Zirkularität und Selbstreferenz
von Kusanowsky
In der Rückschau zeigt sich die fundamentale Unzulänglichkeit der alteuropäischen Ontologie und der ihr zugeordneten Erkenntnistheorie als von der Furcht vor dem selbstreferentiellen Zirkel bestimmt zu sein. Erst sehr spät, also im 20. Jahrundert gelingt es argumentativ, besonders durch Maturana, Realität als selbstreferenziellen Prozess zu beschreiben. In der Soziologie löst man seit Luhmann das schwierige Problem der Selbstreferenzialität durch ein autologisches Konzept der erkenntnistheoretischen Zirkularität und zielt darauf ab, Soziologie als reflektierte Autologie zu betreiben. Dabei spielt die Unterscheidung von Beobachtung und Operation eine entscheidende Rolle. Es muss zugestanden werden, dass Beobachtung auch Operation ist. Allerdings ist diese Unterscheidung notwendig, weil jeder andere Versuch, Selbstreferenz durch Selbstreferenz zu enttautologisieren, scheitern würde. Nur durch den Umweg der Fremdreferenz, durch die Verschiebung von Unterscheidungen, durch Konditionierung ist das letztlich unvermeidbare Paradox der Selbstreferenz zu entfalten und zu entparadoxieren.Um überhaupt beobachten zu können, ist zuerst eine Unterscheidung zu treffen!
Alle soziale Systeme mit basaler Selbstreferenz sind immer historische beziehungsweise „nichttriviale“ Maschinen. Zu betonen ist der rekursive Anschluss statt der rekurrenten Wiederholung. Weil Ereignisse keinen Bestand haben, gibt es auf der Ebene des Ereignisses keine kausale Zirkularität. Kausale Rückwirkung setzt Formung eines Ereigniszusammenhangs bzw. die Form eines höberen Ordnungsgrades voraus. Im System präsentieren Ereignisse die Irreversibilität und können sich nicht ändern. Änderung ist immer eine Strukturänderung, weil sie in der Form von Erwartung registriert gespeichert werden muss. Um Reversibilität zu erreichen, müssen Strukturen gebildet werden.
Vgl. Chih-Chieh Tan: Struktur / Ereignis. Eine unterentwickelte, aber vielversprechende Unterscheidung in der Systemtheorie Niklas Luhmanns. In: Soziale Systeme 13 (2007) S. 86-98.