet, dass Massenmord als einzig möglicher Ausweg erscheint?

Wie und wodurch erklärt sich all dies, wenn man nicht einfach scholastisch behaupten möchte, die Systeme seien über sich selbst im Irrtum, im Unklaren? Wenn man nicht einfach sagen kann, die Systeme hätten über sich selbst eine falsche Theorie?
Also: Wie kann man in Erfahrung bringen, dass nur Kommunikation kommuniziert? Nicht, ob das interessant ist oder nicht, klug, irrig, weiterführend, sondern: wie kommt man darauf? Wenn die Antwort lautet: es seien selbstreferenziell operierende Sinnsysteme, die darauf kommen, dann will ich wissen unter welchen Bedingungen solche Überlegungen ernsthaft erwogen werden können. Und: unter welchen Bedingungen solche Überlegungen als abwegig in Erscheinung treten. Ich will also wissen: wie geht das vor sich in einem System, das sich über sich selbst in der Weise irritert, dass es sich mal sich selbst, mal als seine Umwelt mit den gleichen Differenzen und unter Berücksichtigung der gleichen Referenzen beschreiben kann.
Ich appelliere: bitte einmal weniger Luhmann lesen. Und einmal mehr die Frage stellen, ob das wirre Zeug, dass in diesen Büchern steht, nicht eigentlich höchst merkwürdig, ja verdächtig ist. Denn, es kommt ja nicht nur darauf an, was kommuniziert wird, sondern auch, was unter bestimmten Bedingungen nicht mehr oder noch nicht kommunizierbar ist.

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