Überlegungen zur Dämonie digitaler Medienpraxis III

von Kusanowsky

Im vorhergehenden Artikel wurde die Frage aufgeworfen, wie das Internet durch Simulationen Anschlussfähigkeit sicher stellt; wie Simulationen zur Fortsetzung der Kommunikation eine unverzichtbare Rekursivität erzeugen, da durch ihr fortdauerndes Prozessieren die Dokumentstruktur zerfällt, die sie als Voraussetzung zu ihrer Entfaltung brauchen.

Mit der Entstehung der Dokumentstruktur konnte eine Unterscheidung zwischen Meinung und Faktum durchgesetzt werden. Ein Faktum wurde verstanden als wiederholbare, nichtkontingente Zurückgewinnung eines Unterschieds, der keinen weiteren Unterschied zulässt: reine Fakten. Zweiffellos sind solche Operationen immer suspekt gewesen, weil mit dem Bestehen auf Reinheit der Fakten immer ein Kontext weiter verschoben wurde, der Kontextlosigkeit akzentuierte. Eine Meinung wurde dagegen explizit an ihren Kontext geknüpft, womit andersherum jede Kontextabhängigkeit bei der Weitergabe im voraus mitgegeben wurde. In beiden Fällen waren so rekursive Sinnverweisungen auf Kontextkontexturalität möglich: Faktum als uneindeutige Eindeutigkeit der Mitteilung, Meinung umgekehrt als eindeutige Uneindeutigkeit.

Diese Verweisungsschema erzeugte die Beobachtbarkeit eines doppelt kontingent verteilten Unterschieds zwischen einem inkludierten Subjekt, das sich ob seiner Subjektivität exkludierend objektivierte, und einem exkludierten Objekt, dem allen Vorbehalten zum Trotz eine Differenzfähigkeit abgesprochen werden musste, da es als Objekt der subjektiven Faktenkonstruktion lediglich „meinungsfähig“ und damit als indifferent gegen andere als die eigene Beobachtungsposition aufgefasst wurde. Was für die einen noch Fakten waren, waren für die anderen schon Meinungen und andersherum. Aber gerade dadurch erhärtete sich diese Unterscheidungsroutine bis über die Grenzen aller rationalen Plausibilisierungsversuche hinaus.

Mit Simulationen zerfällt diese Unterscheidungsroutine notwendig, da sie mit ihren eingebauten Widerständen gegen ihre eigene Konstruktion der medienspezifischen Reflexivität des Internets eine Ununterscheidbarkeit von Faktum und Meinung erzwingen. Man kann zwar immer noch auf das eine oder andere bestehen, aber in allen Fällen irritieren solche Operationen ihr eigenes System so, dass sie andere Operationen im selben System zersetzen. Da Skandalisierbarkeit durch Manipulation die massenmediale Zersetzungsform der Dokumenstruktur ist, denn ein Informationen produzierende System enthüllt immer wieder Neues, sind Simulationen in dokumentarischer Hinsicht so unkontrollierbar wie ein Gerücht, weil sie nur Neues produzieren, das sich stets als etwas anderes erweist. Dies verdanken sie einer spezifische Indifferenz, nämlich der Ununterscheidbarkeit von Nachrichten über Fakten und Meinung. Daraus folgt, dass es im Internet im traditionellen Wortsinn Nachrichten trennbar von bloßen Behauptungen gar nicht mehr gibt. Dieses Zerfallsgeschehen bildet dann die Voraussetzung zur Aufrechterhaltung einer Rekursivität der Simulationen: die Kommuniktion stabilisiert sich durch ständige Neutralisation ihrer Anschlussvoraussetzungen. Entsprechend gibt es auch keine Trolle, die im Unterschied zu seriösen Beschreibungen nur wirre, unseriöse Kausalitäten konstruieren könnten.

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