Zur Metanoia moderner Systeme – Notizen zur Revolution der Medienevolution I

von Kusanowsky

Ein sozialer Umkehrungsprozess, verstanden als soziokulturelle Metanoia in der Evolution von Gesellschaft, ist ohne neue Verbreitungsmedien nicht zu machen. Verbreitungsmedien infomieren über einen solchen Prozess, aber gleichzeitig und umgekehrt sind Umorientierungen Voraussetzung für Verbreitungsmedien. Denn auch das Verbreitungsmedium muss, noch bevor es etwas verbreiten kann, wenigstens sich selbst verbreitet haben. Revolutionen können so niemals in ein Kausalverhältnis gebracht werden. Verbreitungsmedien revolutionieren im Laufe ihres Evolutionsprozesses die historisch situierten Wahrnehmungsweisen und Erfahrungsgrundlagen ebenso wie gesellschaftliche Strukturen; und mit ihnen auch die Bereiche jenes verzeitlichten Wissens von Revolutionen als eruptiver historischer Bewegung; ein Konstrukt das der Moderne als Dauerprojekt irreversibler Selbsttranszendierung eingeschrieben scheint. Insbesondere für die Überprüfung von Unterscheidungsroutinen, wie sie mit der funktionalen Differenzierung entstanden sind, stellen sich Fragen nach der Funktion von Normen und Symbolen und deren integrativer Leistungen für den Aufbau und die Stabilität sozialer Ordnung auf eine gänzlich andere Weise. Denn schon längst sind nicht mehr Bestandsbedingungen Gegenstand differenzierter Überlegungen. Vielmehr findet man eine Verschiebung der Fokussierung von Prozessen der Stabilisierung sozialer Ordnungsmuster hin zur Beschreibung der Fragilität sozialer Strukturen, zur Dynamik und Performanz von Transformationen und Zerrüttungen. Von der Annahme einer durch Kommunikationen sich vollziehenden Strukturierung der sozialen Welt ausgehend erscheinen besonders neue Verbreitungsmedien eine spezifische Funktion in der Kommunikation von Revolutionen zu erhalten, da sie keine Vorläufer haben, jedenfalls auf keine direkten Traditionsbestände zurück verweisen können, um sich zu legitimieren. Die Entwicklung des Internets geschieht in dieser Hinsicht dämonisch und kommt auf diese Weise als revolutionäre Errungenschaft zu Bewusstsein. Allenfalls könnte man noch behaupten, dass dies in der Geschichte der europäischen Kulturentwicklung der Normalfall ist, dessen dämonische Kraftentfaltung sich auf den Buchdruck genauso anwenden ließe wie auf die Einführung der Fotografie.
Nimmt man solche Überlegungen ernst, fällt sofort die Frage nach der Verbindung von Revolutionssemantik und Wissenskonstitution auf, womit ein Spannungsfeld zwischen Dämonie und Legitimation entsteht, das auf den selbreferenziellen Prozess einer Medienrevolution verweist. Wer wollte dabei nicht an die ausgeprägte Metaphorik des Revolutionären in medientheoretischen Klassikern von Brecht, Benjamin, McLuhan bis Flusser und Virilio denken? Das emphatische Hineinverlagern revolutionärer Qualitäten in ihren Gegenstand erscheint so rückblickend vor allem als legitimierender Gründungsmythos einer Gesellschaft, die lernen will, sich mit solchern dämonischen Techniken der Selbstbeschreibung friedlich zu befassen. Die Betonung des Revolutionären wird auf diese Weise zu einem Passwort umgemünzt, das aus dem Erschrecken über einen evolutionären Prozess eine Umkehrung in die Selbstbehauptung faustischer Allmacht vollzieht.

Fortsetzung

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