Der Atheismus der Religion
von Kusanowsky
„Lassen Sie doch diesen Unsinn, Schnier. Was haben Sie nur?“ „Katholiken machen mich nervös“ sagte ich, „weil sie unfair sind.“ „Und Protestanten?“ fragte er lachend. „Die machen mich krank mit ihrem Gewissensgefummel.“ „Und Atheisten?“ Er lachte noch immer. „Die langweilen mich, weil sie immer nur von Gott sprechen.“ „Und was sind Sie eigentlich?“ Ich bin ein Clown.“
Diesen Dialog findet man bei Heinrich Böll in dem Roman „Ansichten eines Clowns“, ein Stelle, die zeigt, dass die Funktion von Religion in einer säkularen Gesellschaft unverzichtbar bleibt. Während die jeweilige Funktion vieler Funktionssysteme wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. für die Gesellschaft und die Leistungen, die sie für einander erbringen, derart evident ist, dass man sich tatsächlich fragen müsste, wie die Gesellschaft ohne diese jeweiligen Funktionserfüllungen und Leistungen weiter funktionieren sollte, kann man hinsichtlich der Religion die Frage stellen, ob die Gesellschaft nicht ebensogut ohne Erlösungsverheißung oder Sinnstiftung durch die Religion im engeren Sinne auskommen könnte. Aber auch die Behauptung, dass die Gesellschaft ohne Religion jederzeit gut zurecht käme, auch nicht vollständig überzeugen kann.
In evolutionstheoretischer Perspektive gilt, dass die Erfüllung einer spezifischen Funktion nicht der ausreichende Grund für die Entstehung eines Funktionssystems sein kann, sondern höchstens ein evolutionärer Attraktor, der eine Leitdifferenz erzeugt und diese in Funktion setzt. Man wird aber annehmen dürfen, dass die Funktionalität einer spezifischen Funktionserfüllung für die Gesellschaft zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt der Grund für die Restabilisierung der Funktionserfüllung durch ein Funktonssystem ist; gemeint ist damit eine Lösung, die ein Problem gefunden hat, woraus dann die Schließung zu einem Funktionssystem mit entsprechenden Organisationen etc. folgen kann.
Dies scheint insbesondere für den Atheismus zu gelten. Man könnte nicht sagen, worum es Atheisten eigentlich geht, wenn sie nicht ständig auf eine Leitdifferenz verweisen würden, deren Legitimität sie dadurch erhärten, dass sie sie bestreiten. Eindrucksvoll kann man dies bei diesem Weblog beobachten, das gleichsam als Pressereferat des deutschsprachigen Atheismus seinen Teil dazu beiträgt, dass die religöse Tradition nicht in Vergessenheit gerät.
Wenn man Religion als Rückbesinnung auf ein von Wertevorstellungen geprägtes Weltbild auffasst, ist es völlig egal, ob man dieses mit anderen teilt – und daraus eine Gemeinschaft ableitet – oder nicht, weil man dann nämlich feststellt, dass jeder »irgendwie« religiös ist. Hinsichtlich des Atheisten fiel mir also stets die Frage ein: »An wen glaubst du denn nicht?«
Dem würde ich im Großen und Ganzen zustimmen. Was mich immer wieder irritiert ist die Empörung, die sich durch die sog. Verletzung religiöser Gefühle bemerkbar macht; etwas, das man ja auch bei Atheisten feststellt. Mir scheint, dass die moderne Religiosität irgendwie in dem Recht auf eine egoistische Naivität besteht, die besagt, dass die Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle den anderen auferlegt wird und damit eine Pflicht zur Demut, die entsprechend jeder Religiöse nur von anderen fordert. Da dies für jeden gilt, zerfällt der Unterschied in einer säkularen Gesellschaft zwischen Theisten und Atheisten, weil alle sich gleichermaßen zur Demut verpflichten, bzw. sich in Hinsicht auf ihre eigene religiöse Demut widerspenstig zeigen.
Hier ein Link zum Tanzverbot an Karfreitag. http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=36082&key=standard_document_41350391
@kadekmedien stimme ich im Großen & Ganzen ebenso zu.
Die Fortführung Frage nach „Gott“ ist interessanter als jeder konfessionelle Einschluss einer spezifischen Definition von „Gott“.
Es geht immer um Ideen, Aspekte, Beobachtungen und Konzepte… (Wahrheiten/ Wirklichkeiten lassen sich nur schwierig in Sprache einwickeln und abpacken…)
Interessante oder inspirierende Wahrheiten über „Gott“ (und/ oder über die psychologische Prägung und Disposition der Träger spezifischer Gottesbilder) findet man eigentlich in jedem Fall, wenn man sich offen und interessiert mit der Frage nach „Gott“ auseinandersetzt.
Und es ist eigentlich nicht weniger interessant zu fragen, wie der „Gott“ denn beschaffen ist, an den wir nicht glauben sollen oder dürfen, als zu fragen, wie der „wahre Gott“ die Welt und die Menschheit erschaffen hat.
Umgekehrt kann man auch fragen, wie oder was „Gott“ nicht ist.
John Scot Erigena (9th century): „We do not know what God is. God Himself does not know what He is because He is not anything. Literally God is not, because He transcends being.“
http://en.wikipedia.org/wiki/Apophatic_theology
Ich habe auch oft den Eindruck, dass Atheisten eben für den Widerspruch leben, dem sie sich (freiwillig?) aussetzen.
Zumindest, wenn die atheistische Weltanschauung von einem Funken ehrlicher, intellektueller Skepsis hinterlegt ist, kann man Atheismus gewissermaßen als eine konsequente(re) Fortsetzung der Suche nach „Gott“ verstehen… // Eine Kulturform, um die Frage nach „Gott“ (kritisch) am *Leben* zu halten. (?)
Jede orthodoxe, dogmatische Antwort fesselt/ oder tötet „Gott“.
Jede denkbare Antwort auf die Frage nach „Gott“ erstickt die Suche nach Wahrheit hinter dem Bezeichner/ Ausdruck „Gott“.
// Vielleicht ist es eben diese „Latente Widerspruchs-Erwartung (LWE)“, die Christopher Hitchens hier anspricht. Er ist vielleicht (anders als Dawkins) noch skeptisch (/ agnostisch) genug, dass er seine eigene Antwort auch nicht (dogmatisch) als „Wahrheit“ akzeptieren kann/ will.
http://neonleuchte.blogspot.de/2013/05/latente-widerspruchserwartung-als.html
„There is no God.“ — „But there is … “ ?
–> so… What is there — and why should /or/ shouldn’t we call it „God“?
Die „Wahrheit“ liegt (wie Hegel sagt) auch eher im Widerspruch, als in den spezifischen Aspekten unserer konfessionell geprägten (teilhaftigen) Weltbilder.
http://www.biblegateway.com/passage/?search=1+Corinthians+13&version=LUTH1545
¶
»Wie soll ich ihn denn lieben?« Du sollst ihn lieben wie er ist: ein Nichtgott, ein Nichtgeist, eine Nichtperson, ein Nichtbild, sondern: wie[125] er ein blosses, pures, reines Eins ist, gesondert von aller Zweiheit, und in dem Einen sollen wir ewiglich versinken von Nichts zu Nichts. Das walte Gott. Amen.“
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Meister+Eckhart/Predigten,+Traktate,+Spr%C3%BCche/Predigten/17.+Von+Gott+und+der+Welt
„Es gibt keine dieser Götter, solange sich mir keiner offenbart.“
https://plus.google.com/u/0/102629359568798679182/posts/Dz9Uk5dD6rc
Hierbei stellt sich uns jeweils die Frage was für eine „Offenbarung“ wir uns denn (speziell oder allgemein) wünschen, ausmalen oder erhoffen.
Atheisten haben eben auch eine (mehr oder weniger konkrete) Vorstellung von „Gott“, die mit einer Erwartungshaltung verbunden ist, die sich in der erlebten Welt eben [offenbar!] nicht erfüllt.
Den „Gott“ an den Atheisten nicht glauben wollen gibt es mit (ziemlicher) Sicherheit wirklich nicht. Die Gottesvorstellung, die Atheisten ablehnen muss eben naiv und oberflächlich oder absurd genug sein, dass sie nicht geglaubt werden kann.
In gewisser Hinsicht fallen Atheisten auf die Vorstellung von „Gott“ herein, die naive „Gläubige“ repräsentieren oder predigen.
Ich will zumindest die Frage offen lassen, ob das, was meiner Existenz zugrunde liegt, als „Gott“ verstanden und bezeichnet werden kann.
#Atheismus ist eigentlich der „via negativa“…
http://de.wikipedia.org/wiki/Negative_Theologie 😉
#Atheisten helfen Unsinn auszusortieren und helfen denen, die Sinn aus religiöser Sprache und religiösen Vorstellungen machen wollen, konsequent weiterzudenken.
Wir müssen da keine Kontroverse projizieren, denke ich… wir sind eigentlich alle auf dem selben Weg… (Und auf dem Weg macht es keinen Sinn, über konfessionelle Unterschiede zu streiten..!)
Wir sind dabei zu verstehen, was wir sind und woher wir kommen (und vielleicht sogar zu erahnen, wohin wir gehen.)…
Egal, was wir dabei glauben oder nicht glauben wollen… Egal welche Worte wir benutzen, um unsere erlebte Welt zu klassifizieren und zu benennen…
Egal welche Ideen wir fassen, um unsere erlebte Welt zu verstehen und zu erschließen…
Im Endeffekt lernen wir immer etwas über uns selbst und die Welt