Google Street View – Zur Unterscheidung von Dokumentation und Simulation des Raumes 2
von Kusanowsky
Ermutigt wird die Diskussion – so die hier vertretene These, die ihrerseits darauf hin beobachtbar ist, auf Strukturen der Ermutigung angepasst zu sein – durch historisch angelieferte und strukturell distributierte Erfahrungsmomente, die sich auf kondensiertes Wissen um die Behandelbarkeit von Dokumenten aller Art beziehen: das, wovon man wissen kann, ist angeblich irgendwo festgehalten, abgespeichert und durch ein Referenzsystem, das den gleichen Reproduktionsbedingungen unterliegt, wiederauffindbar und beurteilbar. Das gilt für einen Zeitungsartikel genauso wie für ein Werbeplakat, für eine Fernsehsendung genauso wie für ein Schulzeugnis; für Wirtschaftsstatistiken, Kinofilme und Computerspiele, sogar für ein Gespräch unter Nachbarn, wenn daraus Zeugenaussagen für einen Gerichtsprozess abgeleitet werden könnten. Die Systeme haben durch entsprechende Kommunikationen gelernt, sich auf den dokumentarischen Charakter ihrer Realitätskonstruktionen zu verlassen. Entsprechend gilt als real, was real nachweisbar ist. Der Versuch, diese Art der Realitätsgewissheit durch prinzipielle Bezweifelung dieses Sachverhaltes zu unterlaufen – niemand könne angeblich sagen, was real ist – macht vom selbem Beobachtungsschema Gebrauch: Zu behaupten, nicht mehr sagen zu können, was real ist, wird dadurch genauso ermutigt wie das Gegenteil, weil für beide Positionen jederzeit genügend Dokumente durch Herbeiziehung erzeugt werden können, die sowohl die eine wie die andere Position verfizieren. Die Dokumentstruktur determiniert die Kommunikation. Und sofern die Kommunikation noch genügend Kapazitäten freigeben kann, um neue Dokumente herauszugeben und zu verbreiten, auch solche, in denen etwas ganz anderes behauptet wird – dass nämlich alle Kommunikation keinesfalls dokumentierbar sei – kann dieses Wechselspiel selbstimmunisierend immer weiter gehen.
Sofern nun die Erscheinungsformen, die das Internet hervorbringt, unter dem Dokumentschema betrachtet wird, sofern man also behaupten möchte, das Internet sei nur ein Massenmedium, das massenweise Dokumente verbreitet, kann man tatsächlich nicht gut erkennen, was denn eigentlich der Grund für all die Irritationen über Google ist, hat man doch mit Massenmedien lange Erfahrungen: Auf einem Bildschrim auf dem Schreibtisch ist nichts anderes zu sehen als die massenhaft verbreitete fotografische Komplettdokumentation des öffentlichen Raumes: die Simulation eines stehenden Bildes für einen stehenden, einen sich nicht bewegenden Betrachter, der sich durch dieses Bild virtuell hindurch bewegen kann.
Da wären wir also bei den verwendeten Unterscheidungen. Mir ist nicht klar, welche Unterscheidungen obigem Text zugrunde liegen, ich kann aber einzelne Unterscheidungen erkennen, die ich für Teilaussagen relevant finde – unabhängig davon, wie der ganze Text daran gebunden ist.
Die Unterscheidung „Massenmedien“ müsste expliziert werden, wenn das Internet AUCH als Massenmedien gesehen werden sollte. Traditionell sind Zeitungen, Radio und TV Massenmedien. Das Internet ist in sehr vielen Hinsichten ganz anders, würde also einen neuen Begriff von Massenmedien verlangen – neue Unterscheidungen.
Am TV-Bildschirm sehe ich ganze andere Dinge als am Internet-Bildschirm. Am Internet-Bildschirm sehe ich (weil ich so wähle) meistens Dokumente, die eine eindeutige Adresse haben. Diese dokumente werden mir nicht geschickt, ich hole sie an den Bildschirm.
Und indem ich genau dieses schreibe, verwende ich einige Unterscheidungen, die ich damit noch nicht explizit mache, die aber jederzeit Gegenstand der Reflexion sein können. Der für mich vordergründigste Unterschied ist dabei, inwiefern das Internet ein Massenmedium ist, was von einer Bestimmung der Begriffe abhängig ist.
@rolf – „Und indem ich genau dieses schreibe, verwende ich einige Unterscheidungen, die ich damit noch nicht explizit mache, die aber jederzeit Gegenstand der Reflexion sein können.“ – Genau. Und damit finden wir einen Ausgangspunkt für die Unterscheidung von Dokumenten und Performaten.
Ausgangspunkt? Ich meine, dass Unterscheidungen keinen Ausgangspunkt haben, sondern Setzungen sind, die als Voraussetzungen erscheinen. Im Sinne von G. Spencer-Browns Draw a distinction und der Baeckerschen Form: Was ist die Einheit der Unterscheidung und was wird ausgeschlossen.
Das müsste jeder ernsthafte Beitrag (auf Nachfrage als Re-Flexion) leisten. Ein Dokument lässt sich im Sinne dieser Differenztheorie sehen als …. Einheit? Unterscheidung markierte /nichtmarkierte Seite? Ausgeschlossen?
Beispiel:
Differenztheoretisch bezeichne ich als Dokument eine „Differance“ zwischen einem Text und dem durch den Textumfang bestimmten Textträger, der den Text als Einheit erscheinen lässt. Das Dokument erscheint also als Einheit in Form eines beschriebenen, im Umfang begrenzten Textträgers und ist mithin adressierbar.
Beispiele:
Briefe oder Verträge sind als Dokumente, das, was ich im Ordner ablege. Bilder auf den Server von Google.
Ausgeschlossen ist der Referent der Abbildung: etwa die Häuser, die auf Google abgebildet sind.
„Das Internet ist in sehr vielen Hinsichten ganz anders, würde also einen neuen Begriff von Massenmedien verlangen – neue Unterscheidungen.“
Bevor man Althergebrachtes über den Haufen wirft, sollte man die alten Unterscheidungen erstmal ausprobieren. Als Anfang würde ich die Unterscheidung von Erfolgs- & Verbreitungsmedien vorschlagen. Zunächst handelt es sich beim Internet doch nur um eine neue Form der Verbreitung von Informationen. Spannender ist dann die Frage, wie hat das Internet die Selektivität des Sinnsystems Massenmedien bei der Verbreitung neuer bzw. aufmerksamkeitswirksamer Informationen verändert. Hat es das überhaupt? Oder führt uns das Internet nur die Kontingenz der Selektionen der „älteren“ Massenmedien wie Funk & Presse vor Augen, indem es dem Konsumenten die Autonomie der Informationsselektion zurückgibt?
Dass es sich beim Internet um ein Massenmedium handelt, steht für mich außer Frage. Wird nicht gerade durch Street View Luhmanns berühmter Satz „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ auf die Spitze getrieben? Immerhin muss man jetzt nicht mal mehr vor die Haustür gehen, um zu wissen wie diese von außen aussieht.
P.S.: @Buhmann: Du bist trotzdem ein Dummkopf, weil du ein Trittbrettfahrer bist, der nicht mal soviel Einfallsreichtung besitzt, um sich einen eigenen Nickname auszudenken.
„Dass es sich beim Internet um ein Massenmedium handelt, steht für mich außer Frage.“ – wer das mit dieser Gewissheit behaupten kann, müsste die Struktur der Dokumentform erklären können. Kein mir bekannter Systemtheoretiker beschäftigt sich damit. Und da mich hier nun gleich zwei Buhmänner begleiten, würde ich gern wissen, wie solches durch ein Verbreitungsmedium möglich werden sollte, das Dokumente verbreitet? Die Verbreitung von Dokumenten schließt aus, dass das Dokument nach der Verbreitung manipuliert werden kann; alle Manipulation geschieht vor der Verbreitung, die erst nach der Verbreitung entdeckt werden kann. Hier sind nun zwei Buhmänner im Spiel und keiner von beiden kann Dokumente über seine Identität beibringen. Es ist nicht einmal erkennbar, dass es sich um zwei verschiedene User handelt, ja am Ende könnte alles auch von mir nur inszeniert sein. Wer das bezweifeln will, sollte verbreitungsfähige Dokumente beibringen, mit denen die eine oder die andere Behauptung verfiziert oder falszifiziert werden kann.
…“sollte verbreitungsfähige Dokumente beibringen, mit denen die eine oder die andere Behauptung verfiziert oder falszifiziert werden kann.“ Right on the money. Entweder age of reason oder… ?
„wer das mit dieser Gewissheit behaupten kann, müsste die Struktur der Dokumentform erklären können. “
Wieso eigentlich? Was haben denn Massenmedien und Dokumente miteinander zu tun? Wenn ich mal von einem Alltagsverständnis von Dokumenten ausgehe, zirkulieren die wenigsten Dokumente in den Massenmedien – aus datenschutzrechtlichen Gründen.
Hier noch einigen Fragen: Wenn sowohl Dokumentation und Manipulation (Fälschung?) vor der Verbreitung geschieht, welche Krititerien würden Sie angeben um ein Dokument von einer Fälschung zu unterscheiden? Wie würden Sie ein Dokument bezeichnen, daß zwar vor der Verbreitung manipuliert wurde aber die Manipulation nach der Verbreitung nicht aufgedeckt wurde?
„Es ist nicht einmal erkennbar, dass es sich um zwei verschiedene User handelt, ja am Ende könnte alles auch von mir nur inszeniert sein.“
Wozu gebe ich beim Verfassen des Kommentars meine E-Mail-Adresse an? Zumindest für Sie müsste beim Prüfen und Freischalten erkennbar sein, daß hier zwei verschiedene Verfasser am Werke sind. Sie könnten sogar überprüfen, ob die E-Mail-Adresse funktioniert. Damit kennen Sie zwar noch nicht meine Identität, aber zumindest wüssten Sie dass zwei Buhmänner am Werke sind. Das wissen sowohl Sie als auch der geneigte Leser. Warum setzen Sie sich dann selbst einem Inszenierungsverdacht aus, den sie jederzeit leicht ausräumen könnten?
„Zumindest für Sie müsste beim Prüfen und Freischalten erkennbar sein, daß hier zwei verschiedene Verfasser am Werke sind.“ – Es findet Kommunikation statt. Es gibt auch Leser dieser Kommentare, die nicht wissen können, was das Blog-Inhaber alles so veranstaltet. Ich möchte für die Zukunft bitten, in weiteren Kommentaren nicht das leichtfertige Risiko einzugehen, mit vagen Konzepten so selbstsicher daher zu kommen. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man für alles, was man so behauptet, eindeutige Dokumente beibringen kann, die alles ganz klar beweisen.
„Was haben denn Massenmedien und Dokumente miteinander zu tun?“ https://differentia.wordpress.com/2010/08/24/google-street-view-zur-unterscheidung-von-dokumentation-und-simulation-des-raumes-4/
„Ich möchte für die Zukunft bitten, in weiteren Kommentaren nicht das leichtfertige Risiko einzugehen, mit vagen Konzepten so selbstsicher daher zu kommen. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man für alles, was man so behauptet, eindeutige Dokumente beibringen kann, die alles ganz klar beweisen.“
Wozu? Daß hier keine explizite Verneinung meiner Behauptungen zur Funktionsweise eines Blogs dokumentiert ist, reicht mir schon als Beleg, daß meine Behauptungen nicht ganz abwegig sein können.
„Es gibt auch Leser dieser Kommentare, die nicht wissen können, was das Blog-Inhaber alles so veranstaltet. “
Ich vertraue auf die zugegebenermaßen gewagte Spekulation, daß sich geneigte Rezipienten einer Medientheorie auf dem in diesem Blog exerzierten Niveau auch mit der Funktionsweise eines Blogs auskennen und ihre Aussagen dazu entsprechend einordnen können. Und wenn nicht, dann nicht.
Ich wünsche weiterhin frohes Schaffen.
„Ich vertraue auf die zugegebenermaßen gewagte Spekulation, daß sich geneigte Rezipienten einer Medientheorie auf dem in diesem Blog exerzierten Niveau auch mit der Funktionsweise eines Blogs auskennen“ – dieses Vertrauen ist gewiss gerechtfertigt, aber ob einer, der sich selbst zum Buhmann machen möchte, die medientheoretische Komplexität angemessen durcharbeiten kann, darf vertrauensvoll angezweifelt werden, zumal selbstzweiflerischer Umgang mit gewissen Konzepten ja mit Recht angemahnt wurde.