Google Street View – Zur Unterscheidung von Dokumentation und Simulation des Raumes 9

von Kusanowsky

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Die Gründe für das Aufkommen von Einwänden gegen das Vorhaben von Google Street View sind wohl das vorläufige Ergebnis eines sozialen Lernprozesses. Dieser Lernprozess bewältigt die Umstellung von Erfahrungsbildung durch massenmedial verbreitete Dokumente auf Erfahrungsbildung durch Performate. Vielleicht könnte man sagen, dass das Internet inzwischen schon als deviante Struktur der Massenmedien betrachtet wird. Diese Überlegung deckt sich ungefähr mit den virulenten Schundkampagnen, die sich gegen die Erscheinungsformen des Internets richten: die geringschätzenden Äußerungen über die Herrschaft der Amateure und inkompetente Blogger machen deutlich, dass die Zerrüttung der bekannten Garantiestrukturen in vollem Gange sind. Es kommt ferner ein Risikobewusstsein zum Ausdruck, das sich speist aus einer Kette von Datenskandalen, Internetabzockern und raffinierten Betrügern, welche die schwierige Dokumentationssituation des Internets als Kostenfallen ausnutzen, indem sie sehr geschickt die Last der juristischen Beweisbarkeit zu ihrem Nutzen umkehren. Es scheint außerdem klar zu werden, dass die Menge, der bald möglichen Betrugsmaschen in einem erheblichen Ausmaß steigen wird. Man bemerkt ferner wie einfach es inzwischen geworden ist, die Arbeit eines Privatdetektivs, die bis vor ein paar Jahren nur kostenintensiv erledigt werden konnte, heute von jedem Internetzugang der Welt in einem Bruchtteil der Zeit selbst erledigen zu können. Kombiniert man diese Möglichkeit mit dem Wissen um die Zudringlichkeit von Unternehmen, die jede Möglichkeit, auch wenn sie außerhalb der Grenzen des Wettbewerbrechts liegen, nutzen, um ihren Kunden mit Werbung und  Verkaufsangeboten nachzustellen, dann braucht man keine weitschweifende Fanatsie, um sich vorzustellen, was Verkaufsexperten sich noch alles einfallen lassen werden. Es kommen außerdem die Erfahrungen von Raubkopierern und Internetstalkern hinzu. Vergessen sollte man auch nicht, dass die Finanzkrise gezeigt hat, wie hilflos ein Staat gegenüber Konzernen ist, die, wenn sie nur groß genug sind, praktisch machen können, was sie wollen. Wer wollte so naiv sein zu glauben, dass solche Verhältnisse nicht auch Google oder seinen  Nachfolgern zugute konnen könnten.
Es fällt nicht schwer, sich daraus ein Gesamtbild zu entwickeln, dass von einer Dämonie des Geschehens zeugt, das von keiner bekannten legitimen Gewalt geregelt werden könnte. Das Ausmaß der Veränderungen dürfte dabei kaum zu überschätzen sein, zumal solche sozialen Lernprozesse von keiner zentralen Stelle aus dirigiert werden können, weshalb auch kein einzelnes Argument, sollte es sich auch mit größter Dringlichkeit im Dschungel der Aufmerksamkeit bemerkbar machen wollen, wichtiger genommen werden kann als jedes andere.