Differentia

Was ist Realität? Der Fischbestand! Was sonst?

Das Forum Fisch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Sektion Baden-Württemberg, Mitte März an der Universität Hohenheim stand ganz im Zeichen dieses Disputs. Denn was ist Realität, was eine verzerrte Wahrnehmung auf Grund einzelner Berichte? Betrachtet man isoliert die Rückstandssituation in Fisch, so gibt es durchaus Einzelbefunde und Problembereiche, die den Fisch nicht gut dastehen lassen: die östliche Ostsee, der Rhein, Malachitgrün, Dioxine und dioxin-ähnliche PCB sind Schlagworte. Stellt man diese Einzelbefunde jedoch in einen Gesamtkontext, so dominieren die Vorteile des Fischkonsums. Bei normalem Konsum sind durch Rückstände und Kontaminanten keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten, so die Experten.

Das ist nicht etwa ein Auszug aus einem Sketch von Loriot, sondern eine ernst gemeinte Pressemitteilung des Vereins „Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V.“ aus Bonn.
Das Interessante ist eine beobachtbare Kontingenz: ernst gemeint oder doch eine Fake? In beiden Fällen stellt sich die selbe Ratlosigkeit ein. Wäre es ein Fake, wäre es zu einfach gemacht, wäre es keins, wäre es dies auch.

Auf den Kabarettisten Gerhard Polt geht der Begriff der „Realsatire“ zurück, der jedesmal zitiert wird, wenn es darum geht, ein zur Trivialität geronnenes Beobachtungsschema zu retten. Denn der Lacheffekt stellt das Beobachtungsschema ja gar nicht in Frage, er affimiert es, indem die Beobachtung des re-entry unterbleibt. Die Definition bei Wikipedia von „Realsatire“ lautet: „Als Realsatire bezeichnet man Vorgänge, die bereits bei nüchterner Beschreibung satirisch wirken.“ Man merkt sofort, dass man auch diese Definition gar nicht mehr ernst nehmen kann.

Gerhard Polt, Foto: Wikipedia
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Materialität der visuellen Sinnproduktion

Als weiterer Nachtrag zu der Frage, wie sich mit der technischen Reproduzierbarkeit in einem Bild dokumentierbare Formen und Bedeutungen entwickeln können, schließt sich die Frage nach den spezifischen Materialitäten an, in welche sich diese möglichen Formen einschreiben. Denn jeder Entscheidung für eine bestimmte bildhafte Darstellung zum Zweck der Dokumentation hat immer schon ein Medium zur Voraussetzung, dessen materielle Bedingungen und Möglichkeiten in diese Formentscheidungen eingreifen, weil die Materialität eines Bildes schon von Beginn an die Prozesse der Formgebung und der Sinngebung determiniert.
Die Materialität des gewählten Mediums fließt in die Bedeutung eines Bildes selbst ein. Was wäre daher unter Materialität zu verstehen? Man könnte versuchen, Materialität als eine oder mehrere Rahmenbedingungen zu fassen, die bei jeder Produktion von Form oder Sinn in irgendeiner Art und Weise eine Rolle spielen. Die Materialität gibt einen Rahmen von Bedingungen und Möglichkeiten vor, der im Gestaltungsprozesse nicht umgangen oder überschritten werden kann. In diesem Sinne erzeugt die Materialität eines Mediums bereits den Kontext, in dem ein mögliches Bild bereits situiert ist, noch bevor es begonnen hat sich in den Sinndimensionen zu entfalten. Banal formuliert führt das auf die zirkuläre Definition, dass man mit einem Medium nur dasjenige herstellen kann, was man mit diesem Medium herstellen kann. Was man mit einem Medium nicht erzeugen kann, kann man mit diesem Medium auch nicht erzeugen.

Insofern liegt in der Materialität eines Mediums eine der Bedingungen der Möglichkeit der Produktion von Bildern, die man als Voraussetzung aller Bildproduktion akzeptieren muss. Indem man also nach der Materialität eines Bildes fragt, fragt man nach den Elementen eines Sinnkontextes, welche die Visualisierung dieses Kontextes ermöglichen. Diese Elemente bestimmen in der Folge der Herstellung und der Sinngenese einen Rahmen, innerhalb dessen ein Beobachter die von ihm konstruierten Bedeutungsstrukturen entwickeln kann. Die Frage nach der Materialität eines Bildes ist also die Frage nach Form einer Vor-Form, nach einer Vor-Bedingung, einem Kontext oder einem historisch wie auch immer spezifizierbaren Apriori. Die materiellen und medialen Rahmenbedingungen eines Bildes bleiben normalerweise aber als unbeobachteter blinder Fleck in der Sinnproduktion des Beobachters ausgeblendet, wodurch der Dokument-Charakter zutage tritt, der alle Reifizierung erzwingt.

Siehe dazu auch den Artikel
Technik, Technologie und Medientheorie – ein Brainstorming

 

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