Google Street View – Zur Unterscheidung von Dokumentation und Simulation des Raumes 1

von Kusanowsky

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Ein paar Angestellte von Google fahren mit einem Auto durch die Städte, fotografieren alle Häuser und Straßen. Anschließend wird daraus eine fotografische Gesamtansicht errechnet und als Simulation des öffentlichen Raumes im Internet jedem Menschen auf der Welt zugänglich gemacht. Erst geschieht dies, dann geschieht daraufhin lange nichts, dann entsteht ein Sommerloch und plötzlich entstehen erhebliche Irritationen über das, was Google mit Street View eigentlich vor hat. Die Komplexität an Argumenten und Einwänden schwillt in kürzester Zeit über ein Maß hinaus, das alle Übersichtlichkeit zerstört. Niemand könnte nun mit eindeutiger Gewissheit sagen, was der wesentliche Grund für diese anschwellenden Irritationen ist, weil ja keiner eine vollständige Übersicht hat.
Will man sich dennoch an der Diskussion beteiligen, käme es darauf an, die Unterscheidungen zu bezeichnen, mit denen man das Geschehen analysiert. Dabei ist es jederzeit zulässig, die jeweilig vorgeschlagenen Unterscheidungen als unzureichend oder abwegig zurückzuweisen mit dem Argument, dass man damit der ganzen Sache nicht gerecht werde. Es wäre als Einwand also zulässig auf einer Paradoxie zu bestehen. Da nun aber ohnehin keiner eine Übersicht über die Diskussion hat, könnte man mit einer selbst zugerechneten Behauptung des Gegenteils eine Paradoxie an den Anfang einer Argumentation stellen, um durch Entfaltung dieser Paradoxie überschaubar zu machen, ob eine Argumentation anhand ihrer Unterscheidungen etwas zu dieser Diskussion beitragen kann, das so noch nirgendwo sonst formuliert wurde. Man müsste zur empirischen Widerlegung dann nur auf Stellen verweisen können, in denen solche Betrachtungen bereits angestellt wurden. Statt Gegenargumente, die natürlich dennoch interessant bleiben, wären hier also Links oder Kommentare gern gesehen, die auf Texte verweisen, in denen etwas Ähnliches wie das Folgende bereits dokumentiert ist.
Diese ganzen Irritationen über Google Street View zeugen von einem sozial signifikanten Verschiebeprozess eines Beobachtungsschemas, das an seiner Selbstbeobachtungsmöglichkeit scheitert, weil eine bestimmte Unterscheidung in der Reproduktion von Strukturen der Beobachtung in einem Wechselverhältnis der Beobachtung immer noch impliziert werden muss, und eine andere, alternative Unterscheidung in diesem Binnenverhältnis noch nicht oder nur schwer expliziert werden kann. Es fehlt, so könnte man vereinfacht sagen, an anderweitiger Erfahrung. Das Beobachtungsschema, das durch Street View zerrüttet wird, ohne diese Zerrüttung vollziehen zu können, ist das in der Gesellschaft eingeschliffene Schema von „dokumentiert/nicht-dokumentiert“, ein Schema, das Wahrheit weder ein- noch ausschließt und Manipulation zum Problem hat. Das alternative Beobachtungsschema, das sich im Falle von Google Street View gleichzeitig erprobt, ohne die Bewährungschancen bestimmbar zu machen, ist „simulierbar/nicht-simulierbar, ein Schema, das Manipulation weder ein- noch ausschließt und durch seine Kontingenz unvorhersehbare Problemsituationen schafft.
Was wird durch Google Street View sichtbar? Da nun diese Frage mehr als nur eine Antwort zulässt, möchte ich sie auf zwei verschiedene Weisen beantworten, die sich jeweils durch die Wahl eines von zwei Beobachtungsschemata ergeben, wodurch eine Beobachtungsform entsteht, durch welche das eine bezeichnete Schema komplementär das andere Schema ausblendet.

Fortsetzung Teil 2

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